Eine Visualisierung des Projektes
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Wirtschaft

KI, AR & Co.: Baueinreichung wird digital

Die Stadt Wien arbeitet mit Projektpartnern an einer Möglichkeit, digital Bauprojekte einzureichen. Damit soll die Verfahrensdauer halbiert und Bauverhandlungen für Anrainer verständlicher werden – durch Künstliche Intelligenz (KI) und Augmented Reality (AR).

„Es müssen sich reale Personen diese Pläne, wie auch vor 100 Jahren schon, manuell ansehen und müssen die technische und die rechtliche Beurteilung vornehmen.“ So beschreibt Bernhard Gutternigh, der stellvertretende Leiter der Wiener Baupolizei, die aktuelle Arbeit seiner Abteilung. Pläne können zwar digital eingereicht werden, der einzige Unterschied zu einer analogen Einreichung ist aber, dass die Pläne als PDF-Datei vorliegen – der Inhalt sind dieselben zweidimensionalen Planzeichnungen.

Drei Säulen

Das soll BRISE ändern. BRISE steht für Building Regulations Information for Submission Envolvement und ist ein Projekt der Stadt Wien gemeinsam mit zahlreichen Projektpartnern. Mit dem geplanten System werden Bauunterlagen künftig digital eingereicht und auch digital überprüft. Die Idee für die Umsetzung gab es laut Gutternigh schon 2016. Seit eineinhalb Jahren wird an der Umsetzung gearbeitet, damit Baubewilligungen künftig schneller ausgestellt werden können.

Eine Visualisierung zeigt die Pläne für das Sophienspital
Schreiner Kastler
Visualisierungen – wie hier im Sophienspital – sind häufig Teil von Präsentationen, künftig soll auch das 3-D-Modell abrufbar sein

Das System baut auf drei Säulen auf, erklärt er im Interview mit wien.ORF.at. Die Einreichung selbst erfolgt nicht mehr als PDF oder Papier, sondern im openBIM-Format. Die Bewertung übernimmt in einem ersten Schritt nicht der Mensch, sondern die Maschine. Und die Bauverhandlungen finden künftig mit dreidimensionalen Modellen statt, bedingt durch die digitale Einreichung.

Informationen im Einreichungsmodell gespeichert

Aber der Reihe nach. OpenBIM ist ein Dateityp, mit dem sich Daten und Informationen unkompliziert austauschen lassen. Zusätzlich zu dem 3-D-Modell finden sich da etwa Informationen zu physikalischen Kennwerten, Brandschutzeinrichtungen oder auch, ob eine Fassadenbegrünung geplant ist. Die Einreichung in dieser Form ist zwingend notwendig, damit die beiden weiteren Komponenten von BRISE funktionieren.

Die KI kann nämlich nur dann feststellen, ob alle baurechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Dazu zählt etwa, wie der Bebauungsplan am geplanten Ort aussieht: Darf etwa eine Fassadenbegrünung überhaupt errichtet werden, wie hoch darf ein Haus werden und müssen bestimmte Bebauungsbegrenzungen eingehalten werden.

Mensch stellt Bewilligung aus

Eine Baubewilligung auf Knopfdruck wird es aber nicht geben, sagt Gutternigh. „Wir haben natürlich versucht, sehr viel hier zu entwickeln, aber die gesamte Bauordnung und die Nebengesetze, die ist so umfangreich und so komplex und ineinander verwoben, dass es natürlich immer wieder Fälle geben wird, wo ein Mensch dann sagen muss: Ja, so werde ich das anerkennen.“

Der Computer bewertet die Parameter mit einer dreiteiligen Ampel, grün und rot, ob es passt oder nicht. Gelb steht für zu wenig Informationen oder unzureichende Kompetenz. Das sieht dann der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin der Baupolizei und kann dann nach eigener Maßgabe entscheiden. Eine zunehmende Eintönigkeit in der Stadt fürchtet Gutternigh nicht. „Eigentlich jedes Bauprojekt ist ein Unikat. Es gibt zwar immer dieselben Regelungen, aber das Produkt ist immer ein Einzelobjekt mit eigener Handschrift.“

Ein Handy zeigt eine AR-Ansicht eines Gebäudes
ZDB/TU Wien
Mit dem eigenen Endgerät kann man künftig die Baupläne in einer 3-D-Ansicht ansehen

Bauverhandlung mit 3-D-Ansicht

Damit diese Handschrift bei Bauverhandlungen sichtbar wird, sorgt ebenfalls das digitale 3-D-Modell. Ein Aspekt von BRISE ist nämlich, diese Modelle beteiligten Parteien zugängig zu machen. „Dort kann ich mir dann individuell natürlich meine Präferenzen anschauen. Wenn mich nur die Ostfassade interessiert, oder ich möchte nur wissen, ich habe eine Hoflage. Und wie sieht das Gebäude gegenüber, das neu gebaut wird, von der Hofansicht aus.“

Der Zugriff kann übers eigene Tablet oder in den Räumlichkeiten der Baupolizei erfolgen. Damit soll auch der Arbeitsaufwand für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Baupolizei reduziert werden, weil die Erklärung, wie 2-D-Pläne zu lesen sind, entfällt. Stattdessen kann gleich auf konkrete Details im 3-D-Modell eingegangen werden.

Für die Projektentwickler ist das Erstellen des Modells zwar ein zeitlicher Mehraufwand, so Gutternigh. Dafür soll der gesamte Bewilligungsprozess beschleunigt werden. Derzeit dauere der bei großen Projekten rund ein Jahr, künftig soll das in der Hälfte der Zeit funktionieren. Ein Bauverzug durch ein langwieriges Bewilligungsverfahren koste schnell hunderttausende Euro.

Start frühestens 2024

Im Frühjahr 2023 soll das Projekt BRISE, das von der EU gefördert wird und ein Budget von 4,8 Millionen Euro hat, abgeschlossen werden. Dann wird man das erste KI-gesteuerte Bewilligungsverfahren der Welt haben, erklärte Gutternigh. Bis es aber in den Realbetrieb übergeht, wird es noch dauern. Einerseits fehlen noch die rechtlichen Grundlagen dafür, da sollte es laut dem Projektleiter aber keine Probleme geben.

Länger dauert dann die technische Ausrollung – aber nicht wegen der Datenmengen, wie Gutternigh betont. Er schätzt, einen Live-Betrieb in 2024 oder 2025 erreichen zu können. In einer Woche, im Mai, startet erstmals ein Probebetrieb mit interessierten Projektentwicklern. Betroffen sind künftig viele Personen. Im Jahr langen bei der Baupolizei rund 13.000 Anträge ein, viele davon sind nur kleine bauliche Änderungen, aber für alles „über einem Einfamilienhaus“ wird BRISE interessant werden – und das sind immer noch 3.000 bis 4.000 Anträge pro Jahr.