Protestcamp hinter Blumengärten Hirschstetten
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Umwelt

Stadtstraße: Zwei Protestcamps noch aktiv

Nach der Räumung des Protestcamps gegen die Stadtstraße bei der Baustelle Hausfeldstraße in Wien-Donaustadt geht der Protest an zwei anderen Standorten weiter. Die Wiener Grünen schalteten in dem Konflikt unterdessen auch die EU-Kommission ein.

Auf der geräumten Baustelle fanden am Donnerstag Erdhubarbeiten statt, auch eine Baustraße in der Hausfeldstraße wurde bereits errichtet. „Durch die Besetzung in der Hausfeldstraße haben wir fünf Monate verloren, die wir nun versuchen, aufzuholen“, sagt dazu Thomas Keller, Leiter der zuständigen Straßenbauabteilung MA 28 gegenüber der APA.

Bauarbeiten am 3. Februar bei der Hausfeldstraße
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Die Stadt will die Verzögerung von fünf Monaten aufholen

Weiterhin in Betrieb ist ein Protestcamp in einem Park hinter den Blumengärten Hirschstetten. Es ist als politische Veranstaltung polizeilich bis April genehmigt. Der Grund gehört zur MA 42 (Stadtgärten). Zwischen 15 und 100 Menschen kommen täglich in das Camp. Bautätigkeit ist hier keine geplant, die Trasse der Stadtstraße verläuft etwas weiter weg. Von Seiten der MA 42 heißt es gegenüber „Wien heute“, man beobachte die Situation weiter – von Räumung will hier niemand sprechen.

ASFINAG-Baustelle besetzt

Ein weiteres Protestcamp befindet sich bei der Hirschstettner Straße. Hier wird eine Baustelle der ASFINAG besetzt, dabei sollen die Auf- und Abfahrten zur A23 entwirrt werden. Die ASFINAG betont, dass diese Arbeiten mit der Stadtstraße nichts zu tun hätten. Die Aktivistinnen und Aktivisten glauben das jedoch nicht. Die bestehende Baustelle bei der Anschlussstelle Hirschstettner Straße befindet sich laut ASFINAG bis Mitte Ende März in Winterpause, man wolle weiterhin auf Dialog setzen.

Weitere Protest nach Camp-Räumung

Nach der Räumung des Protestcamps gegen die Stadtstraße bei der Baustelle Hausfeldstraße in der Donaustadt geht der Protest an zwei anderen Standorten weiter: auf einem Feld bei der Hirschstettnerstraße und einer weiteren Fläche im 22. Bezirk.

Anfrage an EU-Kommission zu Anwaltsbriefen

Vor der polizeilichen Räumung des Protestcamps bei der Hausfeldstraße am Dienstag ging die Stadt Wien mit umstrittenen Anwaltsbriefen gegen die Proteste vor. Von Kritikerinnen und Kritikern werden diese als klassische Einschüchterungsklage („SLAPP“) angesehen. Weil die EU-Kommission derzeit eine Richtlinie gegen missbräuchliche Verwendung von Klagen plant, hat die Europaabgeordnete Monika Vana der Brüsseler Behörde eine schriftliche Anfrage geschickt.

Die frühere nicht-amtsführende grüne Wiener Stadträtin will konkret wissen, „ob es sich bei dem Anwaltsschreiben der Stadt Wien um die Androhung einer SLAPP-Klage, im Sinne einer Resolution des Europäischen Parlaments vom 11. November 2021, handelt und welche Maßnahmen die Kommission plant, um Klima-Aktivist*innen in Zukunft vor solchen zu schützen“.

Politikberater: „Abwägung“ in Wiener SPÖ

Politikberater Thomas Hofer ortet bei der Räumung des Protestcamps eine „Abwägung“ in der Wiener SPÖ. „Einerseits wollte man natürlich jenen wohl größeren Wählerpool sichern, der auch tatsächlich von der ÖVP und vor allem der FPÖ immer wieder versucht wird anzuknabbern“, so Hofer. Dabei handelt es sich laut dem Experten vor allem um traditionelle und ältere Wählerinnen und Wähler, die sich erwarten, dass vor Jahren beschlossene Dinge auch umgesetzt werden.

Politische Folgen der Camp-Räumung

Bilder, die noch länger nachhallen, sind die von der Räumung des Camps bei der Baustelle Hausfeldstraße in der Donaustadt, mit Festnahmen und Pfeffersprayeinsatz der Polizei. Was bedeutet das politisch für die SPÖ?

Andererseits müsse man nun bei den jüngeren Wählerinnen und Wählern einen Rückschlag hinnehmen. Auch innerhalb der eigenen Partei gibt es hier Kritik: An den Protesten nach der Räumung des Camps nahm auch die junge SPÖ teil.

TU-Verkehrsplaner für Neuevaluierung der Stadtstraße

Die Räumung des Protestcamps entfachte auch die Debatte um die Notwendigkeit der Stadtstraße erneut. Verkehrsplaner Günter Emberger von der TU Wien betont: Die Stadtstraße müsse nach der Absage des Lobautunnels neu evaluiert und es müsse nach Alternativen gesucht werden, so der Forscher in einer Aussendung des Wissenschaftsnetzwerkes Diskurs.

Im Zuge dessen erinnerte Emberger auch daran, dass die Stadt Wien sich in ihrer Smart-City-Strategie selbst das Ziel auferlegt habe, bis 2030 den Anteil des motorisierten Individualverkehrs auf 15 Prozent zu senken. Dazu müsse die Stadt den Straßenverkehr in Wien um fast 40 Prozent reduzieren – und das innerhalb von neun Jahren, rechnete Emberger vor.

Planungsdirektor verteidigt Stadtstraße

Der Verkehrsplaner plädiert in der Donaustadt unter anderem für den Ausbau der Schnellbahnlinie 45, die Reaktivierung der Laaer Ostbahn zwischen Erzherzog-Karl-Straße und Süßenbrunn für Personennahverkehr samt neuer Station Rautenweg und eine Taktverdichtung der S80 samt Reaktivierung der Station Hausfeldstraße.

Der Wiener Planungsdirektor Thomas Madreiter betonte, in der östlichen Donaustadt sei mit der Verlängerung der U2 und dem Ausbau des Marchegger Astes der Bahn „bereits massiv in den öffentlichen Verkehr investiert“ worden. Zudem sei etwa eine neue Straßenbahnlinie 27 in konkreter Detailplanung, es komme mit 1. März die praktisch flächendeckende Parkraumbewirtschaftung und ein großes Radwegpaket für die Donaustadt sei in Vorbereitung, so Madreiter. Aber auch die Stadtstraße sei eine der „Maßnahmen zur Optimierung der Mobilitätssituation einer rasch wachsenden Stadt“, erläuterte der Planungsdirektor.