ALFRED KUBIN, Der Tod als Reiter, 1906
© Leopold Museum, Wien, Foto: Leopold Museum, Wien/ Manfred Thumberger © Eberhard Spangenberg, München/ Bildrecht, Wien 2021
© Leopold Museum, Wien, Foto: Leopold Museum, Wien/ Manfred Thumberger © Eberhard Spangenberg, München/ Bildrecht, Wien 2021
Kultur

Höhepunkte des Wiener Kulturjahres

Das Neujahrskonzert 2022 war der erste kulturelle Höhepunkt des Jahres. Viele weitere Höhepunkte sind trotz Corona-Pandemie geplant. Ein Überblick quer durch Genres, ganz ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Seine „Songs of Vienna“ stellt Elektronikmusiker Cid Rim am 13. Jänner im Porgy & Bess vor. Der Tausendsassa, der als Produzent und Remixer für viele namhafte Kollegen tätig ist, mischt auf seinem neuesten Output knackige Beats mit sphärischen Passagen, driftet schon mal in mächtige Drones ab, um dann doch wieder dem Popgedanken zu frönen. Letzterem spüren auch Oehl und Gäste nach, die am 31. Jänner ins Wiener Konzerthaus laden.

Wer es lieber eine Spur direkter, brachialer und expliziter mag, für den könnte die Konzertperformance von Fuckhead etwas sein: Die heimische Szenelegende kapert am 28. Jänner das Wiener WUK, um dort „Eat The Rich“ zu proklamieren. Versprochen wird dabei ein „Mix aus Satyrspiel, Exorzismus, Opferritual, totaler Verweigerung und Meditation“. Klingt spannend. Ebenfalls eine Institution ist die Linzer Hip-Hop-Combo Texta, die am 18. Jänner ein Onlinekonzert im Wiener Radiokulturhaus spielen wird.

Votivkirche als Electronic Church

Einer der außergewöhnlichsten Termine des Kulturjahres 2022 ist wohl der 29. April. Da ist die Bergpredigt als Elektrosymphoniespektakel in der Votivkirche zu hören. Star-DJ Sergio Manoel Flores vertont unter dem Titel „On A Hill“ eine der zentralsten Stellen der Bibel, setzt aber auch visuelle Effekte ein.

Es ist ein Auftragswerk der Päpstlichen Missionswerke (Missio), die heuer 100 Jahre alt werden. Neben Flores mit dabei sind Geiger Yury Revich, Singer-Songwriterin Loretta Who, Stimmkünstlerin Linus Norda und das vierköpfige Streichensemble unter der Leitung von Magdalena Wieckowska. Mit dem Reinerlös wird der Bau des Sankt-Karl-Borromäus Krankenhauses in Mosambik unterstützt.

Electric Church, Yuri Revich
Gregor Turecek
Electric Church, Yuri Revich

Staatsoper: Rossini Mania mit Cecilia Bartoli

Klassischere Klänge sind in der Staatsoper zu hören, wenn Starsopranistin Cecilia Bartolis Musiciens du Prince für ein Gastspiel die Bühne betreten. Unter dem Übertitel „Rossini Mania“ ist eine szenische „Turco in Italia“ (3. Juli), eine semiszenische „Cenerentola“ (28. Juni) sowie eine Rossini-Gala (8. Juli) angesetzt – womit Publikumsliebling Bartoli auch ihr Hausdebüt feiert.

Auch eine Arbeit vom anderen Ende der chronologischen Skala kommt zu Ehren: „Wozzeck“, am 21. März, in der Deutung von Simon Stone mit Christian Gerhaher in der Titelpartie. Und schließlich kommen auch Wagner-Freunde am 14. April auf ihre Kosten, wenn Starregisseur Calixto Bieto „Tristan & Isolde“ mit Andreas Schager und Martina Serafin in den Titelrollen inszeniert.

Nicht nur Eisenmänner im KHM

Im Kunsthistorischen Museum zu sehen sein werden die modischen Qualitäten von Eisenmännern ebenso wie eine Weltreise anhand von 80 Münzen. In der Gemäldegalerie begegnet man ab 29. März der großen Frühlingsausstellung des KHM: „Iron Men. Mode in Stahl“ (bis 26. Juni) hält, was der Titel verspricht, und rückt den Harnisch ins Zentrum. Sei es seine Verwendung im Krieg, dem Turniersport oder zu festlichen Anlässen: Besucher bekommen anhand von rund 170 Objekten Einblicke in die unterschiedlichen Formen und Ausprägungen dieses Kleidungsstückes vom späten 15. bis zum frühen 17. Jahrhundert.

Landsknecht-Harnisch für Wilhelm von Rogendorf (Detail)
Kolman Helmschmid, Augsburg, 1523
Wien, Kunsthistorisches Museum, Hofjagd- und Rüstkammer
© KHM-Museumsverband
Landsknecht-Harnisch für Wilhelm von Rogendorf (Detail), Kolman Helmschmid, Augsburg, 1523

„In 80 Münzen um die Welt“ heißt es angelehnt an den Abenteuerroman von Jules Verne, wenn im Münzkabinett ab 26. April knapp ein Jahr lang die Geldbörsen von 16 bekannten Persönlichkeiten wie Marco Polo, Kleopatra oder Mozart ihre Geschichten erzählen – oder besser gesagt: deren Inhalt. In der Kunstkammer werden wiederum die Anfänge von Lucas Cranach dem Älteren thematisiert.

