Kundgebung: „Dem Hass keinen Platz – Nach Zerstörung der Regenbogenfahne“ am Montag, 07. September 2020 in Wien.
ORF/Madeleine Gromann
ORF/Madeleine Gromann
Chronik

Regenbogenfahne zerrissen: Freispruch

Die bekannte CoV-Maßnahmengegnerin Jennifer Klauninger ist am Mittwoch am Wiener Straflandesgericht ebenso wie ein mitangeklagter freier Journalist vom Vorwurf der Verhetzung freigesprochen worden. Sie hatten bei einer Demo eine Regenbogenfahne zerrissen.

Der Vorwurf lautete, dass die beiden bei einer Kundgebung vor der Karlskirche am 5. September 2020 mit dem Zerreißen einer Regenbogenfahne auf offener Bühne die LGBTQ-Community mit der Bezeichnung als Kinderschänder herabgewürdigt haben. Das Video des Vorfalls machte damals recht schnell die Runde in sozialen Medien und sorgte für Empörung.

Bei der Kundgebung waren auch etliche Rechtsextreme erschienen, die etwa die sogenannte Reichsfahne schwenkten. Auch Parolen wie „Heimatschutz statt Mundschutz“ waren zu lesen. Nur zwei Tage später wurde eine Demonstration unter dem Motto „Dem Hass keinen Platz“ gegen Homophobie organisiert, an der tausende Menschen teilnahmen.

Verfahren wegen Angriffs auf Polizisten ausgeschieden

Nach umfangreichen Ermittlungen wurden Klauninger und der 44-Jährige angeklagt und mussten sich nun am Mittwoch vor Gericht verantworten. Klauninger war zudem wegen eines anderen Vorfalls bei einer Demonstration gegen die CoV-Maßnahmen am 20. Dezember 2021 wegen des tätlichen Angriffs auf einen Polizisten angeklagt. Sie soll einen Beamten mehrfach auf die Brust gestoßen haben. Dieses Verfahren wurde wegen des Herbeischaffens von Videos ausgeschieden.

Im Verhandlungssaal saßen einige Zuhörer ohne Maske bzw. mit einem eher halbherzig getragenen Visier. Auch Klauninger klagte nach einer halben Stunde Verhandlung und Tragens einer FFP2-Maske über Atemnot. Sie legte daraufhin ihr ärztliches Attest vor und durfte in Absprache mit dem Richter die Maske ablegen.

Angebliche „Kinderschänderfahne“

Zu dem Vorfall vor der Karlskirche beteuerten die beiden Angeklagten, dass es sich ihrer Ansicht nicht um eine „Homosexuellen-Fahne“ gehandelt habe, sondern es sei in der Flagge ein Doppel-Herz abgebildet gewesen – ein Symbol, das Kinderschänder verwenden würden. Die Fahne hätte ganz andere Farben abgebildet gehabt, als es von der LGTBQ-Community verwendet werde. „Die Fahne auf der Bühne war definitiv eine Kinderschänderfahne“, sagte Klauninger.

Sie habe die Flagge auf der Bühne erblickt, daraufhin seien Klauninger und der 44-Jährige auf die Bühne und hätten auf das Doppel-Herz als Kinderschänder-Symbol aufmerksam gemacht. Die 30-Jährige griff zum Mikrofon und ließ dann wissen: „Ihr seid kein Teil unserer Gesellschaft. Wir müssen unsere Kinder vor Kinderschändern schützen. Wir alle sind dafür verantwortlich.“

Dass es sich bei dem Doppel-Herz um ein Kinderschänder-Symbol handle, hätten ihm seine zahlreichen Quellen in den Recherchen zu diesem Thema erläutert, sagte der Journalist, der angab, auch als Experte vom Innenministerium regelmäßig hinzugezogen zu werden, was vonseiten des Ministeriums auf APA-Anfrage nicht bestätigt wurde.

Keine Erklärung des Staatsanwalts

Der Staatsanwalt wollte mehrfach wissen, ob jemand, der zufällig vorbeigeht, das nicht wissen könnte und es als „Affront gegen die LGBTQ-Community gesehen hätte“. Der 44-Jährige verwahrte sich dagegen, dass er die LGBTQ-Community verunglimpfen wollte, sei er doch selbst Teil davon. Es seien auch Leute aus der Community auf der Kundgebung gewesen. „Alle diese Menschen haben es verstanden und haben sich nicht verhetzt gefühlt“, meinte der freie Journalist. Und Klauninger: „Es war niemals die Absicht, einen Menschen mit einer anderen sexuellen Orientierung zu verletzen.“ Zudem hätten die Medien dieses Thema dann auch noch aufgebauscht.

Die Anträge auf die Vernehmung weiterer Zeugen – etwa eine der weinenden Mütter – wurden allesamt abgelehnt und die beiden freigesprochen. Der Richter merkte in seiner Urteilsverkündung an, dass der Tatbestand der Herabwürdigung erfüllt sei, jedoch im Strafverfahren nicht mit der erforderlichen Sicherheit bewiesen werden konnte. Die beiden seien „einem Irrtum“ auferlegen und hätten „das Symbol fälschlich zugeordnet“. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Staatsanwalt gab keine Erklärung ab.

Kritik von Grünen

„Dieses Urteil ist ein Rückschlag, wenn es um den Gewaltschutz von LBGTIQA+ geht. Wir sind enttäuscht, werden uns aber weiterhin für umfassendes Gewaltschutz starkmachen“, reagierte die Sprecherin der Grünen Andersrum, Katharina Schöll, auf die Entscheidung.

Der nicht amtsführende Grüne Wiener Stadtrat Peter Kraus hatte nach dem Zwischenfall eine Sachverhaltsdarstellung eingebracht und damit das Gerichtsverfahren initiiert. Emir Dizdarevic, der Sprecher der Grünen Andersrum, wandte sich per Presseaussendung an den zuständigen Wiener Stadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) und regte einen runden Tisch zu Gewaltschutz gegen LGBTIQA+ in Wien an.

„Der Gewalt gegen Symbole folgt bald auch die Gewalt gegen Menschen“, bedauerte Ewa Ernst-Dziedzic, Sprecherin der Grünen für Außenpolitik, LGBTIQ und Menschenrechte. Die Entscheidung des Landesgerichts Wien besage, dass das öffentliche Zerreißen einer Regenbogenfahne den Tatbestand der Verhetzung nicht erfüllt. „Meinungsfreiheit ist ein wichtiges Gut, aber beim Gewaltschutz können wir keine Abstriche machen“, betonte Ernst-Dziedzic.