Komplexitätsforscher Peter Klimek im Wien heute Studio
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Coronavirus

Klimek fordert „professionelle Strukturen“

Komplexitätsforscher Peter Klimek rechnet im „Wien heute“-Interview damit, dass die Omikron-Welle in Wien höher ausfällt als im Rest des Landes. Von der Politik fordert er professionelle Beratungsstrukturen. „Nicht alle von uns können auf Dauer zwei Jobs parallel betreiben.“

Der Wiener Physiker und Komplexitätsforscher wurde diese Woche zum Wissenschaftler des Jahres 2021 gewählt und nahm Samstagabend bei Patrick Budgen im Studio Platz. „Wir schlagen uns seit zwei Jahren die Nächte um die Ohren, für die wir nicht bezahlt werden, sondern weil wir es für wichtig und notwendig empfinden", schildert der 39-Jährige auch die private Situation von sich und seinen Expertenkolleginnen und -kollegen. „Ich habe genug Funktionen in anderen Gremien. Wir müssen dazu übergehen, das Pandemiemanagement zu professionalisieren“, so Klimek.

Und weiter: „Ich begrüße, wenn GECKO der erste Schritt in die Richtung ist. Es sind viele Strukturen vor zwei Jahren aus dem Nichts geschaffen worden und diese Strukturen sind so geblieben. Es hat keinen Sinn, wenn wir 35 Gremien haben, wo immer die selben Leute drin sitzen und keiner weiß, wer wofür er zuständig ist.“ Die Politik sei „gefordert, nachhaltige und professionelle Beratungsstrukturen zu schaffen“. Für die Omikron-Welle habe er "noch nicht gesehen, dass da eine besondere Schlagkraft erzielt wurde“.

„Wien macht uns mehr Sorgen“

„Man sieht in anderen Ländern, die vor uns sind, wie die Welle abläuft. Auch diese Welle kommt zu einem Höhepunkt. In Österreich erwarten wir den Ende Jänner oder Anfang Februar. Es hängt auch davon ab, wie wir mit dieser Welle umgehen“, so Klimek. In Wien könne man früher in höhere Zahlen kommen und die Welle könnte hier auch höher ausfallen, so der Experte.

Peter Klimek im Gespräch mit Patrick Budgen

Peter Klimek im Gespräch mit Patrick Budgen

„Wien macht uns noch ein bisschen mehr Sorgen. Wien hat die Delta-Welle besser im Griff gehabt, das heißt aber auch, dass die Immunisierung hier geringer ist. Und man sieht international auch, dass Städte mehr betroffen sind, weil die Leute hier eng zusammenleben.“

Milderer Verlauf wegen höherer Immunisierung

Der Schluss, dass Omikron nicht so gefährlich sei, sei selbst „eigentlich gefährlich“. Zwar sehe man, dass sich die Infektionszahlen immer weniger in schweren Verläufen niederschlagen. „Aber das liegt daran, dass die Immunisierung in der Bevölkerung viel höher ist als bei vorigen Wellen. Selbst bei Delta würden wir jetzt viel weniger schwere Verläufe sehen.“

Die Variante mache dadurch Probleme, dass man eine extrem hohe Anzahl an Patientinnen und Patienten habe, die zwar nicht so intensiv, aber dennoch versorgt werden müssten. "Deshalb kann man diese Variante nicht milder nennen.“
Es sei nicht auszuschließen, dass es noch einmal eng wird in den Spitälern, so Klimek. "Es gibt zum Beispiel Bundesstaaten in den USA, die haben Rekorde auf den Normal- und Intensivstationen. Es hängt davon ab, wie groß die Immunisierung vor allem bei den Risikopersonen ist.“

Zu viele Tests in Wien?

Zur Frage, ob die Teststrategie geändert werden solle, wie vereinzelt gefordert, sagt Klimek: „Die Antigentestes haben natürlich eine Daseinsberechtigung dann, wenn ich die PCR-Testkapazität verliere." Man habe häufig den Fehler gemacht, dass man sich zu sehr auf eine Maßnahme konzentrierte. Aber: „Man braucht eine Strategie, die aus vielen unterschiedlichen Schutzebenen besteht und da ist Testen ein wichtiger Bestandteil davon. Es hilft uns nichts, wenn wir eine super Teststrategie haben, wenn wir nicht die Hausaufgaben bei der Lüftung, beim Maskentragen machen.“

Auf die Frage, ob in Wien zu viel getestet werde, sagt Klimek, dass man das von der Pandemiephase abhängig machen müsse. "Wenn die Infektionszahlen hoch sind, dann ist es natürlich gut, so eine umfangreiche PCR-Teststrategie zu haben. Man darf nur nicht glauben, wenn man das aufbaut, muss man sonst nichts mehr tun und wird sonst keine Probleme haben. Man muss es als ein Puzzleteil von vielen sehen. Und wenn wir im Sommer dann hoffentlich weniger Infektionen haben, dann muss man sich überlegen, wie viele Tests man dann bei Leuten durchführen muss, die keine Symptome haben.“

Zu wenig Zeit für Familie

Privat bleibt dem Vater zweier Kindergartenkinder derzeit wenig Freizeit. „Momentan bleibt zu wenig Zeit für die Familie. Das geht zusehends an die Substanz, weil man immer weiter zurücksteckt bei Treffen mit Familie und Freunden. Da ist etwas, woran man arbeiten muss. Immer dann, wenn eine neue Welle da ist, wenn besonders viele Anfragen kommen, dann gib es böse Blicke von der Frau.“

Klimek kommt aus einer Weinbauern-Familie und ist der erste Akademiker in der Familie. „Meine Eltern sind in Retz aufgewachsen, mein Vater war Polizist, meine Mutter hat im Büro gearbeitet. Sie sind dann, bevor mein Bruder und ich auf der Welt waren, nach Wien gezogen. Mitte der 1990er-Jahre waren dann die Quantenteleportation-Experimente groß in den Medien, das hab ich extrem spannend gefunden. Da hab ich schnell bemerkt, dass das etwas ist, wo ich mich hineintigern möchte.“