Ein Schwerpunkt ist auch dem in Neuseeland geborenen Maori-Künstler George Nuku gewidmet: Er wird einerseits im Weltmuseum Wien mit einer großen Präsentation („Oceans. Collections. Reflections“, 23. Juni bis 31. Jänner 2023) bedacht, andererseits bespielt er den Theseustempel im Volksgarten mit einer installativen Arbeit. Und im ebenfalls zum KHM-Verband zählenden Theatermuseum begegnet man ab 3. Juni der Theaterfotografie von Christine de Grancy („Verschwindet! Ich schieße…“, bis 7. November). Sie war während der Direktion von Achim Benning am Burgtheater engagiert.

Wiedersehen beim Festival ImPulsTanz

Ein Wiedersehen mit der Compagnie Ultima Vez von Wim Vandekeybus und mit Akram Khan bringt das Festival ImPulsTanz, das von 7. Juli bis 7. August stattfindet. Ultima Vez zeigt zum 35-jährigen Bestehen zwei Stücke, darunter eine Weltpremiere. Der britische Tänzer und Choreograf Akram Khan erzählt Rudyard Kiplings „Dschungelbuch“ aus Moglis Perspektive als Geflüchteter und verwebt sie mit Aspekten der Klimakrise.

omemade RC Toy, Installation view, Kunsthalle Basel, 2019
© Philipp Hänger / Kunsthalle Basel
Homemade RC Toy, Installation view, Kunsthalle Basel, 2019

Zu den weiteren Programmhighlights zählen eine Personale der Südkoreanerin Geumhyung Jeong, Gastspiele des Tanztheaters Wuppertal Pina Bausch („Vollmond“) und Anne Teresa De Keersmaeker („Mystery Sonatas / For Rosa“ zu den Sonaten von Heinrich Ignaz Franz Biber) sowie ein Auftritt ihrer Schwester Jolente De Keersmaeker, die eine eigens von Jérôme Bel für sie entwickelte Choreografie tanzt.

Alfred Kubin im Leopold Museum

Neun Ausstellungen werden 2022 im Leopold Museum zu sehen sein. Den Künstlern Alfred Kubin und Franz Hagenauer werden ebenso Präsentationen gewidmet wie dem Künstlerbund Hagen und dem einstigen österreichischen Theater- und Filmstar Tilla Durieux. Dazu kommt zum fünften Mal eine Kooperation mit dem ImPulsTanz Festival. Die erste neue Ausstellung im neuen Jahr gilt dem großen Zeichner Alfred Kubin (1877-1959).

FRANZ HAGENAUER, Paar, 1936
© Sammlung Breinsberg, Foto: Christian Schindler, Pixelstorm © Caja Hagenauer, Wien
Franz Hagenauer, Paar, 1936

Die Ausstellung „Bekenntnisse einer gequälten Seele“ unternehme „den erstmaligen Versuch, die Kunst der Kubinschen Traumwelten, die allzu oft in alpdrückend-düstere Sphären vordringt, auch in ihrem Bezug zum Unbewussten, zu den Tiefendimensionen des Psychischen zu erfassen“, hieß es dazu. Direktor Hans-Peter Wipplinger arbeitet dabei als Kurator mit dem Psychoanalytiker und Psychiater August Ruhs zusammen und wird auch Arbeiten einbeziehen, die als Inspirationsquellen für Kubins Schaffen dienten.

Ab 6. Mai präsentiert man unter dem Titel „Die Vornehmsten der Vornehmen“ erstmals die rund 600 Werke zählende Schenkung des Kunstsammlers Helmut Klewan. Ausgewählte Werke von Max Beckmann, Lovis Corinth, George Grosz, Oskar Kokoschka, Isolde Ohlbaum, Pablo Picasso und anderen bieten einen Einblick in diese umfangreiche Sammlung von Autorinnen- und Autoren-Porträts. Dem österreichischen Bildhauer Franz Hagenauer (1906-1986) gilt ab 20. Mai eine Ausstellung, die in Kooperation mit dem MAK und der Sammler-Familie Breinsberg entsteht.

Crossover von Seiler & Speer

Eigentlich stehen Seiler und Speer („Ham kummst“) nicht direkt für symphonisch vollen Klang, sondern eher für handgemachten Austropop. Am 11. Februar 2022 jedoch wechselt das Duo die Seiten und wird mit Popsymphoniker Christian Kolonovits sowie dem Max Steiner Orchester im Wiener Konzerthaus seine Hits im klassischen Gestus präsentieren „Diese Show wird nochmal ein eigenes Level, bei dem wir über unsere musikalischen Grenzen hinauswachsen werden,“ so Christopher Seiler.

Und auch der Grenzgänger Christian Kolonovits freut sich auf die Zusammenarbeit: „Es ist mir eine Freude, mit zwei so authentischen Musikern zu arbeiten und ihr Vertrauen in meine Fähigkeiten zu genießen: sie haben mir freie Hand für ihre Werke gegeben.“ Ganz neu ist die Kooperation dabei nicht, hatte Kolonovits einst doch bereits den Seiler-und-Speer-Hit „Ala bin“ symphonisch veredelt.