Bundespräsident Alexander Van der Bellen
APA/Tobias Steinmaurer
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Chronik

„Fest der Freude“ mit Van-der-Bellen-Appell

Zum Gedenken an die Opfer und die Freude über die Befreiung vom Nationalsozialismus hat am Sonntagabend das „Fest der Freude“ stattgefunden. Bundespräsident Alexander Van der Bellen betonte auch mit Blick auf den Ukraine-Krieg, Friede und Freiheit müssten immer weiter erkämpft, gehütet und bewahrt werden.

Der vom Vorsitzenden des Mauthausen Komitees Österreich, Willi Mernyi, eröffnete Festakt stand heuer unter dem Motto „Politischer Widerstand“. „Wir feiern das Fest der Freude. Wir feiern den Tag der Befreiung. Wir feiern den Frieden und die Demokratie“, und „diese große Idee der Gemeinsamkeit lassen wir uns nicht schlechtreden“, wie Van der Bellen auf dem Kurznachrichtendienst Twitter hier noch anmerkte.

In die Freude mische sich heuer aber wieder ein Gefühl der Trauer, so Van der Bellen: „Nicht weit weg, in der Ukraine, herrsche in Europa wieder ein Krieg, ein alptraumhafter Schrecken. Unser aller Menschenpflicht sei es, die Augen hier nicht zu verschließen und zu helfen“.

Rede von Bundespräsident Alexander Van der Bellen

Bundespräsident Alexander Van der Bellen findet beim „Fest der Freude“ deutliche Worte.

„Heißt nicht umsonst: Wehret den Anfängen“

Wenn Friede und Freiheit bedroht seien, brauche es Entschlossenheit, Mut und politischen Widerstand. Das sei nicht nur zur Zeit des Nationalsozialismus wichtig gewesen. Es müsse überall angesetzt werden, wo begonnen werde, Freiheit und liberale Demokratie zu unterminieren: „Es heißt nicht umsonst: Wehret den Anfängen.“

Als positiv wertete das Staatsoberhaupt, dass Österreich heute ein Land sei, das die damals Vertriebenen und ihre Nachkommen willkommen heiße, auch wenn es lange gedauert habe, die Verantwortung für das NS-Regime anzunehmen.

Rede von Erika Freeman

Eine jener, die dem Nazi-Terror entkommen konnten, war die Zeitzeugin Erika Freeman, die als Kind unbegleitet in die USA ausreisen konnte und dort später zu einer prominenten Psychoanalytikerin wurde.

Ansprache von Zeitzeugin Erika Freeman

Freeman sprach über ihre Kindheit in Wien, die tragische Lebensumstellung durch den „Anschluss“ Österreichs an Deutschland im Jahr 1938 und teilte ihre Erlebnisse über ihre alleinige Flucht sowie die Geschichte ihrer jüdischen Eltern mit.

Ihr Redebeitrag am Sonntagabend war vom Gedanken der Versöhnung geprägt. Die 94-Jährige schilderte ihr Schicksal durchaus auch mit Humor, verbunden mit einem Plädoyer für Toleranz und Menschlichkeit, Eigenschaften, die den Nazis fehlen: „Das sind nicht einmal Faschisten, weil die haben ein Gewissen. Die haben nur Schadenfreude und Hass.“

Einen Seitenhieb auf jene Geschehnisse, die Europa aktuell im Bann halten, vergaß Freeman nicht: „Wenn ein kleiner Mann halb nackt auf einem Pferd sitzt, dann pass auf“, so die Zeitzeugin mit einem Seitenhieb auf Wladimir Putin und einschlägige Propagandabilder des russischen Staatschefs. Grundsätzlich war ihre Botschaft aber eine durchgehend humanistische: „Die Menschen sind das Teuerste, was wir haben. Einander kennenzulernen, macht uns fröhlich und gesund und manchmal sogar geliebt.“

Ansprache von Willi Mernyi

Eröffnet wurde der heuer ganz im Zeichen der Ukraine-Krieges stehende Festakt vom Vorsitzenden des Mauthausen Komitees, Willi Mernyi.

Abschluss mit „Ode an die Freude“

Mernyi hatte in seiner Ansprache zuvor die Bedeutung des „Fests der Freude" betont, gerade in Zeiten der Unruhe: „Zivilcourage ist ein Thema, dass uns heute genauso stark begleitet wie damals. Die Zahlen der rechtsextremen Vorfälle und Straftaten steigen jährlich – einerseits im öffentlichen Raum und andererseits vermehrt durch Hasspropaganda im Internet.“ Darum brauche man Menschen, „die aufstehen und sich bei den Debatten im öffentlichen Raum beteiligen, und Menschen, die sich zu ihren Computern setzen und im Netz gegen Rassismus und Ungerechtigkeit Stellung beziehen“.

Abschließender Redebeitrag war per Video jener des Schriftstellers Daniel Kehlmann, der die Gefühle seines Vaters, des Regisseurs Michael Kehlmann, der unter den Nazis inhaftiert, am Tag der Befreiung beschrieb. Mit dem Gefühl der Freude darüber schwinge aber die Erkenntnis mit, dass Menschen immer unzuverlässig und korrumpierbar sein würden. Beendet wurde das „Fest der Freude“ nach zwei Stunden wie üblich mit Ludwig van Beethovens „Ode an die Freude“.

Seit 2013 vom Mauthausen Komitee organisiert

Die vergangenen zwei Jahre musste die Gedenkveranstaltung wegen der Coronavirus-Pandemie in den virtuellen Raum ausweichen. Das „Fest der Freude“ wird seit 2013 vom Mauthausen Komitee organisiert. Es war letztlich eine Reaktion auf das höchst umstrittene Burschenschaftergedenken anlässlich des Weltkriegsendes in Österreich, das die Berichterstattung über viele Jahre am 8. Mai mit geprägt hatte.

Partner waren von Beginn an die Wiener Symphoniker, die geleitet vom israelischen Dirigenten Lahav Shani am Sonntag Werke von Richard Strauss, Krzysztof Penderecki und Sergej Rachmaninow spielten. Gesangsbeiträge kamen von der israelischen Sopranistin Chen Reiss. Die Wiener Philharmoniker hatten das Gedenken der Regierung zu Mittag begleitet – mehr dazu in Gedenken im Zeichen des Ukraine-Krieges (news.ORF.at).