Kampagne „Gut und selbst“ mit vielen Jugendlichen mit lachenden Masken auf und Schildern mit Aufschrift: Gut und Selbst?
wien.ORF.at/Doris Manola
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Politik

Jugendvolksbegehren mit Lichtermeer

Nach zwei Jahren Pandemie weist fast jeder zweite Jugendliche depressive Symptome auf. Ein seit Montag aufliegendes Jugendvolksbegehren fordert unter anderem mehr niederschwellige Angebote für die Betroffenen. Freitagabend findet im Burggarten ein Lichtermeer statt.

Am Montag startete die Eintragungswoche für das Mental Health Jugendvolksbegehren, das noch bis einschließlich kommenden Montag unterschrieben werden kann. „Jeder zweite Jugendliche weist depressive Symptome auf und jeder Sechste hat wiederholt Suizidgedanken“, sagte Initiatorin Carina Reithmaier, Bundesobfrau der ÖVP-nahen Schülerunion, Anfang der Woche. Gefordert werden bessere Früherkennung und Prävention, mehr Schulsupportpersonal und das Thema Mentale Gesundheit im Lehrplan.

Situation verschlechtert sich weiter

Laut Zwischenergebnissen der Neuauflage der Studie zur psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen der Donau-Universität Krems lasse sich der Trend ablesen, dass sich die Situation trotz Aufhebung der CoV-Maßnahmen im Vergleich zum vergangenen Herbst weiter verschlechtert habe, berichtete Reithmaier.

„In der Schule verbringen die Kinder die meiste Zeit, deshalb wollen wir hier ansetzen“, erläuterte Reithmaier die Forderungen des Volksbegehrens. Zur Früherkennung und Prävention brauche es die Aus-und Weiterbildung von Lehrpersonen sowie das Angebot von Workshops und Informationsmaterial für Erziehungsberechtigte. Ein besonderer Schwerpunkt müsse auf den flächendeckenden Einsatz von bestehenden Mobbing- und Suizidpräventionsprogrammen im Schulalltag gelegt werden.

„Angebot viel zu gering“

„Um das Thema psychische Gesundheit zu enttabuisieren, muss es auch im Unterricht aufgerollt und behandelt werden“, forderte Reithmaier. Die Thematisierung eines bewussten Umgangs mit den sozialen Netzwerken, aber auch die Vermittlung eines gesunden Lebensstils würden helfen, die psychische Gesundheit von Schülern präventiv zu unterstützen. „Kinder sollen mehr über sich selbst und den Umgang mit Belastungen lernen“, sagte die Initiatorin.

Das Angebot des Schulsupportpersonals sei noch viel zu gering. Es brauche mehr Schulpsychologen, Schulpsychotherapeuten, Schulsozialarbeiter und Vertrauenslehrer. Es herrscht „akuter Bedarf von 1.000 Schulpsychologen“, sagte auch Julian Christian, Vorsitzender der Bundesjugendvertretung. Er rief „alle Jugendlichen und Verbündeten“ zur Unterzeichnung des Volksbegehrens auf. Ein konkretes Unterschriftenziel nannte Reithmaier auf Nachfrage nicht. „Ziel ist es, so viel Unterschriften wie möglich zu sammeln.“ Jede unterstützende Person sei wichtig.

Breite Plattform

Das Mental Health Jugendvolksbegehren ist Teil der multiorganisationalen Initiative von über 60 Organisationen, Vereinen und NGOs, allen voran “Gut, und selbst?" zur psychischen Gesundheit unter Kindern und Jugendlichen. Die Initiatoren selbst sind fünf 20- und 21-jährige Studentinnen und Studenten, denen das Thema ein Herzensanliegen ist.

Unterstützung kam u. a. auch vom Österreichischen Bundesverband für Psychotherapie (ÖBVP) und der Ärztekammer (ÖÄK). Es handle sich bei den Kindern und Jugendlichen nicht um eine „verlorene Generation“, betonte ÖBVP-Präsidiumsmitglied Barbara Haid. „Nicht jedes psychisch belastete Kind, nicht jeder psychisch belasteter Jugendliche muss das auch dauerhaft bleiben – und zwar dann nicht, wenn etwas dagegen getan wird“, sagte sie.

„Schon vor der Pandemie war die Versorgung von Kindern und Jugendlichen von Mängeln geprägt“, hielt ÖÄK-Präsident Thomas Szekeres fest. Es gebe offene Kassenstellen bei Kinder- und Jugendärzten sowie zu wenig Kinder- und Jugendpsychiater. Es sei „notwendig, dass wir in die Ausbildung investieren“ und in niederschwelligen Zugang zur Medizin.

„Zeichen der Gemeinschaft setzen“

Um das gesellschaftliche Schweigen zu beenden, wolle man ein „Zeichen der Gemeinschaft setzen", heißt es in einem Statement der Organisatorinnen gegenüber wien.ORF.at. „Du bist nicht allein! Und es ist vollkommen ok, wenn es dir einmal nicht gut geht“, lautet die Botschaft des Lichtermeers, das am Freitag um 20.00 Uhr im Wiener Burggarten stattfinden soll. „Wir wollen gemeinsam jenen Stärke zusprechen, die es brauchen.“