Mehrere Skulpturen in der Aussetellung „Face to Face“
Johannes Stoll/Belvedere
Johannes Stoll/Belvedere
Kultur

„Emotional Detox“ trifft „Charakterköpfe“

Das Belvedere zeigt eine Skulpturenschau mit besonderer Entstehungsgeschichte. Marc Quinns „Emotional Detox“-Reihe trifft dabei auf die „Charakterköpfe“ von Franz Xaver Messerschmidt – und damit jene Werke, die Quinn nach einem Alkoholentzug sehr halfen.

Die bisher kaum öffentlich gezeigten „Emotional Detox“-Skulpturen stammen aus den frühen 1990er-Jahren. Quinn konfrontierte damals im Zuge eines Alkoholentzugs seine eigenen Dämonen und wurde von einer Begegnung mit der Messerschmidt-Skulptur „Der starke Geruch“ im Victoria and Albert Museum in London inspiriert.

„Seit Beginn meiner Beschäftigung mit Kunst fesseln mich Franz Xaver Messerschmidts Skulpturen und seine unglaubliche Fähigkeit, Gefühle darzustellen“, schwärmte der Brite Quinn am Mittwoch bei der Pressekonferenz. Nach seinem Alkoholentzug habe er nicht mehr arbeiten können, erst durch die Werke des barocken Bildhauers habe er wieder zurück zur Kunst gefunden.

Fotostrecke mit 4 Bildern

Skulpur „Emotional Detox II“ von Marc Quinn neben einer Skulpur von Franz Xaver Messerschmidt mit dem Titel Charakterkopf Nummer 33
Marc Quinn Studio/Belvedere
Quinns Skulpturen zeigen drangsalierte Oberkörper (links), Messerschmidt konzentriert sich bei den „Charakterköpfen“ auf die verzerrte Mimik
Mehrere Skulpturen in der Aussetellung „Face to Face“
Johannes Stoll/Belvedere
Der Ausstellungsraum wurde für die Schau ganz in ein leuchtendes Rot gehüllt
Skulptur von Marc Quinn aus der Serie „Emotional Detox“: „The Seven Deadly Sins VII“, 1995
Marc Quinn Studio
„The Seven Deadly Sins VII“ ist der Titel dieser Skulptur Quinns aus dem Jahr 1995
Skulptur von Franz Xaver Messerschmidt: Ein düstrer finstrer Mann, 1770/1783
Belvedere
Messerschmidts Werk „Ein düstrer finstrer Mann“ entstand zwischen 1770 und 1783

Ausstellungshinweis
„Face to Face. Marc Quinn meets Franz Xaver Messerschmidt“, im Oberen Belvedere, 24. Februar bis 3. Juli 2022

Schau als Erfüllung eines Traumes

Der 58-jährige Künstler trat vor wenigen Jahren auf Belvedere-Generaldirektorin Stella Rollig mit dem Wunsch heran, seine Werke aus der Serie „Emotional Detox“ den „Charakterköpfen“ gegenüberstellen zu können.

Rollig freute sich, dass die Präsentation nach den Coronavirus-Unbilden der vergangenen zwei Jahre nun endlich möglich sei. „Das Großartige an ‚Emotional Detox‘ ist neben der packenden Darstellung und der meisterhaften Technik die bildhafte Vieldeutigkeit“, sagte die Belvedere-Generaldirektorin. Der Künstler selbst habe sich durch die Werkserie von seinen Dämonen befreit. Sie nun mit dem großen Vorbild vereint zu sehen, sei ein in Erfüllung gegangener Traum.

Durchlöchert und drangsaliert

Während in den Arbeiten des Wiener Barock-Bildhauers Messerschmidt die verzerrte Mimik im Vordergrund steht, ist es bei Quinn gleich der gesamte Oberkörper: Durchlöchert, aufgerissen und von sich selbstständig gemachten Händen drangsaliert – so präsentieren sich die acht Blei-Skulpturen, die jeweils einem „Charakterkopf“ gegenüberstehen. Mal hält die Hand den Mund des Künstlers zu, mal drückt sie auf die Stirn, während die wie abgebrochen wirkenden Armstümpfe hilflos in die Luft gereckt sind.

Für die Präsentation im Oberen Belvedere – unter dem Titel „Face to Face“ – hat Quinn einen ganzen Raum in leuchtendes Rot gehüllt und die Werke sich in Paaren einander zuwendend im Saal angeordnet. So treten die skulpturalen Selbstporträts der Künstler über die Jahrhunderte hinweg in ein emotionales Zwiegespräch. Weitere Arbeiten – diesmal aus Gips – finden sich unter dem Serientitel „The Oneironaut“ in der achteckigen Schlosskapelle.

Vor drei Jahren standen Franz Xaver Messerschmidts „Charakterköpfe“ schon einmal im Belvedere im Fokus: Im Rahmen der Ausstellung „Talking Heads“ in der Orangerie im Unteren Belvedere waren die in eindringlicher Mimik erstarrten Köpfe aus dem 18. Jahrhundert im Dialog mit Zeitgenossen von Lassnig bis Rainer zu erleben.