Das Schild über dem Eingang des Aids-Hilfe-Hauses
ORF
ORF
Chronik

HIV: Diskriminierung im Gesundheitswesen

Unter dem Motto „Wissen statt Vorurteile“ startet die Aids Hilfe Wien eine Kampagne zur Aufklärung. Diskriminierung aufgrund einer positiven HIV-Diagnose gibt es in allen Bereichen. Rund 65 Prozent der gemeldeten Fälle fanden 2021 im Gesundheitssektor statt.

Am Dienstag findet der „Zero Discrimination Day“ statt. Er wurde von den Vereinten Nationen initiiert, um auf Benachteiligungen jeder Art, vor allem aber auf die Diskriminierung von Menschen mit positiver HIV-Diagnose aufmerksam zu machen. „Heute stellen Diskriminierungserfahrungen für HIV-positive Menschen zum Teil größere Probleme dar als mögliche gesundheitliche Einschränkungen“, erklärte Geschäftsführerin Andrea Brunner im Radio Wien-Interview.

Anlässlich des Aktionstages startet die Aids Hilfe Wien die Kampagne „Gemeinsam gegen Diskriminierung: Wissen statt Vorurteile“. Die Informationsvideos und Broschüren richtet sich an Institutionen, in denen Diskriminierung stattfinden könnte, aber auch an Betroffene selbst. „Viele Menschen denken, das sei normal, wie mit ihnen umgegangen wird. Viele Menschen kommen erst Jahre später drauf, dass sie in einer Situation diskriminiert wurden. Doch viele Dinge, die HIV-positive Menschen erfahren müssen, sind nicht normal und müssen sie nicht akzeptieren“, sagte Brunner.

Diskriminierung zu beziffern und zu datieren sei schwierig. Oft werden Vorfälle erst Jahre später oder gar nicht gemeldet. Zudem sei der HIV-Status oft ein Teilaspekt einer Mehrfachdiskriminierung. Das heißt, Menschen mit HIV werden oft nicht nur wegen ihres Status, sondern zusätzlich wegen eines anderen Merkmals diskriminiert, etwa wegen ihres Geschlechts, der Migrationsgeschichte oder sexuellen Orientierung.

Fehlende Aufklärung im Gesundheitsbereich

Die Aids Hilfe ist Meldestelle für Diskriminierung aufgrund des HIV-Status. Menschen, die Diskriminierungserfahrungen machen mussten, können diese anonym oder mit Bitte um Intervention melden. „Vielen Unternehmen und Einrichtungen ist gar nicht bewusst, dass sie eine Diskriminierung begehen. Wenn wir dann ein Gespräch mit ihnen führen, löst sich das oft in Wohlgefallen auf, auch im Sinne der Klientin oder des Klienten“, erklärte Brunner. Es gäbe aber auch Fälle, die die Aids Hilfe bis hin zur Klage juristisch unterstützt.

Ein Treppenaufgang dekoriert mit der roten Aidsschleife
ORF
Der HIV-Status ist oft ein Teilaspekt von gleichzeitigen Diskriminierungen aufgrund mehrerer Merkmale

HIV-positive Person durfte nicht ins Schwimmbad

Knapp zwei Drittel der gemeldeten Diskriminierungen 2021 fanden im Gesundheitswesen statt. „Es gab zum Beispiel den Fall, dass eine Person in der Reha nicht ins Schwimmbad gehen durfte“, schilderte Brunner. Zudem werden öfter Fälle gemeldet, bei denen an HIV-positiven Menschen in Arztpraxen nur Randtermine vergeben werden. Als Begründung dafür werde einerseits der Schutz anderer Patientinnen und Patienten genannt, andererseits werde behauptet, dass der Behandlungsraum und sämtliche Geräte speziell gereinigt und desinfiziert werden müssten.

„Es ist aber gar nicht möglich, sich anzustecken, wenn man im Warteraum mit einer anderen Person sitzt. Außerdem reichen die normalen hygienischen Maßnahmen beim Arzt oder bei der Ärztin, dass das Virus nicht weitergegeben werden kann“, sagte Brunner. Zudem könne die Viruslast mit entsprechender Therapie unter die Nachweisgrenze sinken, sodass das Virus nicht weitergegeben werden kann. „Arbeit, Beziehungen, Elternschaft – das alles ist mit einer wirksamen Therapie normal und selbstverständlich“, hieß es in der Aussendung zum „Zero Discrimination Day“ der Aids Hilfe Wien.

Sensibler Umgang mit Gesundheitsdaten

Zum Teil käme es auch zur Verletzung des Datenschutzes. „Es gibt leider öfter Fälle, dass mit Daten nicht sensibel umgegangen wird. Zum Beispiel, wenn in Ordinationen oder anderen Einrichtung im Raum darüber gesprochen wird“, so Brunner. Die Aids Hilfe Wien hilft nach Meldung eines derartigen Vorfalls, den rechtlichen Rahmen aufzubereiten. Wenn notwendig, wird die Datenschutzbehörde mit einbezogen.

Auch im Zugang zu Dienstleistungen finden Diskriminierungen statt. „Jetzt vor Kurzem hatten wir den Fall des ‚Anti-Homo-Hauses‘ in Niederösterreich (Anm. ORF berichtete), wo Homosexualität und HIV in einen Topf geschmissen worden sind.“, erklärte Brunner. Der Betreiber der Gaststätte setzte Homosexualität mit einer Krankheit gleich. Zudem wollte er „nichts mit HIV und Syphilis nichts tun haben“. Anfang des Monats bot Brunner ihm eine aufklärende Beratung in der Aids Hilfe an.

Diskriminierungsfreies Klima

Die Aids Hilfen fordern zudem die Entkriminalisierung HIV-positiver Menschen im Strafrecht. In vergangenen Gerichtsentscheidungen seien HIV-positive Menschen, die ungeschützten Sex mit HIV-negativen Personen hatten, strafrechtlich zur Verantwortung gezogen worden, obwohl keine Übertragung stattfand und die Person unter wirksamer Therapie stand. „Es wurde somit das Gefährdungspotential für eine Ansteckung unterstellt“, hieß es in einer Aussendung der Aids Hilfen.

Im Arbeitsumfeld käme es zu Diskriminierungen, zum Beispiel, wenn HIV-positive Menschen von Kolleginnen und Kollegen seltsam angesprochen oder gemieden werden. Für den Arbeitsbereich wurde die Initiative „#positivarbeiten“ ins Leben gerufen, an der bereits über 100 Unternehmen und Einrichtungen in Österreich teilnehmen. Brunner erklärte: „Die Unternehmen, die diese Deklaration unterstützen, stehen für ein diskriminierungsfreies Klima von Respekt und Selbstverständlichkeit für HIV-positive Menschen ein.“