Michael Ludwig
APA/Hans Punz
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Politik

Klimafahrplan „kein Zielmärchenbuch“

Die rot-pinkfarbene Wiener Stadtregierung hat am Freitag ihren Klimafahrplan vorgestellt. Insgesamt sind elf Zielbereiche definiert. Man wolle jedenfalls „kein Zielmärchenbuch“ entwickeln, so Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ).

Die SPÖ-NEOS-Koalition, die nach der Wahl 2020 geschmiedet wurde, versprach eine große „Klimaschutzoffensive“. Die Stadtregierungsklausur stelle dabei den Startschuss dar, wie das Büro Bürgermeister Ludwig im Vorfeld ankündigte.

Auf der Basis der überarbeiteten „Smart City Rahmenstrategie“ wurde nun ein Klimafahrplan erstellt, den Ludwig und Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (NEOS) zu Mittag gemeinsam mit Klimastadtrat Jürgen Czernohorsky (SPÖ) und Ulrike Sima (SPÖ), Stadträtin für Innovation, Stadtplanung und Mobilität, vorstellten.

Klimafahrplan für Wien

Bis 2040 will Wien klimaneutral sein. Der Co2-Ausstoß soll durch eine Solarenergie-Offensive, durch ein Verbot von Diesel- und Bezinfahrzeugen aber auch durch eine massive Abfallvermeidung erreicht werden.

Alternative Energien, Abfallvermeidung, Mobilität

Vorgesehen ist, dass Wien bis 2040 klimaneutral wird. Alternative Energien, Abfallvermeidung und neue Mobilitätsformen stehen dabei im Fokus. Geplant ist etwa, dass ab diesem Zeitpunkt keine Fahrzeuge mit Benzin- oder Dieselmotoren mehr im Einsatz sind. Auch der Ausbau von Fernwärme und die Nutzung der Geothermie ist Teil des Plans.

Der Bau einer großen Wärmepumpe, die Energie für mehr als 100.000 Haushalte liefern soll, wird demnächst in der Kläranlage Simmering erfolgen. Weiters soll die Genehmigung von Solaranlagen für Private künftig unkomplizierter gestaltet werden bzw. zum Teil nicht mehr nötig sein. Insgesamt will Wien allein in den kommenden zwei Jahren 2,8 Mrd. Euro in klimaschutzwirksame Maßnahmen investieren, wobei hier auch der Ausbau des öffentlichen Verkehrs berücksichtigt ist.

„An den großen Schrauben drehen“

Man arbeite gut und eng zusammen, sagte Ludwig bei der Pressekonferenz. Man wolle mit dem neuen Klimafahrplan an den großen Schrauben drehen, aber man beginne nicht bei Null. Wien sei mittlerweile Vorbild für andere Städte weltweit. Etwa beim Bodenverbrauch sei Wien im internationalen Vergleich Musterstadt, nannte Ludwig ein Beispiel.

Man wolle mit dem neuen Klimafahrplan jedenfalls „kein Zielmärchenbuch“ entwickeln und auch keine apokalyptische Prognosen erstellen. Diese seien eher demotivierend für die Bevölkerung.

PK mit Czernohorsky, Wiederkehr, Ludwig und Sima
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Stadtrat Jürgen Czernohorsky (SPÖ), Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (NEOS), Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) stellten gemeinsam den Klimafahrplan vor

Insgesamt elf Zielbereiche

Der neue Fahrplan greift die Leitziele aus der „Smart City Strategie“ auf und gibt vor, welche Maßnahmen die Stadt ergreifen muss, um diese Ziele zu erreichen. Enthalten sind über 100 Maßnahmen, die laufend ergänzt und angepasst werden sollen – etwa das Feld Energie. Maßnahmen soll es in allen Bereichen geben, in der Bildung, Sozial- und Gesundheitspolitik genauso wie in der Stadtentwicklung und beim leistbaren Wohnen.

