Illustration zum Thema "Alkohol am Steuer
APA/Hans Klaus Techt
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Gesundheit

In der Pandemie greifen mehr zur Flasche

Die Pandemie wirkt sich auch auf den Alkoholkonsum aus: Der Wiener Suchtkoordinator Ewald Lochner rechnet damit, dass es heuer zehn bis 15 Prozent mehr Behandlungen von Alkoholkranken geben wird. Schuld sind meist psychische Probleme, verursacht durch die Pandemie.

Generell ist der Alkoholkonsum in Österreich eher hoch, das zeigen Vergleichsdaten der OECD. Laut diesen liegt Österreich beim Alkoholkonsum über dem Schnitt der OECD-Länder. Im ersten Jahr der Pandemie sei der Alkoholkonsum noch zurückgegangen, so Martin Busch, Abteilungsleiter des Kompetenzzentrums Sucht. Der Konsum sank 2020 um drei bis sechs Prozent, das lasse sich aus Verkaufszahlen schließen. Zugleich verlagerte er sich in den privaten Bereich.

Frauen trinken jetzt mehr

Beim Großteil der Bevölkerung habe sich nicht viel getan, bei jenen Menschen, die aber schon vor der Pandemie problematisch viel Alkohol getrunken oder dazu tendiert hatten, sei die Situation anders. Vor allem bei jenen, die bereits in diversen Problemlagen waren, „hat die Krise natürlich zu einer Verschlechterung geführt, weil es einfach eine massive psychosoziale Belastung darstellt und sich das natürlich dann auch in gewissen Gruppen in einem erhöhten Alkoholkonsum manifestiert“, resümiert Busch.

Ähnlich sieht das Lochner. Die psychische Gesundheit der Wienerinnen und Wiener habe sich mit zunehmender Dauer der Coronavirus-Krise stark verschlechtert, das zeige eine Studie aus dem Vorjahr, die die Stadt in Auftrag geben hatte. Dabei wurde auch der Alkoholkonsum abgefragt. Frauen fühlen sich etwa besonders stark psychisch belastet. Sie greifen laut Lochner seit der Pandemie eher zum Alkohol, das sei davor anders gewesen.

Aber auch unter 35-Jährige fühlen sich stärker belastet, außerdem würden sozioökonomische Faktoren wie das Einkommen eine Rolle spielen. Lochner rechnet damit, dass es mehr Nachfrage nach Behandlungen geben werde: „Wir rechnen jetzt mit 2022 mit einem Anstieg der Inanspruchnahme unserer Angebote um zehn bis 15 Prozent.“

Musalek: Dauerbelastungen schwer auszuhalten

Der Psychiater und langjährige ärztliche Leiter des Anton-Proksch-Instituts, Michael Musalek, unterstreicht das im Interview im Ö1-Morgenjournal. „Je länger eine solche Pandemie andauert, desto größer sind auch die Belastungen. Und das Mittel gegen Spannungszustände schlechthin, das für jedermann sehr leicht verfügbar ist, ist Alkohol.“ Dass im ersten Jahr der Pandemie der Konsum noch leicht gesunken sei, hänge damit zusammen, dass man akute Belastungen gut aushalte, Dauerbelastungen aber nicht.

Alkohol führe in einer höheren Dosis aber zu depressiven Zuständen, damit über kurz oder lang zu weiteren Überlastungen im Alltag – „ein Teufelskreis“, so Musalek. Es sei wichtig, auf Entspannung ohne Alkohol zu setzen und sich nicht sozial zu isolieren.

Kann ich einen alkoholfreien Tag einlegen?

Um seinen eigenen Alkoholkonsum einschätzen zu können, ist es laut Musalek wichtig, sich zu fragen: „Kann ich noch aufhören? Kann ich weniger trinken oder kann ich auch einen alkoholfreien Tag einlegen? Und wenn ich daran scheitere, sollte ich Hilfe in Anspruch nehmen.“