Aktion bei One Billion Rising in Wien im Jahr 2017
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Chronik

Gewalt gegen Frauen gestiegen

Eine von drei Frauen wird weltweit Opfer von Gewalt. Die Bewegung „One Billion Rising“ protestierte am Donnerstag dagegen wieder tanzend – auch in Wien. Das Ausmaß der Gewalt sei in der Pandemie gestiegen, so die Leiterin der Wiener Frauenhäuser, Andrea Brem.

Männer, die früher ihre Frau nicht geschlagen hätten und nie eine Frau schlagen würden, hätten das auch in der Pandemie nicht getan, sagte Andrea Brem. Für bereits gewaltbetroffene Frauen verschärfte sich die Situation durch die Pandemie laut der Leiterin der Wiener Frauenhäuser jedoch weiter – weil etwa ein Einsperren und Kontrollieren noch leichter möglich geworden sei. „Das heißt, es wurde daheim noch einmal deutlich enger“, so Brem im Interview mit Radio Wien.

Größer sei auch das Problem der Frauenarmut geworden. Viele der Frauen, die in den Frauenhäusern wohnen, hätten in der Pandemie ihre Jobs verloren, berichtete Brem. Dabei habe es sich häufig um ohnehin schon prekäre oder schlecht bezahlte Jobs gehandelt – aber nicht nur.

Gewalt an Frauen gestiegen

Eine von drei Frauen wird weltweit Opfer von Gewalt. Die Bewegung „One Billion Rising“ protestiert am Donnerstag dagegen wieder tanzend – auch in Wien. Das Ausmaß der Gewalt sei in der Pandemie gestiegen, so die ExpertInnen

Neues Frauenhaus eröffnet im Herbst

Im ersten Pandemie-Jahr war die Zahl der Frauen, die in den Wiener Frauenhäusern Schutz suchten, leicht rückläufig – Brem vermutete, wegen der Ausgangsbeschränkungen. Mittlerweile sind die Zahlen wieder auf dem Niveau vor der Pandemie: 649 Frauen und 640 Kinder wurden im Vorjahr in einem der vier Wiener Frauenhäuser aufgenommen.

Ein fünftes Frauenhaus in Wien mit rund 200 Plätzen wird im Herbst eröffnet. „Das brauchen wir auch“, betonte Brem. Aktuell rücke man zusammen, weil jede gewaltbetroffene Frau aufgenommen werde. „Aber es wäre einmal schön, wenn das nicht mehr notwendig ist, sondern die Frauen einen regulären Platz haben können, wann immer sie ihn brauchen.“

Kritik an zu wenigen Fallkonferenzen

Verbesserungen forderte Brem auch bei den sogenannten Fallverlaufskonferenzen. Diese gebe es nach einer Reform zwar wieder, aber: „Es sind zumindest auf Wiener Ebene viel zu wenige Fallkonferenzen, und die gehören auch noch besser strukturiert“. Bei derartigen Konferenzen besprechen alle mit der betroffenen Familie arbeitenden Stellen die Vorgangsweise und machen beispielsweise Gefährdungsanalysen. „Dort, wo wir ein hohes Risiko sehen, dass die Frau Opfer einer Tötung werden könnte oder einer schweren Gewalttat – in dem Fall ist das total wichtig“, so Brem.

Die Leiterin der Wiener Frauenhäuser hofft zudem auf eine baldige Reform des Familienrechts, die derzeit in der Regierung erarbeitet werde. Die Gewaltbetroffenheit von Kindern müsste endlich anerkannt werden, forderte Brem. Kinder, die schwerer Gewalt ausgesetzt waren, müssten das Recht auf einen Kontaktabbruch haben.

„One Billion Rising“ zum zehnten Mal in Österreich

Die internationale Bewegung „One Billion Rising“ stellt sich am Donnerstagabend wieder mit getanztem Protest gegen Gewalt. Im Fokus der jährlichen Aktion, die in Wien heuer am Ballhausplatz stattfindet, steht neben Bewusstseinsbildung die Lebensfreude, erläuterten Vertreterinnen im Vorfeld. Die Mitbegründerin und Obfrau von One Billion Rising Austria, Aiko Kazuko Kurosaki, schwärmte von der positiven Energie bei den bisherigen Veranstaltungen und lud ein, sich vorab online die Choreographie und das Lied zu Gemüte zu führen.

Österreich stehe aktuell mit neun Femiziden 2022 im internationalen Vergleich schlecht da – und diese Tötungsdelikte sind nicht „importiert“, hieß es weiter. Drei Viertel werden von Österreichern begangen, 91 Prozent von Männern.

Die globale, getanzte Kampagne steht für ein Ende der Gewalt an Frauen und Mädchen. Am Hauptaktionstag treten in mehr als 200 Städten weltweit Menschen an öffentlichen Plätzen für die Sache gemeinsam auf. Auch in Österreich wird dies zum zehnten Mal zelebriert. Den Ehrenschutz hat Österreichs First Lady Doris Schmidauer.