++ ARCHIVBILD ++ ANDREAS OROZCO-ESTRADA TRITT ALS CHEFDIRIGENT DER WIENER SYMPHONIKER ZUR†CK
APA/Robert Jäger
APA/Robert Jäger
kultur

Symphoniker-Chefdirigent zurückgetreten

Der kolumbianische Dirigent Andres Orozco-Estrada tritt mit sofortiger Wirkung als Chefdirigent der Wiener Symphoniker zurück. Grund seien langanhaltende Differenzen mit dem Intendanten des Orchesters, sagte seine Künstleragentur.

Die Differenzen seien „unüberwindbar“ und trotz kontinuierlicher Versuche „nicht aus dem Weg zu räumen“. Er hatte die Position seit der Saison 2020/2021 inne, der bis Mitte 2025 laufende Vertrag wäre nicht verlängert worden.

Orchester und Dirigent sehen der Mitteilung zufolge „keine weitere gemeinsame künstlerische Basis für eine längerfristige Zusammenarbeit“. Gleichzeitig drückte der Dirigent seine Dankbarkeit „für die bis jetzt gemeinsam erlebten Momente und das Vertrauen der Stadt Wien“ aus. Den Wiener Symphonikern wünschte der 44-Jährige für die zukünftige Arbeit alles Gute.

Vertrag wurde nicht verlängert

Der Rücktritt sei eine Folge dessen, dass der Vertrag von Orozco-Estrada nicht über die Spielzeit 2024/25 verlängert wurde, hielten wiederum die Wiener Symphoniker in einer Reaktion fest. Das sei kürzlich vom Orchester beschlossen worden. Den Rücktritt Orozco-Estradas bedauere man „außerordentlich“, so Intendant Jan Nast. Man hätte „die Zusammenarbeit gern bis zum Ende seiner offiziellen Amtszeit fortgesetzt. Gemeinsam mit ihm hatten wir bereits großartige Projekte entwickelt und geplant.“

Die Musikerinnen und Musiker der Orchesterversammlung hätten sich Ende März gemäß den Statuten gegen eine Vertragsverlängerung ausgesprochen, dieser Entscheidung seien Nast sowie Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) gefolgt. „Wir werden als Orchester nun in Ruhe überlegen, wie wir mit den geplanten Konzerten mit Andres Orozco-Estrada umgehen“, so Nast weiters.

Die beiden Osterkonzerte der Symphoniker wird jetzt Markus Poschner, Chefdirigent des Bruckner Orchesters Linz, übernehmen. Die Konzerte finden am Samstag, den 16. April, und Sonntag, den 17. April, im Wiener Musikverein statt, das Programm bleibt unverändert.

Intendant bedauert Rücktritt

Die von Orozco-Estrada angeführten Differenzen stellte der Symphoniker-Intendant indes in Abrede. „Da wir in den letzten Jahren konstruktiv mit vielen Dirigentinnen und Dirigenten zusammengearbeitet haben, werden die kommenden Konzerte – besonders ‚Frühling in Wien‘ – wie geplant stattfinden. Ich bedauere sehr, dass Andres Orozco-Estrada sein Orchester so kurz entschlossen verlässt.“

Was die Nachfolge von Orozco-Estrada als Chefdirigent und künstlerischen Leiter betrifft, meinte Nast auf APA-Nachfrage: „Wir haben Zeit. Man muss zuerst den Markt sondieren. Es ist wichtig, dass es eine Beziehung zwischen Orchester und Dirigent gibt, das muss eine große Verliebtheit sein.“ Diesen Prozess dürfe man „nicht forcieren“. Ob eine Entscheidung nächstes oder übernächstes Jahr getroffen werde, könne er aktuell noch nicht sagen. „Es ist jedenfalls eine Entscheidung mit dem Orchester.“

Wiener Symphoniker am Podium des Großen Saales im Wiener Konzerthaus
Stefan Oláh
Wiener Symphoniker auf dem Podium des Großen Saales im Wiener Konzerthaus

Dirigentenausbildung in Wien

Geboren wurde Orozco-Estrada am 14. Dezember 1977 im kolumbianischen Medellin. 1997 kam er zum Studium nach Wien, nach seinem Abschluss sammelte der junge Dirigent schnell Erfahrung mit der Führung großer Orchester und stand von 2005 bis 2009 dem Grazer Orchester recreation vor, bevor er 2009 den Posten des Chefdirigenten beim Tonkünstlerorchester Niederösterreich antrat.

Der internationale Karrieresprung erfolgte dann 2014, als der damals 37-jährige Chefdirigent des hr-Sinfonieorchesters in Frankfurt und des Houston Symphony Orchestra wurde. Am Pult der Symphoniker debütierte Orozco-Estrada 2006, bevor er schließlich zum Nachfolger von Philippe Jordan als Chefdirigent und künstlerischer Leiter der Symphoniker bestellt wurde. Dieses Engagement hat nun ein vorzeitiges Ende gefunden.

Kritik an CoV-Finanzhilfen für Orozco-Estrada

Im Vorjahr hatte es Kritik an CoV-Finanzhilfen für Orozco-Estrada gegeben. Dazu hatte er festgehalten, dass er „wie jeder andere Veranstalter und freischaffende Künstler auch“ um Unterstützung angesucht habe. Die Höhe von 211.000 Euro habe sich nach seinen Einkünften 2019 gerichtet, er habe darauf keinen Einfluss gehabt. Von Behördenseite sei ihm zugesichert worden, alles richtig gemacht zu haben. Über die daraus entstandene Diskussion hatte er sich „traurig und enttäuscht“ gezeigt.