„Die Story ist wirklich gut“, meinte Belvedere-Generaldirektorin Stella Rollig am Donnerstag in einer Pressekonferenz: „Dali ist ein Künstler, den die ganze Welt zu kennen meint. Wir nehmen mit dieser Ausstellung seine frühen Jahre unter die Lupe und zeigen, wie er zu diesem Künstler wurde.“
In fünf chronologisch geordneten Kapiteln mit insgesamt knapp 100 Exponaten spannt die in der Orangerie im Unteren Belvedere angesiedelte Schau, die nach einem Soft-Opening am Freitag dann am kommenden Montagabend noch offiziell vom spanischen Königspaar Felipe VI. und Letizia in Begleitung von Bundespräsident Alexander Van der Bellen eröffnet wird, einen zeitlichen Bogen von Dalis Kindheit bis zur Begegnung mit Freud 1938, ein Jahr vor dessen Tod, in London.
„Traumdeutung öffnete Pforte“
Es sei belegt, dass Dali sich spätestens ab 1926 mit Freuds drei Jahre zuvor ins Spanische übersetzten Schriften und insbesondere der „Traumdeutung“ beschäftigt habe, sagte Kurator Jaime Brihuega: „Diese Lektüre war so bedeutend, weil sie eine Pforte geöffnet hat. Er war erleichtert, dass er mit seinen Neurosen nicht alleine war und fand nun eine Legitimation, sich zu seinem Bilderkosmos im Kopf auch zu bekennen.“
Das Gemälde „Das düstere Spiel“ (1929) – laut Brihuega eines der Highlights der Ausstellung – sei ein Beispiel jener frühen Arbeiten, in denen Anspielungen auf unterdrückte Begierden, sexuelle Frustrationen oder die Angst vor der Überschreitung von Tabus ihren Niederschlag finden.
Unter dem Einfluss von Freuds Theorien und den Begegnungen mit den Surrealisten und zuvor mit Strömungen wie dem Kubismus, dem Futurismus und der Neuen Sachlichkeit legte Dali die Grundbegriffe seiner typischen Bildsprache. „Schlafende Frau in der Landschaft“, „Die Einsamkeit“ oder „Reue. Sphinx im Sand begraben“, alle aus 1931, zeugen von einer Stimmung von Verlassenheit und damit von einer psychisch labilen Lage des Künstlers, der in „komplexe Familienverhältnisse“ hineingeboren worden sei, wie der Kurator erklärte, und von seinem Vater verstoßen wurde.
„Paranoisch-kritische Methode“
Mitte der 1930er Jahre entwickelte Dali schließlich seine – in der Ausstellung ebenfalls genau beleuchtete – „paranoisch-kritische Methode“. Sie geht davon aus, dass der jeweilige Bildeindruck, den der Betrachter hat, durch den Einfluss eines irrationalen Moments geprägt wird und er so gewissermaßen nur das sieht, was er sehen will. In der Praxis setzt Dali dafür Kippbilder ein: Je nachdem, welches Bildmotiv fokussiert wird, stellen sie Verschiedenes dar – etwa in „Schwäne spiegeln Elefanten wider“ (1937).
„Dali – Freud. Eine Obsession“ im Unteren Belvedere, Orangerie, ab Freitag und bis 29. Mai, offizielle Eröffnung durch das spanische Königspaar am 31. Jänner.
Dali wollte Freud seine Theorie unbedingt vorstellen und reiste 1937 in der Hoffnung auf ein Treffen nach Wien. Vergeblich. Doch Brihuega hat die – wie er selbst sagt – unbelegte Vermutung, dass der Maler zumindest die Antiquitätensammlung in der Wohnung seines Mentors besichtigt haben könnte. Als Indiz zeigt das Belvedere eine antike Bronzefigur – eine Leihgabe des Freud Museums in London – einer Hand, die ein Ei hält. Daneben ist Dalis aus 1937 stammende Vorstudie zu seinem Gemälde „Metamorphose des Narziss“ ausgestellt, die tatsächlich frappante Ähnlichkeit mit dem römischen Original aufweist.
Ausstellung: Als Dali Freud traf
Salvador Dalí und Sigmund Freud scheinen auf den ersten Blick völlig unterschiedlichen Welten zu entstammen. Tatsächlich wurde der spanische Surrealist vom Vater der Psychoanalyse wesentlich beeinflusst. Eine Ausstellung im Belvedere beleuchtet diese „Obsession“.
Spätes Treffen in London
Zum tatsächlichen einzigen Aufeinandertreffen der beiden kam es schließlich auf Vermittlung von Stefan Zweig und des Mäzens Edward James am 19. Juli 1938, als Freud bereits ins Londoner Exil geflohen war. „Dali wollte unbedingt Anerkennung für seine ‚paranoisch-kritische Methode‘, aber die hat Freud wenig interessiert“, berichtete der Kurator.
Schon eher spannend habe er die „Metamorphose“-Skizze gefunden, die der Künstler ebenfalls dabei hatte. Und Dali konnte Freud, der das „fanatische Temperament“ seines Besuchers faszinierend fand, immerhin vom Surrealismus überzeugt. Diesem sei der Vater der Psychoanalyse immer skeptisch gegenübergestanden, Dali habe ihn eines Besseren belehrt, teilte Freud Zweig im Anschluss in einem Brief mit. Sein langjähriger Fan wird sich wohl sehr darüber gefreut haben, sollte er je davon erfahren haben.