Angeklagter in Prozess
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Chronik

Mordversuch: Freispruch ausgesetzt

Im Prozess wegen eines versuchten Mordes ist ein 52-Jähriger am Wiener Landesgericht freigesprochen worden. Das Urteil wurde von den Richtern postwendend ausgesetzt.

Die Geschworenen sprachen den Angeklagten mit 4:4 Stimmen vom Mordversuch frei. Die Geschworenen sahen es zwar als gegeben an, dass der Mann seiner Frau am 19. August 2021 bei der U-Bahn-Station Pilgramgasse aufgelauert und sie mehrfach mit einem Messer attackiert hat. Sie sahen aber hinter dem Angriff keine Tötungsabsicht. Der Angeklagte hatte bei dem Prozess eine Mordabsicht bestritten.

Das Urteil wurde vom Schwurgerichtshof postwendend ausgesetzt. Die Anwältin des Mannes, Astrid Wagner, sah dieses Vorgehen als „sehr fragwürdig“. Für Wagner war vor allem ausschlaggebend, dass die Geschworenen nur über Mordversuch, aber nicht über eine etwaige Körperverletzung urteilen konnten. Dass das Urteil aufgehoben wurde, verurteilte sie. Es sei generell nicht gut für die Geschworenengerichtsbarkeit, wenn „nicht genehme“ Urteile vom Richter gleich wieder ausgesetzt werden können.

Attacke bei U-Bahn-Station

Der 52-Jährige hatte laut Anklage seiner Ehefrau im vergangenen August bei der U-Bahnstation Pilgramgasse aufgelauert und sie mit einem Messer attackiert. Der Schwerverletzten gelang es, sich vom Boden aufzurappeln und davonzulaufen. Der 52-Jährige rannte ihr jedoch hinterher, wobei er der Anklageschrift zufolge schrie, dass er sie umbringen werde. Er verfolgte sie über die Pilgrambrücke in Richtung Linke Wienzeile, wo es dann der Frau gelang, ihn mit Pfefferspray zu besprühen und außer Gefecht zu setzen.

Diesen hatte sie sich nach dem Auszug aus der ehelichen Wohnung und dem Einreichen der Scheidung – sie hatte die permanente Kontrollsucht des Mannes, den sie 2001 geheiratet hatte, nicht mehr ertragen, hieß es – besorgt. Sie befürchtete, dass er die Trennung nicht akzeptieren werde und gewalttätig werden könnte.

In Wohnung eingesperrt

Bereits kurz nach der Heirat soll der Angeklagte seine enorme Eifersucht an den Tag gelegt haben. Der Mann soll regelmäßig das Handy der Frau zur Kontrolle gefordert haben. Zudem soll er verlangt haben, dass sie ihm immer Bescheid geben soll, wohin sie ging und mit wem sie sich traf. Das Ganze ging so weit, dass der 52-jährige Mann bereits im Jahr 2001 seine Frau für drei Tage in der Wohnung eingesperrt haben soll, weil er zu einer Beerdigung nach Serbien musste, heißt es in der Anklageschrift.

Im Jahr 2004 unterstellte er der 45-Jährigen ein Verhältnis mit ihrem Stiefsohn. Das soll dann den Bruch mit seinen beiden Kindern aus der ersten Ehe zur Folge gehabt haben. Dieses Kontrollverhalten soll in der Pandemie noch weiter zugenommen haben, sodass die 45-Jährige am 16. Juni 2021 die Trennung aussprach und die gemeinsame Wohnung verließ.

SMS mit Drohungen

Wochenlang soll er die Frau mit SMS bombardiert haben, sie möge doch zu ihm zurückkehren. Zunächst noch als Bitte formuliert, wurden die Nachrichten laut Anklage immer bedrohlicher, etwa: „Für alles, was du mir gemacht hast, wird meine Rache schmerzhafter sein.“ Im August soll der Mann laut Staatsanwaltschaft dann den Entschluss gefasst haben, die Frau zu töten und sich danach in seine Heimat Serbien abzusetzen.

Mit dem in eine Zeitung gewickelten Messer soll er am 19. August zur Pilgramgasse gefahren und auf seine Frau gewartet haben. Beim Angriff wurden keine Organe verletzt. Auch das beherzte Eingreifen der Passanten half, der Frau das Leben zu retten. „Es geht mir schlecht, ich habe Schlaf- und Essstörungen und habe zwölf Kilo abgenommen“, sagte die 45-Jährige im Prozess.

Wahnhafte Störung

Nach der Tat gab der Mann an, er habe seine Frau mit dem Messer nur erschrecken wollen, zudem sei er von den Passanten geschlagen worden. Bei seinem Geschworenenprozess am Dienstag bestritt der Mann jede Tötungsabsicht. „Ich wollte sie erschrecken“, sagte er bei seiner Einvernahme. Er könne sich auch nicht in Details an die Tat erinnern, da er von einem Passanten einen Schlag auf den Kopf erhalten hätte.

In dem psychiatrischen Gutachten beschied der Sachverständige Siegfried Schranz dem Angeklagten zwar eine wahnhafte Störung. Diese sei allerdings nicht derartig ausgeprägt, dass seine ganze Persönlichkeit dadurch betroffen wäre. Auch beim Tatzeitpunkt konnte er zwischen Recht und Unrecht unterscheiden.