Ludwig zeigte sich optimistisch, die Herausforderungen stemmen zu können. Große Teile der Bevölkerung könnten ins Boot geholt werden, meinte er. Bei Fernwärme und Fernkälte seien die größten Investionen vorgesehen. So sollte Fernwärme bis 2040 60 Prozent des Wärmebedarfs abdecken.

Photovoltaik: Weniger Behördenwege

Investiert werde in Großwärmepumpen und Geothermie. Der Startschuss für Europas größter Wärmepumpe in Simmering komme demnächst. Der Ausbau für Fernkälte laufe auf Hochtouren. Das AKH soll nach der Klinik Floridsdorf an die Fernkälte angeschlossen werden. Auch die Installierung der Photovoltaikanlagen sei auf einem guten Weg, führte Ludwig weiter aus.

Man werde Privathaushalten ohne komplizierte Behördenwege ermöglichen, Kleinanlagen zu errichten. Viele davon – konkret Anlagen mit einer Engpassleistung bis maximal 15 Kilowatt ohne Stromspeicher (und ohne vertikale Montierung) – werden gar keine Genehmigung mehr brauchen, hieß es. Bei anderen soll das Verfahren schneller abgewickelt werden, wurde versprochen.

Recyclingquote von 100 Prozent

Bei den Gebäuden will man unter anderem im Neubaubereich ansetzen, wo die Stunde von Öl und Gas geschlagen hat. Erlaubt sind nur mehr die Versorgung mit erneuerbaren Energieträgern oder mit Fernwärme. Gasthermen sind ab 2040 generell nicht mehr vorgesehen.

Im Bereich Abfall sollen mehrere Maßnahmen dazu beitragen, diesen zu reduzieren. Die Recyclingquote wird sukzessive angehoben. Bis 2030 soll das EU-Ziel von 60 Prozent erreicht werden. 2050 soll sie sogar 100 Prozent betragen. Sprich: Alle nicht vermeidbare Abfälle werden verwertet.

Alternative Antriebe im städtischen Fuhrpark

Der Zugang zu Grünraum, die Errichtung von Waldflächen und die Bedeutung der Lebensmittelversorgung durch die Stadtlandwirtschaft wird ebenfalls hervorgehoben. Ludwig nannte den U-Bahn-Ausbau als weitere Klimamaßnahme. Es fließe dreimal so viel Geld in den öffentlichen Verkehr als in den Straßenbau.

Im Bereich Verkehr will man zumindest im städtischen Fuhrpark schon vor 2040 den Umstieg auf alternative Antriebe angehen. Prinzipiell betreffe das Ziel, aus den Verbrennervarianten auszusteigen auch Nutzfahrzeuge, betonte Umweltstadtrat Czernohorszky. Allerdings sei es möglich, dass es dabei zu Unschärfen komme, da CO2-freie Antriebe hier vielleicht noch nicht überall verfügbar seien.

Wenig Raum für Straßen

Der geplante umstrittene Straßenbau im Norden Wiens und der Lobautunnel wurden in der Präsentation nicht erwähnt, wie in der anschließenden Fragerunde mit Journalistinnen und Journalisten moniert wurde. An der Stadtstraße, so wurde dabei versichert, halte man fest. Kritik, dass etwa die geplante Stadtstraße in der Donaustadt die Klimaziele konterkarieren würde, wurde zurückgewiesen.

Denn diese sei etwa die Voraussetzung für den Bau von Stadtteilen, in denen es wenig Verkehr, viel Freiflächen, kurze Wege oder eine geringe Bodenversiegelung geben werde, wurde betont. Generell sind Straßen in der Strategie nur am Rande Thema. Die Umwandlung bestehende Strecken in Fußgängerzonen oder die Reduktion von Fahrspuren oder Verbindungen kommen zumindest darin nicht vor.

Klimaschutz müsse immer mit sozialer Gerechtigkeit verbunden werden, so Ludwig abschließend. Da habe man in Wien einen Heimvorteil, da etwa Energieversorger im Eigentum der Stadt seien. Österreichweit wie auch im internationalen Vergleich gehe Wien voran, zeigte sich Ludwig überzeugt.

