Gedenken der Ukrainer am Schwarzenbergplatz
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Chronik

Russen und Ukrainer gedenken getrennt

Der Krieg in der Ukraine macht sich auch beim Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 77 Jahren bemerkbar: Die russische und ukrainische Community in Wien beschäftigen sich getrennt mit den historischen Ereignissen und ihrer heutigen Relevanz.

Das offizielle Österreich hat zudem auf die Geschehnisse in der Ukraine mit der Ausladung des russischen Botschafters von einer Gedenkveranstaltung reagiert.

„Angesichts des derzeitigen Angriffskriegs der Russischen Föderation gegen die Ukraine ist die Teilnahme eines offiziellen Vertreters der Russischen Föderation an der Veranstaltung des Bundeskanzleramts zum Gedenken an die Befreiung Österreichs vom Nationalsozialismus und an die Beendigung des Zweiten Weltkriegs in Europa am 8. Mai 2022 nicht vorgesehen“, hatte das österreichische Außenministerium die russische Botschaft am 29. April informiert.

Gleichzeitig war versichert worden, dass im Bundeskanzleramt auch „der tausenden gefallenen sowjetischen Soldaten und Soldatinnen in gebührender Art und Weise“ gedacht werden würde.

„Veranstaltungen in vollem Umfang“

Obwohl in der Verbalnote explizit nur von einem Termin die Rede war, beklagte die russische Botschaft die Ausladung von „Veranstaltungen des Bundeskanzleramts“. „(Miss-)Verstehen der schrecklichen Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg und seiner Folgen werden erneut zu einem tief gehenden Problem der bilateralen Beziehungen“, schrieb die Botschaft in einer Erklärung.

„Ungeachtet der hartnäckigen Versuche von lokalen ukrainischen Nationalisten, die Feierlichkeiten zum 77. Jahrestag des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg auch in Österreich zu sprengen, wird das traditionelle Programm von Gedenkveranstaltungen in vollem Umfang durch die Botschaft umgesetzt“, hatte der russische Botschafter in Wien, Dmitri Ljubinski, bereits Ende vergangener Woche in einem Interview mit der Tageszeitung „Iswestija“ erklärt.

Russische Veranstaltung am Stephansplatz

Neben Kranzniederlegungen am Wiener Schwarzenbergplatz und am Zentralfriedhof, an denen die Mehrheit der Botschafter aus den GUS-Staaten teilnehmen würden, kündigte Ljubinski auch eine Veranstaltung des Koordinationsrats der Organisation russische Landsleute (KSORS) am Stephansplatz an.

Es werde am frühen Abend des 9. Mai ein Erinnerungskonzert mit internationaler Beteiligung, Gebete sowie einen kleinen „Marsch des unsterblichen Regiments“ mit Porträts von Kriegsteilnehmern in der Innenstadt geben, bestätigte am Mittwoch Koordinationsrats-Chef Dmitri Jerochin. Diese Veranstaltung werde am Platz südlich des Stephansdoms stattfinden, sagte er und nannte zur Orientierung das große Plakat am Südturm, auf dem in Gelb-Blau derzeit zu Frieden in der Ukraine aufgerufen wird.

Den aktuellen Krieg Russlands gegen die Ukraine wollte Jerochin nicht kommentieren. „Wir wollen uns in diese Fragen nicht verstricken“, erklärte er und verwies auf das Statut seiner Organisation, die sich nicht mit politischen Fragen beschäftige. Seine persönliche Position sei nicht von Relevanz, unterstrich er. Gleichzeitig vermied er ein Wording, das der offiziellen russischen Darstellung der „militärischen Spezialoperation“ widersprechen würde.

Gedenken der Ukrainer am Schwarzenbergplatz
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Protest am Schwarzenbergplatz

Ukrainer für „Gedenken statt Paraden“

Den Schwarzenbergplatz, wo die russische Community im Schatten des sowjetischen Heldendenkmals in den vergangenen Jahren ihren „Marsch des unsterblichen Regiments“ organisiert hatte, hat am 8. und 9. Mai indes die ukrainische Diaspora besetzt. Unter dem Motto „Tag der Befreiung: Gedenken statt Paraden“ will man an den Zweiten Weltkrieg, insbesondere aber auch an den aktuellen Krieg in der Heimat erinnern.

„Die Menschen der Ukraine werden nicht nur ermordet – Russland greift sie in ihrer Identität selbst an“, heißt es in einer Erklärung der Veranstalter, die Kontakte zwischen Österreichern und Ukrainern fördern wollen. Neben dem ehemaligen tschechischen Außenminister Karel Schwarzenberg, dem Nationalratsabgeordneten Helmut Brandstetter (NEOS) wollte mit Gregor Razumowsky auch ein Abkömmling einer Familie sprechen, die sowohl für die ukrainische als auch die russische Geschichte eine wichtige Rolle spielte. Der ukrainische Botschafter Wassyl Chymynez (Vasyl Khymynets) wollte zudem an einer Messe im Wiener Stephansdom teilnehmen.