Chronik

Freispruch in Prozess um Auftragsmord

Weil er einem vermeintlichen Killer 50.000 Euro für einen Bombenanschlag auf einen tschetschenisch-stämmigen Videoblogger angeboten haben soll, ist ein 52-jähriger Mann im vergangenen Mai in Wien festgenommen worden. Am Dienstag sprach ihn ein Geschworenengericht frei.

Mit einer durchaus überraschenden Entscheidung ging am Dienstagnachmittag am Wiener Landesgericht ein Prozess um einen versuchten Auftragsmord zu Ende. Der Angeklagte – ein 52-jähriger Tschetschene – wurde von den acht Geschworenen einstimmig freigesprochen. Der Mann, der seit Ende Mai des Vorjahres in U-Haft gesessen war, wurde nach der Verhandlung auf freien Fuß gesetzt. Der Freispruch ist nicht rechtskräftig, der Staatsanwalt gab vorerst keine Erklärung ab.

Der Ankläger hatte dem 52-Jährigen vorgeworfen, einem vermeintlichen Killer 50.000 Euro für einen Bombenanschlag auf einen tschetschenisch-stämmigen Videoblogger angeboten zu haben. Der Angeklagte und sein Verteidiger beteuerten, die Gespräche mit dem vermeintlichen Mörder seien nicht ernst gemeint gewesen. Dieser Verteidigungslinie folgten die Geschworenen einhellig. Für sie war der Tatbestand der versuchten Bestimmung zum Mord nicht erfüllt. Näheres zur Entscheidungsfindung war der Urteilsbegründung nicht zu entnehmen.

Aussagen über Familie als Grund

Der Angeklagte war 2004 aus seiner tschetschenischen Heimat nach Wien geflüchtet. Im Vorjahr brachte ihn ein ebenfalls in Österreich aufhältiger Landsmann auf die Palme, der auf YouTube einen Videokanal betreibt. Der Mann veröffentlichte einen Beitrag, den der 52-Jährige als zutiefst beleidigend empfand. Er enthielt Aussagen über die – kurz zuvor verstorbene – Mutter und die Ehefrau des Angeklagten.

Den genauen Wortlaut gab der 52-Jährige auf Befragen der Richterin erst zu Protokoll, nachdem auf sein Geheiß sein der Verhandlung beiwohnender 22-jähriger Sohn den Gerichtssaal verlassen hatte. Als er die zentralen, ihn kränkenden Passagen wiedergab, kamen dem Angeklagten die Tränen, mehrmals schluchzte er auf. Dabei habe er den Blogger „überhaupt nicht gekannt“, wie er betonte. Er habe vermutet, dass hinter der Videoveröffentlichung ein weiterer Tschetschene als Drahtzieher fungierte, mit dem er seit 20 Jahren verfeindet sei.

Angeklagter soll Bombenanschlag bestellt haben

Laut Anklage war der 52-Jährige auf Blutrache aus, um die Familienehre wiederherzustellen. In der tschetschenischen Community dürfte sich das herumgesprochen haben. Jedenfalls geriet der zutiefst verletzte Tschetschene im April 2021 an einen Mann, den er als Killer ansah und bei dem er einen Anschlag auf den Blogger bestellt haben soll. In Wahrheit handelte es sich dabei um einen verdeckten Ermittler der slowakischen Polizei, der sich mit seinen österreichischen Kollegen kurzgeschlossen hatte.

Diesem erteilte der Angeklagte via WhatsApp und bei zwei Treffen auf einem Supermarktparkplatz in Wien genaue Anweisungen, was mit dem Blogger zu geschehen habe. Der 52-Jährige wünschte sich konkret das Anbringen eines Sprengsatzes am Pkw des Bloggers, die Explosion sollte diesem „den Kopf abreißen“, aber sonst keine Menschen verletzen.

Auftrag sei nur „Spiel“ gewesen

Der Angeklagte versuchte in seiner Beschuldigteneinvernahme, die Geschworenen davon zu überzeugen, dass er keinen Mord im Sinn hatte. Der verdeckte Ermittler habe ihm diesen „angeboten. Er hat begonnen zu spielen, ich habe mitgespielt“. Sein Anliegen sei es gewesen, eine Bestätigung dafür zu bekommen, dass sein langjähriger Feind hinter der Videoveröffentlichung stand, die seine Familie beleidigt habe.

„Ich wusste genau, dass das kein Auftragskiller ist“, schwor der 52-Jährige. Er habe sich auf „ein Spiel eingelassen“, einen Anschlag habe er niemals beabsichtigt: „Mein Plan war, mich mit Gemüseanbau, mit Cherrytomaten zu beschäftigen.“ „Es war nicht ernst gemeint“, sagte auch sein Verteidiger. Das sei auch deshalb ersichtlich, weil der vermeintliche Killer „nicht einen einzigen Euro bekommen hat“.

Verdeckter Ermittler erhielt kein Geld

Der verdeckte Ermittler wurde per Videokonferenz mit der Slowakei als Zeuge vernommen. „Nachdem er gespürt hat, dass er mir vertrauen kann, hat er gesagt, dass ich dem Opfer den Kopf abreißen soll“, schilderte der vermeintliche Killer. Der Angeklagte habe ihm erklärt, „dass von dem Opfer nix übrig bleiben soll“. Er habe in weiterer Folge ein Foto des Opfers, dessen Adresse und einen Lageplan der Wohnung erhalten: „Mir war von Anfang an klar, dass der Angeklagte das ernst meint.“ Nach dem zweiten persönlichen Treffen habe es dann keinen Kontakt mehr gegeben, weil die in Aussicht gestellten 50.000 Euro nicht übergeben wurden.

Der Blogger erhellte im Anschluss ein wenig die Hintergründe. Er habe den Angeklagten ursprünglich im Verdacht gehabt, in den Mord eines im Juli 2020 in Gerasdorf erschossenen Tschetschenen verwickelt gewesen zu sein. Dieser habe darauf ein ihn kränkendes Foto gepostet, worauf er mit seinem Video geantwortet habe, berichtete der Blogger. Angst habe er vor dem Angeklagten keine gehabt.