Rathaus Wien
ORF.at/Christian Öser
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Coronavirus

Viel Kritik an Wiens Sonderweg

Wien geht in Sachen Corona-Schutzmaßnahmen weiter seinen eigenen Weg. Das ruft wenig Begeisterung hervor. Die Reaktionen aus Politik und Wirtschaft reichen von heftiger Ablehnung bis vorsichtiger Erleichterung.

Vertreter aus Gastronomie, Handel und Tourismus waren erleichtert, dass Wien die Lockerungen des Bundes weitgehend mitträgt. „Wir freuen uns über die Anhebung der Sperrstunde auf Mitternacht“, sagte Peter Dobcak, Gastronomieobmann in der Wiener Wirtschaftskammer (WKW). Ihm wäre aber eine Rückkehr zu 3-G lieber gewesen. Verbesserungen seien nun beim Grünen Pass nötig. Durch die kürzere Gültigkeitsdauer des Impfnachweises dürften viele ausländische Gäste zwar einreisen, müssen in der Gastronomie aber abgewiesen werden.

Öffnungen zwischen Jubel und Ärger

Österreich stehen am 5. März weitreichende Lockerungen bevor, Wien setzt aber vorerst auf weiterhin strengere Regeln für Gastronomie, Diskos oder Handel. Die Reaktionen sind sehr unterschiedlich.

Von einem Schritt in Richtung Normalität sprach Markus Grießler, WKW-Obmann der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft. Die weiter bestehende 2-G-Regel in der Gastronomie sichere Gäste und Mitarbeiter in der noch immer angespannten Situation.

Nachtgastro-Sprecher Stefan Ratzenberger hingegen sah keine gerechte Lösung. Man müsse jetzt langsam damit beginnen, mit den letzten Auswirkungen der Pandemie leben zu lernen. Es verzerre nur den Wettbewerb, „wenn in Wien 2-G oder sogar noch schlimmer 2-G+ angedacht wird und im restlichen Österreich ganz normal mit 3-G bzw. überhaupt keiner Regelung mehr der Zutritt gewährt wird“.

Handelsverband fordert Ludwig zu Überdenken auf

Ähnlich auch der Standpunkt des Handelsverbands. In keinem anderen Bundesland sei der Handel so stark von den negativen Corona-Auswirkungen getroffen worden wie in Wien, klagte Geschäftsführer Rainer Will. Lockdowns, Demonstrationen, Straßensperren sowie die österreichweit strengsten Covid-Maßnahmen hätten dazu beigetragen, dass allein im Wiener Handel seit Pandemiebeginn rund 3.000 Geschäfte für immer schließen mussten.

Dennoch soll in Wien die FFP2-Maskenpflicht bis auf weiteres bestehen bleiben. Das Virus sei in Wien nicht anders als in anderen Bundesländern. Daher appelliere der Handelsverband an Ludwig, die aktuellen Ankündigungen zu überdenken, Jobs zu retten und Angestellten eine Perspektive zu geben.

ÖVP: „Sonderweg schwer tragbar“

Unverständnis für den Wiener Weg wurde auch in der Wiener ÖVP laut. Wien setze sich wiederholt über Bundesregelungen hinweg und starte einen österreichweiten Alleingang, so der designierte Landesparteiobmann der Volkspartei Wien, Karl Mahrer. So halte Ludwig unter anderem im Bereich der Gastronomie an der 2-G-Regelung fest. „Dieser Sonderweg der Stadt ist für viele Menschen eine Belastung und für die Wirtschaft immer schwerer tragbar“, so Mahrer.

Die Wiener Unternehmer hätten schon länger durch besonders strenge Maßnahmen einen massiven Wettbewerbsnachteil. Mahrer wiederholte die Forderung der ÖVP nach einem individuellen Entlastungspaket, das durch die Stadt geschnürt werden müsse. Wenn die Stadtregierung gesundheitspolitisch einen eigenen Weg gehe, müsse diese auch mit entsprechenden Hilfestellungen helfen und ausgleichen.

Wiener Weg für FPÖ „untragbar“

Mit dem Wiener Weg „der Spaltung und Schikane“ schere sich Ludwig „einen Dreck um Verhältnismäßigkeit, evidenzbasierte Maßnahmen oder um einen Zusammenhalt der Gesellschaft“, so Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp. Ludwigs Weg sei neuerdings ein Schlag ins Gesicht der Wiener Wirtschaftstreibenden, auch die leidgeplagte Tourismusbranche werde weiter leiden. Das Festhalten an kostenlosen Tests nutze mittlerweile nur mehr SPÖ-Freunden, die sich daran „eine goldene Nase verdienen“ würden, so Nepp weiter.

Aufhören müsse auch die krampfhafte Aufrechterhaltung des Mythos der vollen Spitäler. Es zeige sich in anderen Ländern, dass die meisten Patienten nicht wegen Covid-19 eingeliefert würden, sondern der Befund eher zufällig erstellt werde. Die Freiheit müsse der Normalzustand sein, nicht deren Einschränkung. Persönliche Mutmaßungen oder Launen reichten nicht, um in Grundrechte einzugreifen, so Nepp.