„Gut, und selbst“-Kampagne
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Gesundheit

Volksbegehren zu psychischer Gesundheit

Mit einer Kampagne und einem Volksbegehren will die Initiative „Gut, und selbst?“ das Thema psychische Gesundheit bei Jugendlichen in den Mittelpunkt rücken. Gefordert wird unter anderem ein Ausbau des Supportpersonals an Schulen.

Der Name der Initiative leitet sich aus der häufig nur pro forma gegebenen Antwort auf die häufige Frage „Wie geht’s dir?“ ab. „Die Antwort muss aber nicht immer ‚Gut, und selbst?‘ sein“, so eine der Initiatorinnen und stellvertretende Obfrau der ÖVP-nahen Schülerunion, Mira Lobnig, am Mittwoch. Man wolle das Thema psychische Gesundheit endlich enttabuisieren.

„Wenn ich Zahnschmerzen habe und deswegen zur Zahnärztin gehe, ist es das Normalste der Welt. Wenn es mir aber psychisch nicht gut geht und ich zum Psychologen gehe, werde ich schräg angesehen“, so Lobnig. Das soll sich grundlegend ändern. „Die psychische Gesundheit darf nichts sein, was wir klein reden oder wofür wir uns schämen. Darüber sprechen, wie über Kopfweh. Betroffenen helfen, wie nach einem Sturz.“

Kampagne zu psychischer Gesundheit

Mit einer Kampagne und einem Volksbegehren will die Initiative „Gut, und selbst?“ das Thema Psychische Gesundheit bei Jugendlichen in den Mittelpunkt rücken. Gefordert werden etwa mehr Sozialarbeiter, Psychologen und Psychotherapeuten an Schulen.

"Nicht jeder braucht eine Psychotherapie“

Die psychische Belastung bei den Jugendlichen sei „wahnsinnig hoch“, sagte Christoph Pieh, Professor für Psychosomatische Medizin und Gesundheitsforschung an der Donau-Uni Krems. Deshalb brauche es einen Masterplan, der sämtliche Bereiche von der Prävention über den ambulanten Bereich bis hin zum stationären Setting umfasse. Dabei müsse aber nicht jedem psychischen Problem mit einer Behandlung entgegengewirkt werden.

Kampagne „Gut und selbst“ mit vielen Jugendlichen mit lachenden Masken auf und Schildern mit Aufschrift: Gut und Selbst?
wien.ORF.at/Doris Manola
Die Initiative “Gut, und selbst?" zum Thema der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ist am Mittwoch gestartet

Besonders wichtig seien auch Früherkennung und Prävention. „Die über zwölf Millionen Euro, die wir vom Bundesministerium ausgeschüttet bekommen haben zur psychischen Gesundheit von Jugendlichen“, seien „eher im schon behandelnden Bereich“ angesiedelt, so Pieh im „Wien heute“-Interview. „Es braucht aber nicht jeder gleich eine Psychotherapie, sondern es gibt viele Abstufungen, und der Schwerpunkt, den diese Initiative setzen möchte , ist der niederschwellige Bereich.“

„Es wird eher schlechter“

Dass die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in der Pandemie schwer gelitten habe, belegten national wie international etliche Studien, mit sehr ähnlichen Ergebnissen, so Pieh weiter. 62 Prozent der Mädchen und 38 Prozent der Burschen weisen eine mittelgradige depressive Symptomatik auf, geht aus einer vorjährigen Studie des Departments für Psychotherapie und Biopsychosoziale Gesundheit der Donau-Universität Krems zur psychischen Gesundheit von Schülerinnen und Schülern hervor.

Rund ein Fünftel der Mädchen und 14 Prozent der Burschen leiden laut der Studie unter wiederkehrenden suizidalen Gedanken leiden. „Die Zahlen sind erschreckend. Wir sehen von den Studien recht klar das Bild und das verändert sich auch nicht seit Beginn der Pandemie, es wird eher schlechter, und ich glaube, jetzt wäre es wichtig in die Aktion zu kommen“, sagt Pieh gegenüber „Wien heute“.

Auch Kathrin Sevecke, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Kinder und Jugendpsychiatrie (ÖGKJP), ortete seit Beginn der Pandemie eine Zunahme von selbstverletzendem Verhalten, Essstörungen sowie Suizidgefährdung bei Jugendlichen. Trotzdem sei die junge Generation keineswegs eine verlorene, betonte Barbara Haid vom Österreichischen Bundesverbands für Psychotherapie (ÖBVP). „Aber sie brauchen Unterstützung, und die brauchen sie jetzt.“

Forderung nach mehr Supportpersonal an Schulen

Diese könne wiederum am besten im Lebensraum der Jugendlichen erfolgen – und das sei nun einmal zu einem großen Teil die Schule. Dazu bedürfe es an mehr Schulsupportpersonal – also Sozialarbeiter, Psychologinnen und Psychotherapeutinnen. Derzeit finden Schülerinnen und Schüler oft nur einmal im Monat einen Schulpsychologen vor.

„Schulsupportpersonal ist deshalb so wichtig, weil Lehrpersonen im Lebensraum Schule nicht alles abdecken können. Verhaltensänderungen, psychische Auffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen können von Professionisten, die in der Schule schon angesiedelt sind, gut erkannt werden“, so Haid gegenüber „Wien heute“.

Hilfe in Krisensituationen:

  • Rat auf Draht: 147
  • Telefonseelsorge: 142
  • Ö3 Kummernummer: 116123
  • Telefonhotline der Schulpsychologie: 0800 211 320
  • Psychosozialer Dienst unter 01-31330
  • Kriseninterventionszentrum unter 01-4069595
  • Online-Beratung von Jugendlichen für Jugendliche: open2chat

Volksbegehren ab 2. Mai

Neben mehr Supportpersonal an Schulen und der Einbindung in die Lehrpläne will die Initiative das Thema Psychische Gesundheit auch in der Lehrerausbildung sowie der Weiterbildung der Pädagoginnen und Pädagogen verpflichtend verankern. Das Thema müsse auch gleich beim ersten Elternabend des Schuljahrs behandelt werden.

Das Volksbegehren kann von 2. bis 9. Mai unterzeichnet werden. Ab 100.000 Unterschriften muss sich das Parlament mit den Anliegen auseinandersetzen. Das Ergebnis dafür setzt sich zusammen aus den bereits gesammelten Unterstützungserklärungen und dann den in der Eintragungswoche abgegebenen Unterschriften. Stimmberechtigt ist, wer am letzten Tag des Eintragungszeitraumes (aktuell am 9. Mai) 16 Jahre alt, nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen und in einer Wählerevidenz eingetragen ist.