Wiederkehr und Ludwig mit Masken
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Wiederkehr und Ludwig betonen bei der PK im Rahmen der Stadtregierungsklausur die gute Zusammenarbeit

Geplanter Beschluss am 23. Februar

Wiederkehr betonte, dass die hohen Ziele im Klimaschutz durch die konkreten Fahrpläne nun verbindlich seien: Man habe mit der „Smart City Rahmenstrategie“ und dem Klimafahrplan die Weichen für die Zukunft gestellt. Denn die Klimaerwärmung sei „die größte Herausforderung unserer Zeit“. Es gehe nicht um Einzelmaßnahmen vor einer Wahl, sondern um langfristige Strategien. Die Zusammenarbeit mit der SPÖ sei gut, betonte auch Wiederkehr.

Beschlossen werden sollen die Strategie sowie der Fahrplan im Gemeinderat am 23. Februar 2022. In den gesamten Prozess sind Fachleute, Forschung sowie die Zivilgesellschaft im Rahmen des Wiener Klimarats eingebunden. Dieses Gremium berät Politik und Verwaltung bei der Entwicklung klimapolitischer Vorhaben.

ÖVP: „Schritt in richtige Richtung“

Die Wiener ÖVP ortete einen „Schritt in die richtige Richtung“. „Jetzt müssen diesen Worten aber auch Taten folgen“, forderte Umweltsprecher Josef Mantl. Denn klar sei, dass Wien nach wie vor in vielen Punkten Schlusslicht im Bundesländervergleich sei. Wien hat laut Volkspartei noch immer den geringsten Anteil an erneuerbaren Energien, den geringsten Anteil an erneuerbarem Strom und die geringste Anzahl an Photovoltaik-Anlagen. Auch wurde davor gewarnt, dass immer mehr landwirtschaftlich genutzte Flächen verloren gehen.

Grüne: „Klima-Papiertiger “

„Die Rot-Pinke Stadtregierung hat wieder einmal einen Klima-Papiertiger produziert“, so die Parteivorsitzenden der Grünen Wien, Peter Kraus und Judith Pühringer in einer Aussendung. „Klimaziele festzuschreiben reicht aber schon lange nicht mehr. Seit mehr als einem Jahr lässt die Rot-Pinke Regierung konkrete Taten im Klimaschutz vermissen.“ Die internationalen Vorbilder seien heute schon andere Städte als Wien. Nicht nur Paris oder Barcelona, auch österreichische Städte zögen an Wien vorbei, die Grünen nennt Graz als Beispiel.

FPÖ: „In manchen Teilen unrealistisch“

Als „in manchen Teilen unrealistisch“ bezeichnen der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp sowie FPÖ-Umweltsprecher Udo Guggenbichler die präsentierten Klimaziele. „Wir werden der Wiener Stadtregierung hier ganz genau auf die Finger schauen, damit eine soziale Ausgewogenheit bei den Maßnahmen bestehen bleibt und nicht im Eiltempo über die Bevölkerung drübergefahren wird.“

GLOBAL 2000: „Große Chancen“

Die Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 sieht in den Eckpunkten „große Chancen", fordert aber eine rasche rechtliche Umsetzung und die Auflösung von Widersprüchen: „Damit der Klimafahrplan erfolgreich sein kann, braucht es eine rasche rechtliche Umsetzung des Öl- und Gasausstiegs in der Wärmeversorgung und den Ausbau alternativer Energie bei der Fernwärme.“ Geothermie, Wärmepumpen und Solarenergie seien klimafreundliche Alternativen, die es jetzt zu nützen gelte.

Die Gruppen rund um die Initiative „LobauBleibt“ zeigten sich „schwer enttäuscht“. Via Aussendung wurde kritisiert, dass die Stadt Eigenlob betreibe und gleichzeitig durch den Bau der „Stadtautobahn“ Klimazerstörung aktiv vorantreibe.