75 Jahre MUK Gedenktafelenthüllung
BARBARA NIDETZKY
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Kultur

MUK erinnert an eigene NS-Vergangenheit

Die Musik und Kunst-Privatuniversität der Stadt Wien, das ehemalige Konservatorium, stellt sich seiner Vergangenheit. Eine Gedenktafel erinnert an die Gründung 1938 durch Nationalsozialisten. Überraschender Teil der Feier war eine aktuelle Restitutionsforderung.

Die Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien (MUK) versteht sich als progressive Musik- und Kunstuniversität, die durch Entwicklung und Erschließung von Musik, Tanz, Schauspiel und Gesang kulturelle Werte für die Zukunft schafft. Anlässlich ihres 75-jährigen Bestehens warf die einzige Universität im Besitz der Stadt Wien aber einen Blick zurück. Der Historiker Oliver Rathkolb arbeitete mit einem Team die Geschichte des Hauses auf, die zum Teil auch von Austrofaschismus und Nationalsozialismus geprägt ist.

Die Publikation „Die Musikschule der Stadt Wien im Nationalsozialsozialismus – Eine ‚ideologische Lehr- und Lerngemeinschaft‘“ erschien 2020 im Wiener Hollitzer Verlag. Das 300 Seiten starke Werk reflektiert die Gleichschaltung des Wiener Musikschulwesens während der NS-Herrschaft und untersuchte die inhaltlichen Auswirkungen der NS-Ideologie auf die Kulturszene Wiens. Auch werden die mit der NS-Machtergreifung verbundenen personellen Konsequenzen sowohl hinsichtlich der Profiteure des NS-Systems als auch dessen Opfer dargestellt.

75 Jahre MUK Gedenktafelenthüllung
BARBARA NIDETZKY
Bürgermeister Michael Ludwig enthüllt die Gedenktafel an MUK

Nazis schlossen drei Bildungsinstitutionen

Nur wenige Monate nach dem sogenannten „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich erfolgte im August 1938 die öffentliche Bekanntgabe der Gründung der Musikschule der Stadt Wien. Die neu konstituierte Musikschule übernahm dabei Vermögenswerte und teilweise auch Lehrpersonal der von den Nationalsozialisten aufgelösten Vereine Neues Wiener Konservatorium (gegr. 1909), Konservatorium für volkstümliche Musikpflege (gegr. 1919) und Wiener Volkskonservatorium (gegr. 1925).

Die ideologische Gleichschaltung des Wiener Musikschulwesens im Nationalsozialismus hatte gravierende Folgen sowohl für die vertriebenen Lehrenden und Studierenden als auch für das musikalische und künstlerische Verständnis ganzer Generationen.

„Kritische Reflexion“ und „Information“

Im Rahmen „einer bewussten Erinnerungskultur als wichtiges Element der Kulturstadt Wien“ enthüllte Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) am Dienstag eine mehrsprachige Gedenktafel zur Erinnerung an die NS-Vergangenheit der Universität. „Erst durch die kritische Reflexion der Vorgänge während der NS-Zeit können wir zu den großartigen künstlerischen und wissenschaftlichen Leistungen stehen, die von der Johannesgasse 4a ihren Ausgang genommen haben und künftig von allen drei Standorten der MUK nehmen“, sagte Rektor Andreas Mailath-Pokorny.

Bürgermeister Ludwig berief sich auf den Holocaust-Überlebenden und „großen Mahner“, Rudi Gelbard: Als dieser einmal gefragt worden sei, „was zu tun ist, um neonazistische und rassistische Tendenzen abzuwehren, sagte er: ‚Information! Das Wichtigste ist Information, um sich gegen kommende Gefahren zu wappnen.‘“ Die Aufarbeitung der Geschichte der MUK sei ein weiterer wichtiger Beitrag, um niemals zu vergessen. Dazu leistet die auch ins Englische, Koreanische, Russische und Japanische (die an der MUK meistgesprochenen Sprachen) übersetzte Gedenktafel ihren Beitrag.

Gedenktafeltext in vier Sprachen übersetzt

„An dieser Stelle wurde 1938 nach der Zwangsauflösung von drei privaten Konservatorien die Musikschule der Stadt Wien gegründet, die der inhumanen Ideologie des Nationalsozialismus willfährig folgte und diese unterstützte. Als Nachfolgeinstitution sieht es die Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien als ihre Verpflichtung und Aufgabe, sich für die Rechte und Würde aller Menschen ungeachtet ihrer Herkunft, unabhängig von Geschlecht, Alter, Religion, Sprache, sozialer Stellung, sexueller Orientierung, Staatsbürgerschaft, politischen und sonstigen Anschauungen einzusetzen und menschenverachtenden Ideologien nachhaltig entgegenzuwirken.

Zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus. Zur Mahnung an die Lebenden, gegen Antisemitismus, Rassismus, Nationalismus und Verächtlichmachung von anderen aufzutreten. Zur Stärkung des Kunst- und Kulturschaffens im Geiste der Freiheit, der Unabhängigkeit und der Toleranz.“

Restitution mit Überraschungseffekt

Im Zuge der Enthüllung konnte auch eine von Felix Weingartner verfasste Schrift „Ratschläge für Aufführungen klassischer Symphonien. Band II: Schubert und Schumann“ an die rechtmäßige Erbin Susie Deyong übergeben werden. Das 1918 im ältesten Musikverlag der Welt, Breitkopf & Härtel, erschienene Buch konnte nach gründlicher Recherche auf Basis einer persönlichen Widmung des Autors an „Frl. Dr. Else Bienenfeld zum Andenken an F. Weingartner, Wien Jänner 1920“ zugeordnet werden. Im Zuge der Übergabe kam es dann zu einer überraschenden Restitutionsforderung der Nachkommen.

Außerdem wurde auch ein Online-Gedenkbuch installiert. „Es ist uns ein großes Anliegen, eine Pflicht, all jene Angehörigen unserer Vorgängerinstitutionen zu benennen, die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung, Vertreibung und Ermordung wurden“, so Univ.-Prof.in Dr.in Susana Zapke. Die Plattform gedenkbuch.muk.ac.at sei als interaktive Seite konzipiert und werde durch die laufenden Forschungsergebnisse stets ergänzt.

850 Studierende jährlich

Sie versammelt Musikerinnen und Musiker sowie darstellende Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt und bietet mehr als 30 „Bologna-konforme“ Bachelor- und Masterstudiengänge sowie Universitäts- und Vorbereitungslehrgänge. Zentrale Aufgabe der MUK ist die Vermittlung der Künste in der Verknüpfung von Forschung und Lehre, wobei einer umfassenden Bildung der individuellen Persönlichkeit der Studierenden — jährlich sind es insgesamt etwa 850 — auf Grundlage außergewöhnlichen Begabungspotenzials zentrale Bedeutung zukommt.