Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) am Mittwoch, 01. Dezember 2021, im Rahmen einer Pressekonferenz zum Thema „Ergebnis Klimacheck ASFINAG-Bauprogramm/Lobautunnel“
APA/Herbert Neubauer
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KLIMA & UMWELT

Lobautunnel: „Ministerklage möglich“

Im Streit um den Lobautunnel fordert die Wirtschaftskammer Wien (WKW) die Rücknahme des Baustopps. Verfassungsjurist Heinz Mayer schließt sogar eine Klage gegen Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) nicht aus.

Mayer hält eine Ministerklage gegen Gewessler für möglich, sollte diese eine Weisung an die Asfinag zur Einstellung des Baus erteilt haben. Eine solche Weisung des Ministeriums an die Asfinag ist laut Mayer nicht möglich und rechtswidrig. „Das letzte Wort hat nicht ein Verwaltungsorgan, sondern der Gesetzgeber“, so der Verfassungsexperte. „Sollte belegt werden, dass eine solche Weisung ergangen ist, hätte das eine Ministerklage und in weiterer Folge auch zivil- und strafrechtliche Folgen.“

Auch die Argumentation Gewesslers, dass das Projekt alt und nicht mehr zeitgemäß sei, ist laut Mayer „irreführend“ und „falsch aus rechtlicher Sicht“. 2015 habe das Umweltministerium und 2018 das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidungen auf Basis der damals aktuellen Sachlage getroffen. Änderungen im Sachverhalt, die es bis dahin gegeben habe, hätte das Gericht mitberücksichtigen müssen und „hat es auch berücksichtigt“, so Mayer. „Das Projekt ist also am Stand von 2018.“

Rechtlich „keine Möglichkeit“ für Baustopp

Ein zweites Gutachten stammt vom Experten für Gesellschaftsrecht Jörg Zehetner. Er betonte darin, dass eine Weisung der Ministerin gegen eine Aktiengesellschaft „aktienrechtlich unzulässig“ und zudem inhaltlich gesetzeswidrig sei. Denn es bestehe eine rechtliche Verpflichtung, die Straße zu bauen. „Mit der Aufnahme einer Straße in das Bundesstraßengesetz ist eine klare Entscheidung getroffen worden, dass die Straße zu errichten ist“, betonte auch Mayer.

Zum derzeitigen Zeitpunkt setze sich die Ministerin aber über das Gesetz hinweg. „Im Prinzip, in der Sache, ist der Tunnel seit dem Jahr 2018 rechtskräftig genehmigt, Beschwerden an Höchstgerichte blieben erfolglos.“ Rechtlich könne das Projekt also nicht abgesetzt werden. Wenn Gewessler sage, dass der Tunnel nicht komme, „handelt sie außerhalb ihrer Zuständigkeit“, so Mayer weiter. Sollte sie das Gesetz ändern wollen, könne das nur der Gesetzgeber tun, nicht aber eine Ministerin, sagte Zehetner.

Kann Gewessler Baubeschluss ignorieren?

Alle Interessen zum Lobautunnel seien bereits ausführlich abgewogen worden, betonte auch der Präsident der WKW, Walter Ruck. Jetzt gehe es nur noch darum, ob sich ein Mitglied der Exekutive über einen Beschluss des Nationalrats und über höchstgerichtliche Urteile hinwegsetzen könne. Darüber zu entscheiden sei aber nicht seine Aufgabe, sondern die des Nationalrates, der einen Misstrauensantrag stellen oder eine Ministerklage einreichen könne.

Der Lobautunnel könne jedenfalls nicht „von heute auf morgen vom Tisch gewischt werden“, so Ruck. Neben der rechtlichen Grundlage fehle dafür auch das Einvernehmen mit dem Finanzministerium (BMF). Ruck fordert daher von Asfinag-Aufsichtsrat, dass der Baustopp zurückgenommen wird.

Bürgermeister Ludwig fühlt sich bestätigt

Die neuen, nun präsentierten Erkenntnisse würden die Meinung und die Rechtsauffassung der Stadt Wien eindeutig bestätigen, sagte Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ). Er zählt ja ebenfalls zu den Verfechtern des Umfahrungs-Lückenschlusses. Es werde einmal mehr klargestellt, dass die Entscheidung von Ministerin Gewessler ohne taugliche Rechtsgrundlage getroffen worden sei.

Bereits der Umstand der „völligen Intransparenz des Entscheidungsprozesses“ habe den Eindruck entstehen lassen, dass es sich um eine willkürliche Entscheidung der Ministerin gehandelt habe, beklagte Ludwig. Man sei lediglich über die Absage des Projektes informiert worden.

Auch bei der Wiener ÖVP und FPÖ sieht man die präsentierten Gutachten positiv. FPÖ-Verkehrssprecher Christian Hafenecker begrüßte zudem die von der WKW ins Spiel gebrachte Ministeranklage gegen Gewessler.

Auch Niederösterreich sieht Standpunkt bestätigt

Das Rechtsgutachten bestätige einmal mehr den Standpunkt, den sowohl das Land Niederösterreich als auch die Stadt Wien seit Beginn der Diskussion vertreten würden, reagierte Mobilitätslandesrat Ludwig Schleritzko (ÖVP) aus St. Pölten. Die Vorhaben seien im geltenden Bundesstraßengesetz verankert, daher sei die Ministerin verpflichtet, diese auch umzusetzen. Aus der Sicht des Landes seien die Erkenntnisse des Rechtsgutachtens ein weiterer klarer Auftrag an Gewessler, „die Projekte im Interesse der betroffenen Regionen endlich anzupacken“, betonte Schleritzko.

Mobilitätswende und Öffi-Ausbau als Alternativen

Kritik zu den vorgelegten Rechtsgutachten kam von den Grünen und Umweltschützern. „Die Stadt Wien hat Klimaziele und diese sind mit dem Lobautunnel nicht in Einklang zu bringen. Wer also nun gegen die Absage des Lobautunnels klagt, klagt gegen das Pariser Klimaabkommen,“ sagte Peter Kraus, der Parteivorsitzende der Grünen in Wien. „Moderne Standortpolitik geht anders“, hieß es zudem von Greenpeace. Laut Global 2000 brauche es keinen Lobautunnel, sondern eine „ökologische und sozial gerechte Mobilitätswende und einen schnellen Ausbau von bequemen und zuverlässigen Öffi-Verbindungen“.

„Die Wirtschaftskammer setzt ihre ganze Macht ein, um Klimaschutz zu blockieren“, monierten auch die Aktivistinnen und Aktivisten von „Lobaubleibt“. Von dem Bau würden große Baufirmen wie Strabag und Porr profitieren, während kleine Selbständige und lokale Betriebe nichts von dem Tunnel hätten. „Wir sind auf lokale Wertschöpfung und kurze Wege angewiesen, nicht auf eine Autobahn, die den Transitverkehr nach Wien holt.“