Anschober bei Budgen
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Politik

Anschober: „Keine Aussprache mit Kurz“

Fast auf den Tag genau vor einem Jahr ist Rudolf Anschober (Grüne) als Gesundheitsminister zurückgetreten. In seinem neuen Buch „Pandemia“ beschreibt er das erste Pandemiejahr aus seiner Sicht. Im „Wien heute“-Interview erzählt er, warum es noch keine Aussprache mit Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gab.

Für seinen Rücktritt am 13. April 2021 war vor allem seine Gesundheit ausschlaggebend, sagte Anschober damals. „Eine Pandemie kannst du nicht mit sechzig Prozent deiner Kraft managen, sie verlangt alles von dir und oft noch mehr“, schreibt er in seinem Buch „Pandemia“. Er hätte wegen eines Tinnitus teilweise die Fragen der Journalistinnen und Journalisten bei Pressekonferenzen nicht mehr verstanden. Auch sein Blutdruck und der Zuckerwert sind viel zu hoch.

Keine Abrechnung

Ein Jahr später ist er wieder fit. „Ich habe durchgeatmet, durchgeschlafen, mir Zeit gegeben. Nach ein paar Monaten hab ich gemerkt, ich bin wieder der Alte“, erzählte er in „Wien heute“. Daraufhin widmete er sich dem Buchschreiben. Darin gibt er Einblicke und Aussichten auf die Coronavirus-Krise in unterschiedlichen Lebensbereichen. Eine Abrechnung ist es nicht geworden, sagt der Ex-Minister in Interviews.

„Ich habe es keinen einzigen Tag bereut. Ich habe auch extrem viele freundliche Rückmeldungen bekommen, das war sehr stärkend“, zieht er in „Wien heute“ ein Resümee zu seinem Rückzug aus der Politik. Das Buch sieht er als einen Prozess der Aufarbeitung. Aufarbeitung mit seinem damaligen Kanzler, Sebastian Kurz (ÖVP), habe es bisher nicht gegeben.

Bei Budgen: Rudolf Anschober

„Die nächsten Wochen werden entscheidend sein.“: Mit diesem Satz ist Rudolf Anschober berühmt geworden. Am Beginn der Pandemie war der Grün-Politiker Gesundheitsminister, bis ihn seine Kräfte verließen. Der 61-Jährige hat jetzt ein Buch über diese Zeit geschrieben. Darüber spricht er bei Patrick Budgen.

In einem Interview hatte Anschober gesagt, er würde sich gerne mit ihm auf einen Kaffee treffen. Das sei bisher nicht zustande gekommen, „aber wir sind ja nicht als Feinde auseinander gegangen. Sondern als Menschen, die aus zwei unterschiedlichen politischen Lagern gekommen sind, wo es natürlich Meinungsverschiedenheiten gegeben hat.“

„Osterruhe“ als „Etikettenschwindel“

Ganz konnte sich Anschober nach seinem Rücktritt nicht aus der Pandemiepolitik raushalten. Auf Twitter lieferte er immer wieder Wortmeldungen zu aktuellen Entwicklungen. „Ich habe immer zuerst mit dem betroffenen Minister gesprochen und hab nie eine Pressekonferenz oder eine Mediengeschichte gemacht. Aber dass ich auf Twitter meine Meinung völlig verberge, das ist schwierig.“

In „Wien heute“ fand er dann noch zusätzlich Lob für den Wiener Weg bei den CoV-Maßnahmen. „Ich unterstütze das absolut und weiß, dass der Bürgermeister sich diese Entscheidungen nicht leicht gemacht hat. Ich finde das gut, dass er den Experten zuhört und auch glaubt. Und wir haben vor einem Jahr diesen sogenannten Osterlockdown, die ‚Osterruhe‘ gehabt. Das war ein Etikettenschwindel. Das war ein Hineinstolpern. Zuerst waren es nur ein paar Tage, und dann haben wir ihn ausgedehnt.“

Das Buch von Rudolf Anschober Pandemia
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In seinem Buch schreibt Anschober über seine Erfahrungen bei der Pandemiebewältigung

„Wir öffnen zu schnell“

Zu den aktuellen bundesweiten Regeln meinte er. „Wir machen immer den Fehler, dass wir zu schnell öffnen, das war auch in meiner Zeit so. Das ist ja nichts Böses, aber wenn wir zu schnell öffnen, dann rächt sich das immer, weil die nächste Welle dann früher kommt.“ Für den Herbst sei eine gesamteuropäische Strategie wichtig, so Anschober.

Am Mittwoch steht der erste Jahrestag seines Rücktritts an. Für ihn werde das ein spezieller Tag, sagte der Ex-Minister. „Da gibt’s ein extra schönes Essen zu Hause bei mir mit meiner Partnerin. Auf das freue ich mich, wir werden darüber reden, was hat sich in diesem Jahr getan, wie ist es zu dieser Entscheidung gekommen. Ich weiß, dass das auch uns in der Beziehung gutgetan hat.“