Wartende auf Sesseln im Impfzentrum im Austria Center
APA/Robert Jäger
APA/Robert Jäger
Chronik

Impfbetrug im ACV: Verdächtiger in Haft

Die mutmaßlichen Impfpassbetrügereien im Austria Center Vienna (ACV) ziehen immer weitere Kreise. Ein 21-Jähriger wurde fest- und in der Vorwoche in U-Haft genommen. Sein Verteidiger bestätigte einen „Heute“-Bericht. Er soll mindestens 15 gefälschte Impfzertifikate verkauft haben.

Der Verdächtige war als Mitarbeiter in der Impfstraße im ACV beschäftigt – dabei war er erst im Juni 2021 als Betrüger zu 27 Monaten Haft verurteilt worden, hatte aber einen Strafaufschub gewährt bekommen.

Den dürfte er dazu genutzt haben, um eine aus mehreren Personen zusammengesetzte Gruppe zu bilden und – wie dem U-Haft-Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen zu entnehmen ist, der der APA vorliegt – „unzählige falsche Covid-19-Impfnachweise durch Einkleben von Badges in leere Impfpassrohlinge, versehen mit zwei Stempeln (Stempel der Stadt Wien sowie ACV) und Unterschrift samt folgender Veranlassung der Eintragung im elektronischen Impfpassregister (Grüner Pass)“ herzustellen.

Zumindest eine Mittäterin

Die gefälschten Impfpässe wurden den Ermittlungen zufolge um 550 bis 650 Euro verkauft, wobei eine der ersten Abnehmerinnen eine mitverdächtigte Frau war, die ihm weitere Kunden vermittelt haben soll, nachdem er ihr Ende Dezember eine gefälschte Eintragung über eine Boosterimpfung besorgt hatte. Sämtliche drei vorgeblichen Stiche, die im Impfpass der Frau aufschienen, sollen in Wahrheit nie gesetzt worden sein. Die Frau befindet sich auf freiem Fuß.

Gegen den Mann wird wegen Urkundenfälschung und vorsätzlicher Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten ermittelt. Im Zuge der Ermittlungen wurden bei ihm 230 Covid-19-Impfaufkleber, Blankoimpfpässe, handschriftliche Vermerke zu Chargennummern und Stempel des Gesundheitsdiensts der Stadt Wien bzw. des ACV sichergestellt.

Nach Medienberichten Kommunikationsweg geändert

Im U-Haft-Beschluss ist von „strukturiertem, systematischem Vorgehen“ die Rede – nach ersten Medienberichten über Impfschwindeleien im Austria Center Vienna soll der Verdächtige seine mutmaßlich betrügerischen Absprachen „auf neue Kommunikationswege verlagert“ haben.

Diesbezüglich dürfte von der Auswertung eines beschlagnahmten Handys einiges an weiterem Beweismaterial zu erwarten sein. Dass er weit mehr als die bisher bekannten Interessenten bzw. Käufer von gefakten Impfnachweisen gefunden haben könnte, legen von ihm selbst getätigte, dank einer Telefonüberwachung festgehaltene Aussagen nahe.

Vorstrafe als Rätsel

Beim Arbeiter Samariter Bund Österreich (ASBÖ) zeigte man sich über die Inhaftierung des ehemaligen Mitarbeiters konsterniert. „Wir unterstützen die Ermittlungen tatkräftig“, meinte ASBÖ-Sprecherin Stefanie Kurzweil Mittwochmittag gegenüber der APA. Man habe von dem jüngsten Fall aus der Zeitung erfahren und bis dahin keine Kenntnis von den Vorwürfen gehabt. Insofern konnte Kurzweil Fragen zu möglichen weiteren Komplizen des Mannes oder gar einem betrügerischen Netzwerk nicht beantworten: „Das wird jetzt intern genauestens aufgearbeitet.“

Ein Rätsel war vorerst, wie der junge Mann bei seiner Vorstrafe und einer offenen mehrjährigen Haft an einen Job in der Impfstraße kommen konnte. Selbstverständlich müssten zukünftige Mitarbeiter einen Strafregisterauszug beibringen, betonte Kurzweil: „Es gibt keinen Mitarbeiter außerhalb des Probemonats, von dem wir kein Leumundszeugnis haben.“

Impfpflicht führte zu Haftgrund

Das Wiener Landesgericht nahm als Haftgrund Tatbegehungsgefahr an. „Es ist davon auszugehen, dass die Nachfrage an falschen Impfnachweisen in Anbetracht der voraussichtlich verabschiedeten Impfpflicht ungebrochen, wenn nicht gar steigend ist“, heißt es im U-Haft-Beschluss. Weiters wird auf „noch unbekannte Mittäter“ bzw. „Verbindungsleute zur Impfstraße im Austria Center“ verwiesen.

Diese allenfalls auszuforschen und aus dem Verkehr zu ziehen, ist Aufgabe des mit den Ermittlungen betrauten Landeskriminalamts Niederösterreich. Der Verdächtige machte bisher von seinem Schweigerecht Gebrauch und äußerte sich zu den Vorwürfen nicht.

Drei Verfahren wegen Impfbetrugs

Es ist nicht das erste Mal, dass die Impfstraße im Austria Center im Zusammenhang mit strafrechtlich schwer bedenklichem Impfschwindel in Verruf gerät. Die Staatsanwaltschaft Wien führt gegen ehemalige Mitarbeiter des ASBÖ bereits drei separate Ermittlungsverfahren.

Zum einen stehen schon seit vergangenem Frühjahr vier Personen wegen Betrugs und Urkundenfälschung im Fokus, die Blankoimpfpässe entwendet, ausgefüllt und die vermeintlichen Impfungen ins System eingetragen haben sollen. Ein weiteres Verfahren betrifft eine Ex-Mitarbeiterin, die einen Kollegen aufgefordert haben soll, in ihrem Impfpass eine Immunisierung einzutragen, ohne dass eine Impfung erfolgt war.

Das dritte Verfahren läuft erst seit Dezember. Als Beschuldigte geführt wird dabei eine Mitarbeiterin im Austria Center Vienna, die mehrere Namen im Gesundheitssystem eingetragen haben soll. Gegen diese Verdächtige wird wegen Vorbereitung der Fälschung öffentlicher Urkunden oder Beglaubigungszeichen (Paragraf 227 StGB) ermittelt.