Kultur

Anonymer Sex: „COMA“ am Schauspielhaus

Aquarien und schwarze Plastikplanen – das ist das Ambiente, in dem über den Trip eines jungen Mannes nach Mexico City erzählt wird, bei dem Sex in Parks und Darkrooms eine wesentliche Rolle spielt. Am Donnerstag wurde „COMA“ von Mazlum Nergiz am Schauspielhaus Wien uraufgeführt.

Bis März ist das Schauspielhaus ja eigentlich noch ein Hotel, doch anstatt die verwinkelten Gänge und Zimmer für das rund 80-minütige Geschehen zu benutzen, gab Regisseur Marcel Schwald den beiden Schauspielern Jesse Inman und Til Schindler lieber auf der normalen Bühne Freiräume, den vorwiegend erzählerischen Text in Bilder und Vorgänge umzusetzen.

Text ohne Tabus

Der in Amsterdam lebende Dramaturg, Autor und Hörspielmacher Mazlum Nergiz, 1991 in Diyarbakir/Türkei geboren, konnte für den Entwurf zu „COMA“ den Hans-Gratzer-Preis 2021 gewinnen. Er schreibe „offen und unprätentiös und entwaffnend direkt über Sexualität und Gewalt. Die sprachliche Dichte und Melodik erzeugen einen Lese- beziehungsweise Sprechflow, der einen großen Sog entwickelt“, hieß es in der Jurybegründung.

In der Umsetzung auf der Bühne stellte sich dieser Flow nicht ein. Schwald deutet einerseits die Reise des Erzählers zu einem Literatursymposium, bei dem er über „autobiografische Täuschungen“ sprechen soll, realistisch an, versucht aber auf der anderen Seite die „explizite Beschreibungen sexualisierter Gewalt“, zu denen das Schauspielhaus eine eigene Triggerwarnung herausgegeben hat, zu abstrahieren. Das ist mitunter – etwa bei den Spielchen menschlicher Wasserspeier – pointiert und gelungen, fällt insgesamt aber hinter die durchaus vorhandene poetische Qualität des Textes zurück.

Aseptische Kunstanstrengung

So ist die Aufführung kein durch „die Praxis des Cruisings“ geprägter Ausflug auf die gefährliche Nachtseite von Lust und Begehren, sondern eine eher aseptische Kunstanstrengung, in dem reines Wasser für alle möglichen Körpersäfte stehen muss und die Fantasie Leichen junger Männer in die Bäume hängt und sie als Motten wiedergeboren werden lässt. Und so bleiben am Ende mindestens zwei Fragen offen: Was wäre der geeignete Resonanzraum dieses Textes – und wo hat das Schauspielhaus Hotel seinen Darkroom? Um das zu beantworten, müssen wir wohl weitercruisen.