The Scream (After Munch), 1984
he Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc. / Licensed by Bildrecht, Wien 2022
he Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc. / Licensed by Bildrecht, Wien 2022
Kultur

Albertina 2022: Keine Reserven, viele Pläne

Der Albertina ist es schon besser gegangen: 370.000 Besuche zählte die Albertina im Haupthaus, nur rund 10.000 mehr als im ersten Pandemiejahr. Für heuer hat man trotzdem viel vor – die Ausstellungen reichen von Edvard Munch zu Ai Weiwei.

Unter den gegebenen Umständen des weitgehend ausbleibenden Tourismus und des ständigen Auf und Ab der Bedingungen ist das Ergebnis für Albertina-Chef Albrecht Schröder „zufriedenstellend“ – und dennoch um 700.000 weniger als in der Zeit vor der Pandemie.

2020 wie 2021 habe der Albertina Mindereinnahmen von je 13 Millionen Euro gebracht, rechnet Schröder vor. So habe etwa die Modigliani-Ausstellung mit 200.000 Besuchern (anstelle der für normale Zeiten kalkulierten 400.000) gerade eben ihre Kosten decken, aber nicht – wie vorgesehen – Reserven erwirtschaften können.

Straße in Aggsgardstrand, 1901
Kunstmuseum Basel, Martin P.Bühler
Den Auftakt im Haupthaus macht eine Munch-Ausstellung

Schröder sieht Unterdotierung

Zwar hat die Albertina in den beiden Jahren insgesamt 9,8 Mio. Euro an Covid-Mitteln des Bundes erhalten, doch die lange aufgebauten Reserven sind rapide geschmolzen und bereits nahezu aufgebraucht. „Es wird sehr viel davon abhängen, wie sich die nächsten Wochen und Monate entwickeln werden“, und zwar nicht nur besucherseitig, sondern auch, was die Überlegungen des Eigentümers, der Republik Österreich, anginge.

Denn das wahre Problem sei „die strukturelle Unterdotierung der Albertina“, die durch den früheren hohen Eigendeckungsgrad von über 70 Prozent bisher kompensiert werden konnte. „Eines Tages“ müsse dieses Problem dauerhaft gelöst werden. Und Schröder lässt trotz seines Vertrauens in den Eigentümer keinen Zweifel daran, dass dieser Tag in sehr naher Zukunft liegen muss, auch wenn er nicht glaubt, „dass wir einen weiteren Lockdown vor uns haben“.

„Kein Sparprogramm“ mit Munch

Das Ausstellungsprogramm für 2022 sei „kein Sparprogramm“, beteuert Schröder, das sei man schließlich der Bevölkerung schuldig. Im Frühling locken vor allem Edvard Munch und Ai Weiwei, dem US-Expressionismus und Michel Basquiat gelten die Highlights des Herbstes.

Mit „Edvard Munch. Im Dialog“ (ab 18. Februar) schließt man an die zwei bisherigen großen Munch-Ausstellungen unter seiner Direktion an und zeigt den Norweger als „Bahnbrecher für ein zweites und drittes Leben der Malerei“. Über 60 Werke Munchs werden im Dialog mit sieben Malern und Malerinnen unserer Zeit gezeigt, denen er zum Leitstern wurde: Georg Baselitz, Miriam Cahn, Peter Doig, Marlene Dumas, Tracey Emin, Jasper Johns und Andy Warhol.

Map of China, 2004
2022 Ai Weiwei
Das Schaffen von Ai Weiwei wird ausführlich in der Albertina modern abgebildet

Ai Weiwei in der Albertina modern

Ab 16. März ist in der Albertina modern unter dem Titel „In Search of Humanity“ dem chinesischen Künstler Ai Weiwei die laut Museum „umfangreichste je gezeigte Retrospektive“ mit Schlüsselwerken aus allen Schaffensphasen gewidmet. „Der politische Aktivist und der Künstler sind dabei nicht zu trennen“, betont Schröder die Verbindung von Politik und Ästhetik. „In jedes seiner Werke ist der Aufschrei, der Protest, die Anklage eingeschrieben.“

Die Kuratoren Dieter Buchhart und Elsy Lahner zeigen in acht Kapiteln Wandarbeiten, Skulpturen, Installationen, Fotografien und zahlreiche Filme, im großen Saal ist jene Gefängniszelle aufgebaut, in der er selbst inhaftiert war. Und niemand werde sich gut fühlen können, weil der Finger dabei bloß auf China zeige, ist der Museumschef überzeugt. „Seine Themen weisen weit über Landesgrenzen hinaus.“ Parallel dazu zeigt man in einer eigenen Ausstellung an die 120 Klimt-Zeichnungen aus eigenen Beständen.

Symbole aus New York

In „Basquiat. Of Symbols and Signs“ widmet man sich ab 9. September mit über 80 Hauptwerken dem Alphabet aus Zeichen und Symbolen, das Jean-Michel Basquiat (1960-1988) zu einer eigenen Bildsprache zusammengesetzt hat, inspiriert von Werbung, Comics, Street-Art und Kinderzeichnungen. In „Ways of Freedom. Pollock. Rothko. Mitchell.“ (ab 16. Oktober in der Albertina modern) zeigt man abstrakten Expressionismus der New York School in Relation zu der österreichischen Abstraktion von 1945 bis 1960.

Kleinere Schauen

Zahlreiche weitere, kleinere Ausstellungen gelten u.a. der bereits 2019 erhaltenen Schenkung der Sammlung Chobot, dem fotografischen Werk von VALIE EXPORT oder den beiden heimischen Künstlerkollektiven Hauenschild Ritter und Muntean/Rosenblum. Eine Schenkung zweier monumentaler Gemälde des langjährigen Rektors der Akademie in München, Ben Willikens, lässt das kalte Grauen in die Albertina einziehen.

Die großformatigen Bilder zeigen den Ausblick von Hitlers Hof am Obersalzberg und Mengeles tödliches Labor in Auschwitz. Die rund um diese Gemälde konzipierte Ausstellung konzentriert sich insbesondere auf das Frühwerk und das späte Schaffen des 1939 in Leipzig geborenen Künstlers, dessen eisige Bildsprache von einem langen Aufenthalt in einer geschlossenen Anstalt geprägt wurde.

Hoffen auf endemische Phase

Große Schenkungen von Georg Baselitz, der der Albertina 50 Zeichnungen und Aquarelle überließ („Wir könnten das niemals kaufen.“) und Alex Katz, dessen neun Meter großes Gemälde zunächst als Leihgabe in einer großen Geburtstagsschau zu seinem 95er im Guggenheim Museum ausgestellt wird, werden erst 2023 in Ausstellungen münden.

Wird es dann wohl schon „Normalbetrieb“ geben können? „Ich hoffe, dass wir bald in die endemische Phase übergehen“, sagt Klaus Albrecht Schröder, der selbst gerade infiziert ist und sich sicher ist, dass er sich den Virus bei einem beruflichen Auslandstermin eingefangen hat, in dessen Folge nahezu alle Teilnehmer erkrankten. Für das heurige Jahr könnten sich 500.000 bis 600.000 Besucher ausgehen. „Noch nicht das, was wir brauchen“, meint der Generaldirektor. „Damit wäre uns aber schon geholfen.“