Die kaufmännische Geschäftsführerin Artemis Vakianis und Intendant Christophe Slagmuylder
APA/Roland Schlager
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Kultur

Festwochen mit der Hoffnung auf Normalität

Die Wiener Festwochen kehren zur Normalität zurück. „Mit großer Wahrscheinlichkeit wird es eine Festivalausgabe, die anders als in den vergangenen zwei Jahren zum üblichen Zeitpunkt und mit Planungssicherheit stattfinden wird“, sagte Intendant Christophe Slagmuylder.

Die Festwochen werden heuer ein Festival des Gesangs, kündigte Slagmuylder an. „Ein zentrales Element wird die menschliche Stimme.“ Zwischen 13. Mai und 18. Juni werden 38 Produktionen gezeigt, wobei es mit Romeo Castelluccis „Requiem“ in der Museumsquartier-Halle E schon ab 1. April einen Prolog geben wird.

161 Vorstellungen

Die 2019 beim Festival in Aix-en-Provence erarbeitete Produktion sei „eine Beschreibung des Verschwindens und eines neuen Beginnens“ und „ein Meisterwerk, das unsere Gedanken verändern wird“, meinte der Intendant, der betonte, dass Koproduktionen und die Teilnahme am kreativen Prozess den Festwochen wichtig seien: „24 Werke werden in ihrem Entstehen von den Festwochen unterstützt, zwölf davon werden in Wien uraufgeführt.“

Für die 161 Vorstellungen an 23 Spielorten werden rund 37.500 Karten aufgelegt. Der Kartenverkauf startet am Samstag (26. Februar) um 10.00 Uhr. Das Budget beträgt 12,2 Millionen Euro.

 Intendant Christophe Slagmuylder
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Intendant Slagmuylder hofft auf normale Festwochen

Auftakt traditionell auf Rathausplatz

Konzept und Regie der Eröffnung der 2022er-Ausgabe auf dem Rathausplatz am 13. Mai übernimmt David Schalko. Motto des Abends, für den zahlreiche Künstlerinnen und Künstler eingeladen werden: „Last Night on Earth“. „Kruder & Dorfmeister spannen einen musikalischen Bogen über den Abend. Darüber hinaus wird das Rathaus zur Bühne und wird mit einem visuellen Mapping bespielt werden“, kündigte Geschäftsführerin Artemis Vakianis an.

Den Abschluss macht am 18. Juni eine „Xenakis Birthday Party“ für den Komponisten Iannis Xenakis (1922–2001). Dieses von Reinhold Friedl kuratierte „immersive Erlebnis“ soll im Belvedere 21 stattfinden und von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang dauern.

Raum für „Kreativität und Neuerfindung“

Dazwischen gibt es ein ungeheuer dichtes Programm. Die Wiener Festwochen seien „ein Raum für Kreativität und Neuerfindung. Die Suche nach Strategien des Neuerfindens ist eines der diesjährigen Leitmotive. Viele der präsentierten Werke verweisen auf eine Gesellschaft, die nicht mehr dort ist, wo sie bisher war … aber auch noch nicht an einem neuen Ort. Wir müssen altbekannte Muster hinter uns lassen und neue erfinden. Wir brauchen Veränderung“, sagte Slagmuylder.

Den chorischen Schwerpunkt dieser Festwochen unterstreicht neben „Requiem“ eine Arbeit des französischen Choreografen, Tänzers und Historikers François Chaignaud („t u m u l u s“) sowie das Festwochen-Auftragswerk „Friede auf Erden“, das die bildende Künstlerin Ulla von Brandenburg mit dem Arnold Schoenberg Chor kreiert. Als Erkundungen „möglicher Zukunftsszenarien“ wurden u. a. eine Uraufführung von Philippe Parreno („Phantasmagoria“), die Slagmuylder als „voraussichtlich eines der größten Experimente dieses Festivals“ annoncierte, und Susanne Kennedys Inszenierung von Philip Glass’ Oper „Einstein on the Beach“ präsentiert.

