Johannes Steinhart
Anna Rauchenberger
Anna Rauchenberger
Politik

Steinhart zum Ärztekammerchef gewählt

Johannes Steinhart ist neuer Präsident der Wiener Ärztekammer. Auf den Urologen wartet in Wien eine lange Liste an Arbeit, um die Situation für Ärzte und Patienten zu verbessern. Dafür brauche es Flexibilität und attraktivere Angebote für Kassenärzte.

Als größte Herausforderung für die nächsten Jahre sieht Steinhart die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Spitalsärztinnen und -ärzten , die Sicherstellung einer wohnortnahen niederschwelligen Gesundheitsversorgung vor dem Hintergrund einer stetig wachsenden und älter werdenden Bevölkerung in Wien und die Attraktivierung des niedergelassenen Kassenbereichs.

Dazu betonte Steinhart im „Wien heute“-Interview, wie wichtig es sei, wesentlich flexibler zu sein. Das bedeute weniger Bürokratie, aber “viel mehr Möglichkeiten, medizinisch tätig zu sein und natürlich auch entsprechende Honorierung für die Verantwortung, die viele Kolleginnen und Kollegen hier in diesem Beruf ausüben“.

Wahlärzte „wichtige Stütze des Systems“

Steinhart spricht davon, dass das Thema Wahlärzte derzeit vollkommen falsch betrachtet wird. Sie seien „eine wichtige Stütze, die unser System derzeit am Laufen hält. In verschiedenen Fächern wirklich existenziell wichtig“. Und „das Kassensystem muss sich einfach bemühen, attraktiver für junge Kolleginnen und Kollegen zu werden. Das fordern wir schon sehr lange. Also auch das Honorarsystem muss doch deutlich verbessert werden.“

Ganz und gar nicht als Verbesserung wertet der neue Präsident der Wiener Ärztekammer den Vorschlag von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker, dass sich Mediziner fünf Jahre lang für Spitalsdienste verpflichten müssten. Das sei „fürchterlich. Genau mit dem Zugang wird man alle, die auch jetzt überlegt haben, Medizin zu machen, erst recht vertreiben oder ins Ausland treiben. Also ich glaube, so kann man das Thema nicht angehen“.

Zu viele Wahlärzte, zu wenig niedergelassene Ärzte

Das Missverhältnis zwischen niedergelassenen Ärzten und Wahlärzten in Wien ist jedenfalls eines der herausragendsten Probleme. Die Zahl der Kassenordinationen nahm laut Statistik Austria in Wien in den vergangenen elf Jahren um 10,5 Prozent ab. Gab es 2010 noch 1.745 Ordinationen in Wien, waren es 2021 nur noch 1.561. Gleichzeitig stieg die Zahl der Wahlarzt-Praxen in Wien von 3.033 (2010) auf 3.967 (2021), was einem Plus von 30,8 Prozent entspricht.

Schwierige Ärztesituation in Wien

Zu wenig Kassenärzte, schwierige Arbeitsbedingungen in den Spitälern: Die Ärztesituation in Wien ist nicht einfach: Eine Bestandsaufnahme vor der Wahl des neuen Ärztekammer-Präsidenten Johannes Steinhart.

300 Kassenstellen zu wenig in Wien

Die Wiener ÖVP will sogar eine Pauschalierung der Kassenhonorare, um den Trend zum Wahlarzt zu stoppen. Laut Österreichischer Gesundheitskasse bleiben zahlreiche offene Kassenstellen unbesetzt, besonders im Bereich der Allgemeinmedizin, der Kinderheilkunde und der Gynäkologie. Laut Steinhart fehlen etwa 300 Kassenstellen. Andreas Huss von der ÖGK will das Wahlarztsystem am liebsten abschaffen.

Laut Kasse bleiben offene Kassenstellen unbesetzt, vor allem in Allgemeinmedizin, Kinderheilkunde und Gynäkologie. Als eine mögliche Lösung des Problems gelten die Primärversorgungszentren. Bis 2025 sollte es 36 dieser von mehreren Ärzten verschiedener Fachrichtungen besetzten Zentren geben, aktuell sind es in ganz Wien nur sechs.

Nachfolger von Thomas Szekeres

Der niedergelassene, ÖVP-nahe Steinhart löst den SPÖ-nahen Spitalsarzt Thomas Szekeres ab, der seit 2012 der Wiener Ärztekammer vorstand. Steinhart war bei der Ärztekammerwahl am 18. März Stimmenstärkster und hat eine Koalition aus sieben Listen gebildet. Heute, Dienstag, wählte ihn die Vollversammlung mit 62 von 81 Stimmen zum Landesärztechef von Wien. Der 67-jährige gebürtige Wiener gilt als ausgewiesener Experte des heimischen Gesundheitssystems.

Über Jahrzehnte hinweg führte er die Kassenverhandlung wien- und österreichweit. In seiner Eigenschaft als Wiener Kurienobmann gestaltete er zahlreiche innovative Projekte mit, wie beispielweise die Erstversorgungsambulanzen (EVA) nach dem erfolgreichen Modell der seit 2012 existierenden Allgemeinmedizinischen Akutversorgung (AMA). Auch die Etablierung einer eigenen Patientenombudsstelle in der Ärztekammer für Wien ging auf seine Initiative zurück.