Krankenschwester zieht eine Spritze auf
PAUL ELLIS/AFP
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Wien impft

Wann die vierte Impfung sinnvoll ist

Impf-Pionier Israel hat die vierte Impfung bereits für die breite Bevölkerung ausgerollt, der Nutzen ist umstritten: Wien bietet den Viertstich derzeit nur für Hochrisikopatienten an – ab sechs Monate nach der dritten Impfung.

Nach der Impfung ist vor der Impfung? Nicht unbedingt. Bis Ende letzten Jahres schienen Auffrischungsimpfungen das einzige Mittel, um im Wettrennen mit neuen Coronavirus-Mutanten Schritt halten zu können – doch nun scheint der Reigen ein vorläufiges Ende gefunden zu haben.

Laut einem Informationspapier des Nationalen Impfgremiums (NIG) vom 4. März wird der vierte Stich derzeit nur für eine enge Auswahl von Personen empfohlen, konkret für Hochrisikopatienten sowie für „Personen ab 65 Jahren, bei denen ein kürzeres Anhalten des Impfschutzes zu erwarten ist“.

Nur für Vulnerable

An diese Empfehlung hält man sich auch in Wien, das Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) geht davon aus, dass rund 140.000 Personen für den Viertstich in Frage kommen. Die allerersten werden laut Hacker-Sprecher Mario Dujakovic „in den nächsten Wochen“ dran sein, der vom NIG empfohlene zeitliche Mindestabstand von sechs Monaten werde freilich auch hier den Takt angeben. Zum Einsatz wird in Wien hauptsächlich der mRNA-Impfstoff von Pfizer kommen, in zweiter Linie auch der von Moderna.

Älterer mann erhält eine Impfung
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Vierte Impfung: bislang nur für vulnerable Gruppen

Dass das nationale Impfgremium die Empfehlung an medizinische Risiken koppelt, hat nicht zuletzt mit Erfahrungen aus dem Ausland zu tun. In Israel, wo man die vierte Impfung sofort breit ausgerollt hat, fallen die Bilanzen nämlich gemischt aus.

Lehren aus Israel

Laut einer Untersuchung der Universität Tel-Aviv an Personal des Gesundheitswesens erhöht sich durch einen Viertstich zwar der Antikörperspiegel, aber das Niveau ist auch nicht höher als bei der Impfung Nummer drei. Außerdem biete die zusätzliche Dosis auch keinen sonderlich hohen Schutz vor Durchbruchsinfektionen, schreiben Studienautoren in der auf dem Preprintserver MedRxiv veröffentlichten Studie.

„Wenig Nutzen zur aktuellen Zeit mit aktuellem Impfstoff“, kommentierte etwa der deutsche Immunologe Carsten Watzl die Ergebnisse – ergänzte aber, dass die Ergebnisse nicht unbedingt auf Ältere übertragbar seien. Jene also, die Österreichs Impfgremium mit seiner Empfehlung vorrangig im Blick hat.

Welle noch nicht vorbei

Die aktuelle Situation in Wien: Gut die Hälfte der Gesamtbevölkerung hat bereits drei Impfdosen erhalten, ein Viertel ist nach wie vor ungeimpft, der Rest verteilt sich auf Erst- und Zweitstich. Was die Infektionen angeht, verzeichnete man am Dienstag ein beträchtliches Plus von 8.500 Fällen (österreichweit 31.000), die aktuelle Welle ist also noch keineswegs abgeebbt und könnte durch die Ausbreitung der Omikron-Untervariante BA.2 (Anteil in Wien: 59,6 Prozent) sogar noch einmal an Fahrt aufnehmen.

Die Intensivstationen sind dadurch zwar wenig betroffen, an den Normalstationen indes hat die Belegung das Niveau der Delta-Welle erreicht. Inklusive all der Begleiterscheinungen, die an der Grenze zur Überlastung auftreten: Operationen würden an den Krankenhäusern schon seit Wochen verschoben, heißt es aus dem Büro Hacker, überdies habe man im Gesundheitspersonal wegen Omikron Ausfälle zu verkraften, im Krankenstand seien derzeit 1.000 Personen.

Ob sich die Lage durch Öffnungsschritte sowie die eher zahnlos exekutierte Impfpflicht dramatisieren wird, bleibe abzuwarten. Laut Modellrechnungen der Stadt wird sich das Infektionsgeschehen erst in der zweiten Märzhälfte nachhaltig entspannen, in den Spitälern ist die Wende nicht vor April zu erwarten.