Chronik

Salzsäure ins Auge getropft: Vier Jahre Haft

Ein 41-jähriger Mann, der in versicherungsbetrügerischer Absicht einer Frau Salzsäure ins Auge geträufelt und drei Wochen später auch noch einen Daumen abgehackt haben soll, ist am Dienstag am Wiener Landesgericht zu vier Jahren unbedingter Haft verurteilt worden.

Der gebürtige Rumäne nahm den Schuldspruch wegen Menschenhandels, absichtlicher schwerer Körperverletzung und zahlreicher weiterer Delikte mit stoischer Ruhe zur Kenntnis. Nach Rücksprache mit seiner Rechtsvertreterin erbat der bisher Unbescholtene Bedenkzeit.

Der Staatsanwalt, der im Schlussvortrag eine „harte Strafe“ verlangt hatte („Das ist mir hier noch nie untergekommen, dass aus reiner Geldgier jemandem solche Verletzungen zugefügt werden“), gab vorerst keine Erklärung ab. Das Urteil ist damit nicht rechtskräftig.

Frau wollte bessere Existenz aufbauen

Die 57-jährige Bulgarin war im Frühjahr 2017 nach Wien gekommen, um sich eine bessere Existenz aufzubauen. Stattdessen geriet sie in die Fänge des mutmaßlichen Menschenhändlers, der die Frau zunächst für sich arbeiten ließ. Dann schloss er ohne Wissen der Frau, die der deutschen Sprache nicht mächtig ist und die weder lesen noch schreiben kann, mehrere Unfallversicherungen ab.

Nachdem er sie eine Zeit lang für diverse Tätigkeiten eingesetzt hatte, mit denen er Geld verdiente – dabei handelte es sich der Staatsanwaltschaft zufolge weitgehend um betrügerische Machenschaften –, soll er im Juni 2018 die Frau gezwungen haben, sich im Badezimmer auf den Boden zu legen, um ihr das linke Auge zu verätzen. Danach brachte er sie ins Spital und behauptete, beim Putzen wäre ihr Reinigungsmittel ins Auge gelangt.

Mann kassierte Versicherungen

Der Angeklagte verfügte dem erstinstanzlichen Urteil zufolge über eine Zeichnungsberechtigung für das im Namen der Frau abgeschlossene Konto und kassierte die Versicherungsleistung für den vermeintlichen Unfall – rund 30.000 Euro.

Drei Wochen später soll der 41-Jährige mit der Bulgarin nach Ungarn gefahren sein, wo er sie gemeinsam mit einem der Justiz noch unbekannten Mittäter an eine Tür gefesselt und ihr den Daumen der linken Hand abgehackt haben soll. Das deklarierte er dann als Arbeitsunfall, wofür er von drei Versicherungen insgesamt 25.000 Euro kassierte.

Angeklagter spricht von Unfällen

Der Angeklagte räumte vor dem Schöffensenat ein, Bestellbetrügereien begangen zu haben. Die Hauptvorwürfe stellte er in Abrede. Er habe der Frau „geholfen, damit die ein Geld verdient“. Er habe sie zunächst Zettel verteilen lassen. Auf Bitte ihres Freundes habe er sie versichert, „weil sie tollpatschig ist, wenn sie sich bewegt“.

Er habe sie für Reinigungsarbeiten herangezogen, behauptete der Angeklagte. Im Zuge dieser Tätigkeit habe sie sich eines Tages ohne fremdes Verschulden wehgetan. In Ungarn sei er mit der Frau nie gewesen. Sie habe sich mit ihrem Lebensgefährten dorthin begeben und sich bei Gartenarbeiten den Daumen abgetrennt. Auch das sei ein Unfall gewesen.

Weitere Drohungen und Übergriffe

Weitere, von der Anklage mitumfasste Fakten – einen Faustschlag ins Gesicht, einen ausgeschlagenen Zahn, Drohungen mit dem Umbringen, wenn die Frau nicht parierte – stellte der Angeklagte ebenfalls in Abrede. Mit seiner Verantwortung zog der 41-Jährige bei Gericht am Ende den Kürzeren. „Sie werden niemanden finden, der Ihnen das glaubt. Und wir haben es auch nicht getan“, beschied ihm der vorsitzende Richter.