Das Plakat zur Ausstellung „Gegen den Strich“ zeigt das Karl-Lueger-Denkmal, auf das in roter Schrift „Schande“ gesprüht wurde
Wien Museum/Johann Schoiswohl
Wien Museum/Johann Schoiswohl
Kultur

Kunst kontextualisiert das Stadtbild

Im Wien Museum läuft die Ausstellung „Gegen den Strich“, die zeitgenössische künstlerische Zugänge zum Erinnern im öffentlichen Raum zeigt. Die Ausstellenden präsentieren Entwürfe der Intervention, etwa an Skulpturen bekennender Nazis.

Die Stadt ist geprägt von ihrer Vergangenheit. „Manchmal scheint es, als sei die Stadt eine einzige Spur der dunkelsten Kapitel des 20. Jahrhundert“, heißt es in der Aussendung des Wien Museums. Bespiele dafür seien Denkmäler, die an „die Heldentaten antisemitischer Bürgermeister“ erinnern oder die sechs von Nazis errichteten Flaktürme, die in Wien verteilt sind.

Alternativer Zugang zu Geschichte und Erinnerung

Die Ausstellung „Gegen den Strich. Intervention im öffentlichen Raum“ soll Entwürfe junger Künstlerinnen und Künstler für eben diese Orte zeigen. Dabei soll Geschichte nicht als etwas Vergangenes verstanden werden, sondern als Grundlage zeitgenössischer Intervention an diesen „historischen Narben im Stadtgewebe“.

Beschmiertes Karl-Lueger-Denkmal
wien.ORF.at
Wegen seiner antisemitischen Politik zählt das Denkmal von Karl Lueger zu einem der umstrittensten der Stadt

Die Entwürfe sollen eine „kritische Ästhetik“ für diese Orte der Stadt vorschlagen und die Möglichkeit ihrer Umsetzung prüfen. Ziel soll eine „geschärfte Wahrnehmung“ für die Vergangenheit Wien und des dadurch geprägten Stadtbilds sein. Im Vordergrund stehen die Interventionen.

Vincent Elias Weils kuratiert „Gegen den Strich“. Es ist die erste Ausstellung, die in der Startgalerie NEU stattfindet. Sie bezieht sich direkt auf eine weite laufende Wien Museum Austellung im Standort MUSA, nämlich „Auf Linie. NS-Kunstpolitik in Wien“. Diese beleuchte den Aspekt der Präsenz von NS-Kunst in Sammlungen der Stadt.

Fotostrecke mit 4 Bildern

Auf einer weißen Plattfom mehrere Fotos zur Intervention in der Operngasse
Christoph Panzer
„Intervention Operngasse“ von Laura Wagner
Ein Projektor wirft ein Bild von Trümmern in eine weiße Wandecke, auf einem weißen Würfel daneben liegen Kopfhörer
Christoph Panzer
„850.000 Trümmer der Erinnerung“ von Sabrina Kern und Martin Weichselbaumer
Fotos des roten „Schande“ Schriftzugs am Karl-Lueger-Denkmal ausgestellt
Christoph Panzer
Reproduktion des Kollektivs Schwandwache vom „Schande“-Schriftzugs am Karl-Lueger-Denkmal
Der Ausstellungsraum in der „Gegen den Strich“-Ausstellung mit zwei Holzpfosten
Christoph Panzer
Links im Bild: „Porzellangasse“ von Laura Wagner

Epochenübergreifende Intervention

Der erste Teil der Ausstellung befasst sich mit der Kontextualisierung von Kunst am Bau und Denkmälern im öffentlichen Raum. Der aktuelle Forschungsstand zu Tätigkeiten der Reichkunstkammer während des zweiten Weltkriegs gäben Anlass dafür. Epochenübergreifend soll bei „Vorläufern und Nachwirkungen dieser Zeit“ interveniert werden. So sind hier Interventionen anhand einer Skulptur des Bildhauers Josef Müllner, der sich offen zum Nationalsozialismus bekannte, aus dem Jahr 1926 zu sehen.

Weitere Intervention wird anhand eines Sgrafittos, also einer geritzten Fassadendekoration, aus dem Jahr 1938 gezeigt. Darauf ist ein von der Deutschen Arbeiterfront geprägter Spruch zu lesen: „Es gibt nur einen Adel, den Adel der Arbeit“. Zudem wird das Denkmal der sogenannten „Trümmerfrauen“, das erst 2018 enthüllt wurde. Die „Trümmerfrauen“ waren zum Großteil um verurteilte Nationalsozialistinnen, die zum Wiederaufbau der Stadt zwangsverpflichtet wurden.

Wandgemälde in der Wiener Operngasse mit NS-Bezug
ORF/Hubert Kickinger
Der Spruch im Sgraffitto wurde von der NS-Organisation „Deutsche Arbeiterfront“ geprägt

„Neudenken der Funktion von Erinnerungsorten“

Im zweiten Teil der Ausstellung werden historische Bauwerke näher betrachtet. Fassaden sowie sogenannte „non-sites“, also Stücke eines Ortes oder Werkes, die ausgestellt werden und auf dieses verweisen, seien ebenso von fehlender Aufarbeitung der Vergangenheit betroffen.

Am Beispiel des Palais des Beaux Arts Wien, dessen Auftraggeber Arnold Bachwitz 1938 enteignet wurde, würde ein „Neudenken der Funktion von Erinnerungsorten“ versucht. Es soll untersucht werden, welche Bedingungen Intervention, Mahnmal oder Repräsentationsraum voraussetzen.

Zudem werden Arbeiten gezeigt, die sich mit Archivierung und Reproduktion von öffentlichen Raum befassen. Zum Beispiel werden die „Schande“-Graffiti am Denkmal Karl Luegers, der bis 1910 Wiener Bürgermeister und schon zu seinen Zeiten durch antisemitische Rhetorik auffiel, reproduziert. Weiters sollen der Devotionalienhandel fotografisch dokumentiert und belastende Gebäudefassaden gesammelt.

Vom öffentlichen in den privaten Raum

Der letzte Abschnitt der Ausstellung fragt nach dem kollektiven Gedächtnis und seiner Festigung im privaten Raum. Hier wird dem Umgang mit Räumen, deren jüdische Besitzerinnen und Besitzer vom nationalsozialistischen Regime enteignet wurden, bis ins 21. Jahrhundert nachgegangen. Der Ausgangspunkt ist ein Schreiben aus dem Jahr 1941. Fortgesetzt wird das Thema im Wiederauftauchen privater Erinnerungsstücke als Verkaufsware auf Flohmärkten und Onlineplattformen.

Die Ausstellung „Gegen den Strich. Intervention im öffentlichen Raum“ ist vom 17.2 bis 26.6 in der Startgalerie NEU im Wien Museum MUSA zu sehen. Geöffnet ist sie Dienstag bis Sonntag und Feiertag von 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist gratis.