Menschen vor Gerichtssaal
ORF
ORF
Chronik

Bekannter des Wien-Attentäters verurteilt

Ein mittlerweile 17-jähriger Bekannter des Attentäters von Wien ist am Mittwoch als Mitglied einer terroristischen Vereinigung und einer kriminellen Organisation verurteilt worden. Ein Schöffensenat verhängte zwölf Monate Haft, zwei Monate davon unbedingt.

Der Jugendliche war wenige Stunden nach dem Terror-Anschlag – wie zahlreiche weitere Personen aus dem Umfeld des Attentäters – festgenommen worden. Man hielt eine Beitragstäterschaft für möglich, gegen mehrere Bekannte des von der Polizei erschossenen Attentäters stand bzw. steht der Verdacht im Raum, sie könnten diesen im Vorfeld des Anschlags unterstützt haben. Der Attentäter hatte im November 2020 in der Wiener Innenstadt vier Menschen ermordet und weitere 23 verletzt.

Kein Hinweis auf Tatbeitrag

Im Fall des 17-Jährigen war eine Beitragstat – zumindest bisher – nicht nachweisbar. In der Anklage fand sich kein Hinweis auf einen unmittelbaren oder indirekten Tatbeitrag. Die Staatsanwältin verwies allerdings darauf, dass der Bursch Mitte Juli 2020 an einem Dschihadisten-Treffen in Wien teilgenommen hatte, zu dem mehrere Radikal-Islamisten aus dem benachbarten Ausland angereist waren. Auch der spätere Attentäter war an diesem mehrtägigen, mutmaßlich konspirativen Treffen beteiligt. Bis zum Oktober stand der Attentäter über Instagram und Telegram in Kontakt mit dem 17-Jährigen. Sie besuchten auch dieselbe Moschee im achten Wiener Gemeindebezirk.

Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Bursch längst der radikal-islamistischen Terror-Miliz „Islamischer Staat“ (IS) angeschlossen. Bis zu seiner Festnahme stand er in Verbindung mit Gleichgesinnten in anderen Ländern und teilte mit diesen IS-Propaganda in Form von Videos, Bildmaterial und Nasheeds (religiöse Kampfgesänge, Anm.), was er nun vor Gericht auch zugab. Ausschlaggebend dafür sei sein älterer Bruder gewesen, gegen den bereits seit 2019 wegen terroristischer Vereinigung ermittelt werde, berichtete der Verteidiger. Dieser habe dem Jüngeren als Vorbild gedient.

Angeklagter verweigerte Aussage

Der Angeklagte selbst machte von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Nachdem er sich schuldig bekannt hatte, hüllte er sich in Schweigen und beantwortete keine Fragen. Das Wiener Oberlandesgericht (OLG) hatte im vergangenen Frühjahr seiner Haftbeschwerde Folge gegeben, so dass der damals 16-jährige Schüler nach mehr als fünfmonatiger U-Haft wieder auf freien Fuß kam.

Alle Stellen, die seither mit ihm befasst waren – Derad, der Verein Neustart und eine Beratungsstelle für Extremismus – waren jetzt in der Verhandlung voll des Lobes für den Jugendlichen. Er habe alle Termine eingehalten, eine Lehrstelle als IT-Techniker gefunden und sich dabei gegen zahlreiche Konkurrenten durchgesetzt. Die Betreuung verlaufe „bilderbuchmäßig“, sagte der Bewährungshelfer. Der Prozess der Deradikalisierung verlaufe vielversprechend, hieß es seitens Derad. Dessen Vertreter bescheinigte dem Angeklagten eine „äußerst positive Entwicklung“.

Löschte nach Attentat Daten auf seinem Handy

Fest steht, dass der Bursch am 2. November 2020 um 20.51 Uhr – nicht einmal eine Stunde, nachdem der Attentäter von der Polizei getötet worden war – sein Handy auf die Werkeinstellungen zurücksetzte und im Keller seines Wohnhauses versteckte. Als es bei einer Hausdurchsuchung dort sichergestellt wurde, weigerte er sich beharrlich, den Zugangscode bekannt zu geben, so dass es nicht entsperrt werden konnte.

Laut Staatsanwältin konnten die Daten nicht wiederhergestellt werden. Das Beweismaterial, auf dem ihre Anklage fußte, fand sich auf anderen Datenträgern. Es gibt auch Hinweise, dass sich der Bursch noch am Tag des Anschlags über einen Messenger-Dienst mit dem Attentäter unterhalten haben dürfte. Zu sämtlichen Verdachtsmomenten hat sich der Jugendliche nie geäußert, obwohl er in den Wochen und Monaten nach dem Attentat oft mehrmals wöchentlich von Ermittlern und Verfassungsschützern aufgesucht und zu einer Beschuldigteneinvernahme vorgeführt wurde.

Urteil ist nicht rechtskräftig

Bei einer Strafdrohung von bis zu fünf Jahren verhängte ein Schöffensenat zwölf Monate Haft, davon zwei Monate unbedingt. Den Rest der Strafe bekam der bisher unbescholtene und umfassend geständige Bursch unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen. Außerdem wurde Bewährungshilfe angeordnet. Per Weisung wurde der 17-Jährige verpflichtet, sein Programm zur Deradikalisierung bei der NGO Derad fortzusetzen sowie die weiteren Termine bei einer Beratungsstelle für Extremismus einzuhalten. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.