Burgtheater-Direktor Martin Kusej
APA/Tobias Steinmaurer
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Kultur

„Andockstation“ Burgtheater: Neuer Spielplan

Das Burgtheater als „Zufluchtsort und Andockstation“: So sieht Direktor Martin Kusej sein Haus. Die Saison 2022/23 steht daher unter dem Motto „Du bist nicht allein“. 25 Produktionen wurden am Donnerstag angekündigt.

Darunter befinden sich elf Ur- oder Erstaufführungen, unter anderem von Peter Handke, Yasmina Reza und Daniel Kehlmann. Es inszenieren mehr Frauen als Männer, und obwohl der Leitende Dramaturg Andreas Karlaganis das Burgtheater „erklärtermaßen als Haus der Dramatik“ ausrief, gehen zumindest acht Produktionen auf Roman- oder Prosavorlagen (u. a. kommt „Der Zauberberg“ in einer Version von Bastian Kraft) zurück.

„Es ist schon so, dass wir in erster Linie neue Stücke lesen und suchen“, versicherte Karlaganis auf Nachfrage, fand aber „Dogmen nicht so nützlich“. Nach einem „Schreibstau“ kämen die Texte, die aus den Theaterverlagen kommen, „jetzt wieder ins Laufen“, doch Romane wie Rezas „Serge“ würden eben mit tollen Rollen und Dialogen bestechen. „Es gibt fließende Grenzen.“

Altersmilder Handke

Martin Kusej selbst inszeniert zweimal: „Drei Winter“ von Tena Stivicic sei ähnlich wie Miroslav Krlezas „Agonie“ „ein großes Geschichtsepos, eine Art Familiengeschichte über drei Generationen einer Zagreber Familie. Mich interessieren Randgebiete, Landschaften, Städte, die zunächst einmal weit weg erscheinen“, sagte der Direktor, der im Burgtheater im Oktober auch Daniel Kehlmanns „Nebenan“ auf die Bühne bringen wird. Er habe den gleichnamigen Film von Kehlmann und Daniel Brühl gesehen und rasch den Autor angerufen: „Du musst diesen Film fürs Theater adaptieren.“

Am Podium im Burgtheater: Der kaufm. Direktor Robert Beutler, stv. Direktorin Alexandra Althoff, Direktor Martin Kusej sowie der leitende Dramaturg Andreas Karlag
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Kaufmännischer Direktor Robert Beutler, stv. Direktorin Alexandra Althoff, Direktor Martin Kusej, Chefdramaturg Andreas Karlag am Podium

Auch mit Peter Handke hat Kusej eine gute Gesprächsbasis: „Er ist eigentlich sehr altersmilde geworden.“ Was Frank Castorf aus seinem Stück „Zdenek Adamec“ gemacht hat, habe dem Autor „sehr gefallen“. Im Roten Salon des Hotel Sacher habe er daraufhin den neuen Text des Nobelpreisträgers überreicht bekommen, ein „Zwiegespräch“, das mittlerweile als Prosabändchen erschienen ist.

Der Text ist den verstorbenen Schauspielern Otto Sander und Bruno Ganz gewidmet. Regisseurin Rieke Süßkow werde den Text bei der Uraufführung nicht von zwei älteren Darstellern, sondern von mehreren Schauspielerinnen und Schauspielern umsetzen lassen, verriet Kusej.

Zu- und Abgänge im Ensemble und in der Direktion

Das Ensemble insgesamt verzeichnet einige Zu- und Abgänge (so verlassen etwa u. a. Mehmet Atesci, Stacyian Jackson und Falk Rockstroh das Haus, werden aber das Repertoire weiterspielen) und bleibt etwa auf dem Stand von rund 70 Mitgliedern. Dafür verlässt Vizedirektorin Alexandra Althoff mit Saisonende das Haus, um sich „neuen Aufgaben zuzuwenden“.

Der Direktor dankte „mit einer ganzen Portion Wehmut“ und gab Katrin Hiller, derzeit Künstlerische Betriebsdirektorin am Schauspielhaus Düsseldorf, als Nachfolgerin und „sehr gute Besetzung für diese Position“ bekannt. Er selbst kündigte an, sich bei der für September erwarteten Neuausschreibung des Burgtheater-Direktor-Postens „natürlich“ wieder zu bewerben: „Ich bin noch längst nicht fertig hier!“

Geister und Gespenster

Mit „Die Eingeborenen von Maria Blut“ von Maria Lazar und „Das flüssige Land“ von Raphaela Edelbauer (die erste Arbeit von Sara Ostertag am Burgtheater) kommen zwei große Romane über das Widerspiegeln von (Zeit-)Geschichte in österreichischen Dörfern ins Akademietheater bzw. ins Kasino.

Geister oder Gespenster soll es in der kommenden Spielzeit immer wieder auf der Bühne geben. „Das Theater bewegt sich immer an der Grenze zwischen Leben und Tod“, sagte Kusej, der als „Gegenstück“ zu Johan Simons’ „Dämonen“-Bearbeitung Lucy Prebbles „Extrem teures Gift“ ankündigte, Politfarce und Thriller um den Giftanschlag des russischen Geheimdienstes aus Alexander Litwinenko.

Budget „im Griff“

Das Burgtheater habe in der Omikron-Welle „die schwerste Zeit durchzumachen“ gehabt, sei aber „insgesamt sehr gut durch diese schwierige Zeit gesteuert“, sagte der Direktor. Der kaufmännische Geschäftsführer Robert Beutler steuerte die Zahlen dazu bei: 192 Abänderungen und Ausfälle habe es bisher in dieser Saison gegeben, besonders viele davon im Herbst. „Doch die Kraft des Theaters ist ungebrochen. Wir sind am aufsteigenden Ast.“

Die Zahl der Abonnenten sei wieder ansteigend, auch die Auslastung, die „dazwischen auch schon unter 60 Prozent“ gelegen sei, liege im Moment bei 65 Prozent, was die Prognose zulasse: „Es geht insgesamt Richtung 63 Prozent.“ Dank Kurzarbeit und vielen zusätzlichen Förderungsmöglichkeiten sei die finanzielle Situation aber nicht alarmierend. „Unter dem Strich ist das Budget im Griff. Wir werden nicht negativ abschließen.“