Ring der Nibelungen
Sabina Boesch
Der „Ring der Nibelungen“ findet in einer Inszenierung von Christopher Rüping Eingang ins Festwochen-Programm

Spanische Uraufführung als geplanter Höhepunkt

Ein Höhepunkt soll auch die Uraufführung des Bühnenwerks „Una imagen interior“ des spanischen Ensembles El Conde de Torrefiel werden, das damit anschließend u. a. in Avignon, Paris, Barcelona, Brüssel und Genf gastieren wird und zudem auf einer noch zu findenden Wiese in der Umgebung Wien eine Open-Air-Performance mit Gastauftritten von Tieren und Bäumen veranstaltet („Ultraficciòn Nr.1 / Fracciones de tiempo“).

Die internationale Theaterszene ist mit Arbeiten von Christopher Rüping („Der Ring des Nibelungen“ in neuem Text von Necati Öziri), dem künftigen Leiter des Festival d’Avignon Tiago Rodrigues (er zeigt eine Adaptierung von Tschechows „Der Kirschgarten“, die vergangenen Sommer in Avignon im Cour d’Honneur gezeigt wurde und in der Isabelle Huppert die Gutsbesitzerin Ranjewskaja spielt), und die Brasilianerin Christiane Jatahy, die sich in „Depois do silêncio (Nach der Stille)“ mit Landarbeitern im Nordosten Brasiliens beschäftigt.

Neuinterpretation von „Madama Butterfly“

Die französisch-österreichische Künstlerin Gisèle Vienne präsentiert ihre neueste Arbeit „L’Étang“ nach dem Text „Der Teich“ von Robert Walser (mit Adèle Haenel und Henrietta Wallberg) und die neueste Arbeit des australischen Back to Back Theatre. Die japanische Künstlerin Satoko Ichihara präsentiert ihre Inszenierung von „Madama Butterfly“, „in der sie die sexistischen und rassistischen Projektionen offenlegt, um die es in Puccinis berühmter Oper geht“, wie es in der Ankündigung heißt.

Für eine Festwochen-Eigenproduktion arbeitet Caroline Peters mit Medienkünstlern. Ihr Solo „Die Maschine steht nicht still“ ist von Science-Fiction und ihren persönlichen Erfahrungen im Lockdown inspiriert. Eine weitere Eigenproduktion der Festwochen wird von der kroatischen Regisseurin Nataša Rajković in der Kaisermühlenbucht an der Neuen Donau realisiert: „Astronaut Wittgenstein“.

Madama Butterfly
Philip Frowein
„Madama Butterfly“ soll die „sexistischen und rassistischen Projektionen“ in Puccinis Oper zeigen

Museum für Schwarze Entertainer:innen

Das „Österreichische Museum für Schwarze Unterhaltung und Black Music (ÖMSUBM)“ im Belvedere 21 ist keine Ausstellung, sondern eine Reihe von Vorstellungen, Vorträgen und Konzerten, die „ein Schlaglicht auf Schwarze Entertainer:innen als Teil der Populärmusikindustrie in Österreich und Deutschland“ werfen will.

Zu den Musikprojekten zählt auch „A Tribute to Peter Rehberg and Editions Mego“ in Gedenken an die im vergangenen Sommer unerwartet verstorbene Größe der heimischen elektronischen Musikszene. Fans von Performance und Tanz werden sich u. a. über „Joy 2022“ von Michiel Vandevelde und „L’Aventure invisible“ des schwedischen Künstlers Marcus Lindeen, aber auch über neue Stücke von Lia Rodrigues und Marlene Monteiro freuen.

„Globaler Blick“ der Festwochen

„Man kann heute nicht mit leichtem Herzen einfach etwas ankündigen“, gab Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler angesichts des Ukraine-Kriegs zu bedenken. „Was sich derzeit dort in Europa abspielt, führt uns vor Augen, wie privilegiert wir hier in dieser Stadt sind.“ Die größte Sorge habe vor Kurzem noch der Pandemie gegolten.

Der „globale Blick“, für den die Wiener Festwochen stets auch stünden, „ist immer auch ein empathischer. Kunst und Kultur ist essenziell für unseren Blick auf die Welt.“ Besonders erfreut zeigte sich die Kulturstadträtin, dass sich die diesjährige Festwochen-Ausgabe mit 23 Spielorten in elf Wiener Bezirken „auf den Weg zu den Menschen“ mache.