Demo
APA/Tobias Steinmaurer
APA/Tobias Steinmaurer
Chronik

Experte: Demos aktuell besonders wichtig

Für Debatten sorgen derzeit nicht nur die CoV-Maßnahmen, sondern auch auch die großen Demos dagegen – etwa in Wien. Gerade in der aktuellen Situation sei aber ein Raum für Proteste wichtig, sagt der Professor für Menschenrechte, Michael Lysander Fremuth.

„Gerade in einer Zeit, in der wir multiple und erhebliche Grundrechtsbeschränkungen erleben, ist es wichtig, dass wir den Menschen – auch wenn sie eine Minderheit sein mögen, die damit nicht konform gehen – einen Raum des Protests geben“, sagt Michael Lysander Fremuth, Professor für Grund- und Menschenrechte an der Universität Wien. Das sei für die politische Kultur, aber auch aus einer verfassungsrechtlichen Sicht von großer Bedeutung, so Fremuth im Interview mit Radio Wien.

Demonstrationen dürfen „Zumutung“ sein

Die Meinungs- und die Demonstrationsfreiheit seien zentrale Grundrechte in Demokratien, erklärt Fremuth weiter – und damit dürften sie auch eine „Zumutung“ sein: „Das kann bedeuten, dass ich an einem Samstag die Ringstraße in Wien nicht nutzen kann. Es kann bedeuten, dass ich nicht zu dem von mir gewünschten Zeitpunkt ein Geschäft betreten kann.“ Diese Ärgernisse müsse man in Kauf nehmen, weil die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit so bedeutsam seien, so der Wissenschaftler, der auch Direktor des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Grund- und Menschenrechte ist.

Allerdings dürften die Beeinträchtigungen auch nicht unverhältnismäßig sein. Wann die Zumutbarkeitsschwelle erreicht sei, sei eine Einzelfallentscheidung, erklärt Fremuth. In Wien trifft diese in der Regel die Landespolizeidirektion. Versammlungen müssen spätestens 48 Stunden vor Beginn angezeigt werden – und die Polizei hat dann die Möglichkeit, sie aus bestimmten Gründen zu untersagen. Davor müssen laut Fremuth jedoch mit den Organisatoren der Versammlung Alternativen diskutiert werden.

Verbote nur bei „erheblichen Beeinträchtigungen“

Verbieten kann die Polizei beispielsweise Versammlungen, die einen gesetzeswidrigen Zweck verfolgen, also etwa gegen das NS-Verbotsgesetz verstoßen. Ein weiterer Grund für eine Untersagung ist die Gefährdung der „öffentlichen Sicherheit“ oder des „öffentlichen Wohls“, wie es im Versammlungsgesetz heißt.

Michael Lysander Fremuth
M.L. Fremuth
Demonstrationen dürfen eine „Zumutung“ sein, sagt Menschenrechtsexperte Michael Lysander Fremuth

Dabei müsse es zu „erheblichen Beeinträchtigungen“ kommen, so Menschenrechtsexperte Fremuth gegenüber Radio Wien: „Wenn ich über längeren Zeitraum, sagen wir zwei, drei Tage, die Ringstraße blockiere, wäre das mit den Interessen der Straßenverkehrsteilnehmer unvereinbar.“ Auch wenn sich Versammlungen gezielt gegen Geschäfte richten würden, könne man diese untersagen – um das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit zu schützten. „Wenn aber nun jeweils samstags für einige Stunden Demonstrationen stattfinden und den Handel beeinträchtigen, halte ich das noch für zumutbar.“

Auch wenn das Woche für Woche der Fall ist: Die Demonstrationsfreiheit erschöpfe sich nicht zeitlich. Man könne von den Behörden allerdings erwarten, dass sie in Abstimmung mit den Organisatoren sicherstellen, dass nicht immer die gleichen Unternehmen betroffen sind, betont Fremuth – etwa durch Anpassungen bei der Demoroute.

„Ort ist auch wichtig für die Wirkmächtigkeit“

Einfach etwa auf die Donauinsel verlegen – wie einst von der FPÖ gefordert, noch vor der Pandemie – könne man Demos jedenfalls nicht. Zum Demonstrationsrecht gehöre es auch, über den Ort und die Zeit der Versammlung zu entscheiden. „Denn gerade der Ort, an dem eine Versammlung stattfindet, kann natürlich eine Symbolwirkung haben“, sagt Fremuth. „Der Ort ist auch wichtig für die Wirkmächtigkeit einer Versammlung.“ Es sei für die Behörden aber durchaus möglich, gemeinsam mit den Organisatoren Alternativen zu finden.

Die Demonstrationen in der Innenstadt sorgen immer wieder für Kritik – zuletzt etwa vom neuen Wiener ÖVP-Chef Karl Mahrer. Er forderte Polizei und Stadt auf, Demos verstärkt zu prüfen – mehr dazu in Impfgegner demonstrieren vor Hofburg.