Bleistiftzeichnung
Ouriel Morgensztern
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Kultur

Restituiertes Bild geht an Jüdisches Museum

Das Jüdische Museum Wien hat einen neuen Stammgast in Person eines „Vornehmen Herrn“: Die entsprechende Bleistiftzeichnung fand sich seit 1939 im Besitz der Albertina. Nach der Resitutierung schenkte die Erbin das Bild dem Jüdischen Museum.

Das Bild war 2013 zur Restitution empfohlen und 2020 schließlich der Erbin Adella Feuer übergeben worden. Diese wünschte sich den Verbleib des Werks in Wien und schenkte es dem Jüdischen Museum.

Weder Künstler noch Porträtierter bekannt

Weder Künstler noch Porträtierter der Grafik konnten bis dato sicher ermittelt werden. Aufgrund modischer Details wird eine Entstehungszeit in den frühen 1820ern vermutet. Spätere Notizen, die teils erst bei der Inventarisierung auf der Rückseite des Blattes durch Mitarbeiterinnen der Albertina hinzugefügt wurden, deuten es als Bildnis eines Wiener Bürgermeisters Leopold Rössler und vermuten die Autorschaft Ferdinand Georg Waldmüllers. Doch ist eine in dieser Funktion amtierende Person nicht bekannt.

ALBERTINA Generaldirektor Klaus Albrecht Schroeder und- die Direktorin des Jüdischen Museums Wien, Danielle Spera, mit der Schenkung
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Albertina-Chef Schröder und Spera vom Jüdisches Museum mit der Schenkung

Stilistisch gehört das Bleistiftbildnis in den Kreis des 1808 in Wien gegründeten Lukasbundes, ein Zusammenschluss von Kunststudierenden, die aus Enttäuschung dem akademischen Lehrbetrieb entsagten. Die Zeichnung stehe insbesondere der hochkultivierten Porträtkunst eines Julius Schnorr von Carolsfeld (1794–1872) nahe, einem der Wegbereiter der Wiener Romantik, heißt es in einer Aussendung.

Restitutionsfall Adella Feuer

Adella Feuer (Geborene Taubmann) wurde 1903 in Aachen geboren und heiratete 1927 Max Feuer in Wien. Die Ehe blieb kinderlos und wurde 1934 geschieden. Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich bereitete Adella Feuer, die als Jüdin durch nationalsozialistische Verfolgung gefährdet war, ihre Flucht vor und suchte bei der Zentralstelle für Denkmalschutz um Genehmigung für die Ausfuhr ihrer Kunstgegenstände an.

Die Ausfuhrgenehmigung für die Bleistiftzeichnung wurde jedoch nicht erteilt und daher entschied sie sich offenbar dazu, diese – belegt durch die von ihr unterzeichnete Quittung vom 15. März 1939 – an die Albertina zu verkaufen. Feuer flüchtete aus Wien, wurde aber in Italien verhaftet und 1944 nach Auschwitz deportiert. Sie überlebte und emigrierte 1947 in die USA, wo sie den Geburtsnamen ihrer Mutter annahm und sich fortan Ada Imberman nannte. Sie starb 1979 in Miami Beach, Florida.

"Bewusstsein für Dringlichkeit schärfen“

Im Zuge der proaktiven Provenienzforschung seitens der Kommission für Provenienzforschung konnte das einst von Adella Feuer verkaufte Blatt aufgefunden und dem Kunstrückgabebeirat zur Kenntnis gebracht werden. Dieser empfahl im März 2013 die Rückgabe der Zeichnung aus der Albertina. Die Israelitische Kultusgemeinde Wien (IKG) wurde beauftragt, die Erben und Erbinnen festzustellen. Die IKG konnte im Zuge der Recherchen den Neffen und die Nichte von Adella Feuer ausfindig machen.

Der Neffe verzichtete auf seinen Anteil und Nichte Sylvia Taubman wurde zur Alleinerbin. Ihr Wunsch war es, dass die Grafik in Wien verbleibt und dem Jüdischen Museum Wien als Schenkung übergeben wird. „Das Jüdische Museum Wien ist sehr dankbar für diese Schenkung. Mit der Bleistiftzeichnung können wir an Adella Feuer und die Familie Taubman erinnern, indem wir ihr Schicksal an unsere Besucher*innen vermitteln und das Bewusstsein für die Dringlichkeit von Restitutionen schärfen“, so Direktorin Danielle Spera in einer Aussendung am Freitag.

„Gerechtigkeit nie in Geld aufwiegen“

Seit dem Erlass des Kunstrückgabegesetzes im Dezember 1998 habe der Kunstrückgabebeirat in 46 Fällen Rückgabebeschlüsse zu fast 4.000 Objekten aus der Albertina gefasst, heißt es in einem Statement von Albertina-Generaldirektor Klaus Albrecht Schröder. „Werke, die unrechtmäßig in unsere Sammlung gelangt sind, sollen und wollen wir nicht besitzen. Manchmal betrifft dies Werke im Wert von vielen Millionen Euro, manchmal von geringfügigem, aber hohem symbolischen oder persönlichem Wert.“ Gerechtigkeit sollte aber nie in Geld aufgewogen werden, so der Albertina-Chef.