Chronik

Wiener Polizei hat Überstunden-Problem

Die Wiener Polizei kämpft mit Personalproblemen. Das zeigt sich auch an der massiven Anzahl an Überstunden. Mehr als zwei Millionen waren es allein im Vorjahr. Die Gewerkschaft schlägt wieder einmal Alarm und fordert mehr Beamte. Doch die sind teils schwer zu finden.

Allein bei den Demos gegen die COV-Maßnahmen am 20. November 2021 fielen rund 12.000 Überstunden bei der Wiener Polizei an. Auch die Kontrolle der COV-Maßnahmen ließ die Überstunden ansteigen. In Summe blieb die Zahl aber relativ konstant.

Denn vor dem Ausbruch der Pandemie trieben vor allem Einsätze bei Großveranstaltungen wie Fußballspielen oder bei der Botschaftsbewachung die Überstunden in die Höhe. 2018 waren es bei der Wiener Polizei 2,34 Millionen Überstunden. Gefolgt von 2,09 Millionen im Jahr 2019 und 1,78 Millionen im ersten Pandemiejahr. Im Vorjahr verzeichnete die LPD Wien dann 2,09 Millionen Mehrdienstleistungsstunden, wie die Überstunden polizeiintern genannt werden.

Inserat der Polizei in Zeitung
ORF
Die Wiener Polizei sucht dringend mehr Personal

Gewerkschafter: “Es ist eine Grenze erreicht"

„Es ist eine Grenze erreicht, ab 60, 70, 80 kommandierten Überstunden im Monat ist das einfach genug. Und deswegen müssen wir unbedingt schauen, dass wir das mit entsprechend Personal ausgleichen“, sagt Hermann Greylinger, Vorsitzender der Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen (FSG) in der Polizeigewerkschaft.

Es habe eine Art Generationenwechsel gegeben. Früher hätten die Kolleginnen und Kollegen die Überstunden wegen des Geldes gerne gemacht, jetzt fänden sie nur mehr bei wenigen Akzeptanz, denn „die Generationen jetzt setzen mehr auf Freizeit und Ausgleich“, so Greylinger.

Auch der ÖVP-nahe Gewerkschafter Gerhard Zauner von der Fraktion Christlicher Gewerkschafter (FCG) kritisiert die hohe Zahl an Überstunden. "Die Kolleginnen und Kollegen werden regelmäßig in ihre Freizeitblöcke hineinkommandiert“, so Zauner.

Derzeit 7.470 Polizistinnen und Polizisten in Wien

Dabei sind in den vergangenen zehn Jahren mehr als 700 Polizistinnen und Polizisten in Wien dazugekommen. 2012 waren es 6.754 Exekutivbeamte bei der Wiener Polizei, derzeit sind es 7.470. Das ist ein Zuwachs von 10,6 Prozent. Im selben Zeitraum ist aber die Wiener Bevölkerung um zwölfeinhalb Prozent gewachsen. Es gibt also, auf die Bevölkerung gerechnet, heute weniger Polizistinnen und Polizisten als noch vor zehn Jahren.

Laut der Pressestelle der Wiener Polizei könne „ein Vergleich der Zahlen in einer derartig großen Zeitspanne nicht wirklich seriös sein“, da es zum Beispiel „Reformen gab und sich Strukturen, aber auch polizeiliche Aufgaben verändert haben“. Eine Einschätzung gibt der Vergleich dennoch wieder.

Polizei verzeichnet Personalnotstand

Die Wiener Polizei kämpft mit Personalproblemen. Das zeigt sich auch an der massiven Anzahl an Über-stunden. Mehr als zwei Millionen waren es allein im Vorjahr. Die Gewerkschaft schlägt wieder einmal Alarm und fordert mehr Beamte.

Viele scheitern am Aufnahmetest

Der Wiener Polizei ist die „angespannte Personalsituation“ durchaus bewusst. Allerdings hat die Landespolizeidirektion ein Problem. Denn sie findet gar nicht genug neue Beamte. Viele der Bewerberinnen und Bewerber scheitern an der Aufnahmeprüfung mit Grammatik- und Sporttest oder an anderen Aufnahmekriterien.

„Von den Bewerberinnen und Bewerbern, die sich bei uns melden, schaffen es zwischen einem Viertel und einem Drittel in die Polizeischule und in den Polizeiberuf“, sagte Polizeisprecher Markus Dittrich. So gab es in Wien im Vorjahr 1.873 Bewerbungen, es wurden aber letztlich nur 522 Planstellen besetzt. Dabei hätte das zuständige Innenministerium eigentlich mehr Stellen genehmigt.

„Es wird beabsichtigt, diese zusätzliche Freigabe auch bei künftigen Aufnahmeterminen zu wählen, solange das Jahresaufnahmeziel nicht erreicht ist“, heißt es dazu auf Anfrage aus dem Innenministerium. Im Jahr 2020 wurden in Wien 456 Bewerberinnen und Bewerber aufgenommen. Die Personalsituation verschärfen auch anstehende Pensionierungen. In den kommenden zwei Jahren werden österreichweit mehr als 2.000 Polizisten in den Ruhestand gehen, einige hundert davon in Wien.

„Man wirbt unter falschen Voraussetzungen“

Die beiden Gewerkschafter fordern bessere Recruiting-Maßnahmen seitens der Polizei. „Man wirbt unter falschen Voraussetzungen. Man wirbt mit Cobra, Hubschrauber, Wasserpolizei. Der Großteil muss aber Dienst auf der Polizeiinspektion versehen“, sagte Greylinger.

Die Kritik will der Sprecher der Wiener Polizei so nicht gelten lassen. „Natürlich zeigt man die Abteilungen, die man als Polizistin oder als Polizist erreichen kann. Man soll die Möglichkeiten und die Vielfalt des Polizeiberufes zeigen“, so Dittrich.

Um doch noch mehr Beamte zu finden, wirbt die Wiener Polizei auch in den Bundesländern. Das nächste Mal am 24. März in Admont in der Steiermark. „Nachdem sich die Corona-Situation etwas beruhigt hat, wird es eine erhöhte Polizeipräsenz im Zuge von Recruiting bei Messen, Veranstaltungen und dergleichen geben“, so Dittrich. Außerdem sei man in Kontakt mit dem AMS, dem Bundesheer und der Wiener Bildungsdirektion und werbe auch auf sozialen Medien.