Ludwig
APA/Roland Schlager
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Coronavirus

Ludwig: „Hü-Hott-Politik“ des Bundes

Bürgermeister Michael Ludwig, die Bundes-SPÖ und der ÖGB kritisieren die geplanten Änderungen bei Gratis-Tests und Quarantänebestimmungen. Die Regierung sage die Pandemie nun einfach ab.

In Wien sind in den vergangenen 24 Stunden 7.153 neue Infektionen mit dem Coronavirus registriert worden. Das sind um 1.254 mehr als vor einer Woche. Ludwig kündigte angesichts der hohen Infektionszahlen eine genaue Analyse der geplanten Reduktion der Gratis-Tests sowie der neuen Quarantäneregeln an: „Wir werden uns anschauen, was das für uns bedeutet.“ Jedenfalls aber sei dies keine gute Vorbereitung auf den Herbst.

Er sei zwar in der Pandemiebekämpfung immer für bundesweit einheitliche Regeln. Aber „wenn ich das Gefühl habe, dass es auf Kosten der Gesundheit der Wiener Bevölkerung gehen wird, dann werden wir abweichende Maßnahmen setzen“, kündigte Ludwig an. Er wird sich demnächst wieder mit seiner Runde aus Fachleuten beraten.

Ludwig warnte erneut vor Konsequenzen

Während Wien seinen Weg konsequent fortsetze, verfolge die Bundesregierung eine „Hü-Hott-Politik“ und wiederhole immer wieder die selben Fehler. Ludwig verteidigte die Wiener Teststrategie mittels „Alles gurgelt“. Mit ihr seien Infektionsketten rasch durchbrochen und Mutationen rasch erkannt worden. Er beklagte, dass der Bund trotz des sehr gut funktionierenden Testsystems keine Gespräche mit der Stadt geführt habe.

Manche würden nun die Politik des „Durchrauschens“ verfolgen. Dies könne aber massive Konsequenzen auf die jetzt schon sehr stark belasteten Spitäler haben, warnte der Bürgermeister. Es bedeute auch individuelles Leid und massive wirtschaftliche Folgen, weil Menschen mit Long Covid aus dem Arbeitsprozess herausgerissen würden. Auch die Lockerung der Quarantäneregeln könne etwa die Infektionsgefahr am Arbeitsplatz erhöhen, betonte Ludwig.

Reaktionen zu neuen Quarantäne-Regeln

Neben Einschränkungen für die Tests, hat der Bund auch Lockerungen bei den Quarantäne-Bestimmungen ab April für ganz Österreich in Aussicht gestellt. Auch hier ist noch nicht klar, wie Wien das dann tatsächlich umsetzen wird. Eine gemeinsame Linie zu den geplanten Lockerungen gibt es nicht – dafür skeptische Reaktionen von Experten.

Fakten zu CoV-Lage und -Tests in Wien

  • Heute, 15.3.2022, neuer historischer Rekordwert an Patientinnen und Patienten auf Wiener Normalstationen mit 616
  • 530 Mio. Testkosten der Stadt 2021:
    Alles gurgelt 320 Millionen, alle anderen Angebote (Apotheken, Teststraßen etc.) 210 Millionen
  • Wien macht fast 70 Prozent aller CoV-Tests österreichweit
  • In Wien machen 50 Prozent einen Test pro Woche, 26 Prozent zwei, 15 Prozent drei. Neun Prozent machen mehr als drei Tests
  • Eine Million Wienerinnen und Wiener geht jede Woche mindestens ein Mal zum PCR-Test
  • Derzeit sind rund 101.000 Menschen in Wien in Quarantäne
    (Quelle: Stadt Wien)

„Regierung hat Pandemie abgesagt“

Nicht nur Ludwig kritisierte die von Gesundheitsminister Johannes Rauch (ÖVP) verkündeten Änderungen – mehr dazu in Coronavirus: Gratistests bleiben mit Einschränkungen (news.ORF.at). Die Bundes-SPÖ kritisierte ebenso wie der ÖGB scharf die Einschränkung von Gratistests. „Der Chaos-Kurs dieser Regierung im Corona-Management wird nahtlos fortgesetzt“, sagte etwa SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher. Die Bevölkerung leide aktuell unter den höchsten Infektionszahlen seit dem Corona-Ausbruch, aber „die Regierung hat die Pandemie abgesagt“.

Gesundheitsminister Johannes Rauch während einer Pressekonferenz zum Thema „Corona-Teststrategie“ am Dienstag, 15. März 2022, in Wien.
APA/TOBIAS STEINMAURER
„Chaos-Kurs“, „Durchrauschen", Hü-Hott-Politik“: Viel Kritik an Rauchs Pandemie-Plänen

Wieder einmal würden funktionierende Strukturen (der Tests) zerstört. Und wieder einmal seien viele Fragen offen geblieben – etwa was man künftig fürs Testen zahlen muss, wie es in den Schulen weitergeht oder was Arbeitnehmer tun sollen, deren Arbeitgeber regelmäßig Tests verlangt.

Lifebrain wahrscheinlich nicht mehr rentabel

Mitten während eines der Höhepunkte der Pandemie die bestens funktionierende Infrastruktur aufzulösen bzw. zu zerschlagen, sei das Schlechteste, was man tun könne, wetterte Lifebrain-Geschäftsführer Michael Havel gegen ein mögliches Aus. Das Wiener Corona-Großlabor Lifebrain analysiert im Rahmen des Wiener Corona-PCR-Testprogramms „Alles gurgelt“, das vom Bund aus Steuergeldern bezahlt wird, die PCR-Tests.

Lifebrain meldete am Montag 1.200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim Arbeitsmarktservice zur Kündigung an. Jetzt sagte Havel, er wisse überhaupt nicht, wie es weitergehe. Es würde sich aber für das Labor nicht rentieren, wenn es Geld nur pro Test bekomme. Denn es sei davon auszugehen, dass viele diese fünf Tests pro Monat gar nicht in Anspruch nehmen werden. Zahle ihnen die Stadt aber quasi eine Pauschale, könnten sie wie bisher weitermachen und müssten niemanden kündigen.

ÖGB: „Unverantwortliche Entscheidung“

„Es wird nicht mehr möglich sein, am Arbeitsplatz sicher zu sein“, kritisierte denn auch die Leitende Sekretärin des Gewerkschaftsbundes, Ingrid Reischl, die Entscheidungen der Regierung als „unverantwortlich“. Und es werde auch nicht funktionieren, Ausfälle und Personalmangel damit zu kompensieren.

Mit der Einschränkung der Gratistests sei zudem der Zugang zu Einrichtungen mit vulnerablen Gruppen oder der Kontakt mit „Risikogruppen“ und Personen mit kleinen Kindern in Gefahr. Große Probleme im Arbeitsalltag befürchtet Reischl auch, sollte es – was noch unklar ist – in den Schulen keine regelmäßigen Tests mehr geben.

NEOS: „Regierung ohne Strategie“

Ein „blindes Weiterwurschteln“ sieht NEOS in den Maßnahmen der Regierung. Pandemiesprecher Gerald Loacker missfiel vor allem, dass die Gratistests für alle nur „sehr großzügig“ (je fünf PCR- und Antigentests pro Monat) kontingentiert werden. Es sei „ein Hohn“, dass Ungeimpfte nicht einmal einen Kostenbeitrag leisten müssten, kritisierte er, dass weiter die Geimpften allen die Gratistests finanzieren müssten.