Christoph Wenisch
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Coronavirus

Wenisch: „Herdenimmunität war Irrglaube“

Der Wiener Infektiologe Christoph Wenisch hat keine Hoffnung mehr, dass es irgendwann Herdenimmunität gegen das Coronavirus geben könnte. Das sei ein Irrglaube gewesen, sagte er „Bei Budgen“. Zudem kritisierte Wenisch den Gesundheitsminister als „taumelnd“.

„Die Herdenimmunität ist virologisch eh immer angezweifelt worden, aber jetzt ist sie tot“, sagte Wenisch. Auf einem Infektionskongress hätten die Virologen das zuletzt mit der schnellen Veränderung der Virusvarianten erklärt. Das Coronavirus verändere sich viel zu schnell, als dass sich ein signifikanter Anteil der Bevölkerung mit einer Variante infizieren könne.

Rauch bei Gesundheit „noch nicht so fit“

Sehr kritisch sieht der an der Klinik Favoriten tätige Infektiologe die aktuellen Verordnungen des neuen Gesundheitsministers Johannes Rauch (Grüne) – etwa Lockerung von Absonderungsregeln für Infizierte. Damit können nun noch ansteckende Menschen auch in den Spitälern arbeiten, zumindest in einigen Bundesländern, Wien setzt diese Regelung nicht um.

Langfassung: Infektiologe Wenisch zur Lage in Spitälern

Das AKH hat Operationen auf Notfälle und absolut dringliche Fälle beschränkt. Grund sind Personalausfälle. Infektiologe Christoph Wenisch von der Klinik Favoriten schildert die Lage in anderen Spitälern.

Schon Ignaz Semmelweis habe gezeigt, was passiere, wenn kranke Ärzte Krankheiten übertragen, betonte Wenisch: „Es ist aus medizinischen Gründen, sozialen Gründen und Wertehaltung unzulässig und unmöglich, dass man als Kranker zu Kranken geht.“

Der Gesundheitsminister sei zwar „ein super Politiker“, aber beim Thema Gesundheit „ist er halt noch nicht so fit“, konstatierte Wenisch. „Er kommt mir irgendwie noch so taumelnd vor.“ Er sei mit dem gesamten Gesundheitsministerium grundsätzlich nicht zufrieden und sei froh, dass man in Wien einen eigenen Weg gehen könne. Für die Gesamtsituation in Österreich sei das jedoch ein Problem, weil eine gute Zusammenarbeit wichtig wäre.

Wenisch für „Entschleunigung“ bei Maßnahmen

Wenisch plädierte für eine „gewisse Entschleunigung“ bei den CoV-Maßnahmen. Wenn eine Maßnahme länger gelten würde, würde man sich auch oft daran gewöhnen – auch wenn man sie vielleicht nicht möge. Die raschen Änderungen würden hingegen für Verwirrung sorgen.

Die Lage in den Wiener Spitälern schilderte der Infektiologe als angespannt. „Es ist ein großes Problem, dass jetzt so viele von den MitarbeiterInnen krank werden.“ Allerdings sei die Situation in den Krankenhäusern des Wiener Gesundheitsverbundes einfacher als beispielsweise im sehr spezialisierten AKH – weil man sich leichter gegenseitig aushelfen könne. Auch in ländlichen Spitälern sei die Lage durch die Distanzen schwieriger. Im AKH gibt es derzeit einen Notbetrieb bei den Operationen.

Selbstkritik zu „Weihnachtsgeschenk“-Sager

Die CoV-Kranken auf den Normalstationen könne man derzeit meist sehr rasch und gut behandeln, schilderte der Mediziner. Oftmals würde die Infektion eine bestehende Vorerkrankung verschlechtern, etwa eine Herzschwäche. Meist dauere die Behandlung fünf bis sechs Tage, so Wenisch. Das gelte jedoch nur für geimpfte Personen. Bei den Ungeimpften sehe man nach wie vor schwere Lungenentzündungen und Beatmungen.

Selbstkritisch gibt sich Wenisch „Bei Budgen“ in Bezug auf seine Aussage im Dezember, die Omikron-Variante könnte ein „Weihnachtsgeschenk“ sein. Er habe niemanden beleidigen wollen, entschuldigte sich Wenisch, es sei positiv gemeint gewesen: „Dass man sagt: Vielleicht sind wir jetzt damit durch, milder Verlauf, viele haben die Immunität – und dann kommt nichts Schlimmes mehr nach.“ Ob das stimme, werde der nächste Winter zeigen – eine Prognose wollte Wenisch hier jedoch nicht wagen.