Ex ÖVP-Wien-Chef Bernhard Görg
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Wiener Ex-ÖVP-Chef glaubt an Kurz-Rückkehr

Der ehemalige Vizebürgermeister und ÖVP-Wien-Chef Bernhard Görg vermutet, dass Ex-Kanzler Sebastian Kurz bald Entzugserscheinungen von der Politik haben werde. „Es würde mich nicht wundern, wenn er wieder versuchen würde zurückzukommen“, so Görg.

Im Gespräch „Bei Budgen“ beurteilt der 80-Jährige die Arbeit von Bundeskanzler Nehammer als positiv, wobei der die Parteifarbe Türkis „scheußlich“ findet. Eine Rückkehr könne man Kurz „nicht verwehren“. "Er hat diese Partei mehrere Jahre erfolgreich geführt. Es wäre ein Schwächezeichen von ÖVP-Kanzler Karl Nehammer gewesen, wenn er dem Sebastian Kurz gebeten hätte nicht beim ÖVP-Prateitag zu reden“, so Görg.

Sebastian Kurz hat vor Kurzem ausgeschlossen wieder in die Politik zurückzukehren. Görg rechnet aber damit, dass Kurz sich nicht für immer von der Politik distanzieren wird. „Ich vermute, er wird sehr bald Entzugserscheinungen haben. So jemand wie er, der Politik aus allen Poren ausgestrahlt hat, der wird sich schwer tun auf Dauer hochbezahlt, aber doch im Anonymen zu leben", sagte der Ex-Politiker. „Es würde mich nicht wundern, wenn er wieder versuchen würde in die Politik zurückzukommen“, davor müsse er aber die potentielle Strafsache positiv hinter sich bringen.

Sendungshinweis

„Wien heute“ am 14. Mai 2022 um 19.00 Uhr, ORF 2

Abgrenzung Nehammer zu Kurz

Karl Nehammer hat lange als Vertrauter von Sebastian Kurz gegolten. Es soll auch mehrmals im Monat Telefongespräche zwischen den beiden geben. Sich politisch von Kurz abzugrenzen sei für Nehammer „sehr schwierig“, da Sebastian Kurz die Politik „überstrahlt“ hätte. „Jeder krampfhafte Versuch da alles anders zu machen, das wird nicht funktionieren. Ich glaube, Karl Nehammer hat es bis jetzt ganz gut geschafft, die Balance zu halten“, so Görg weiter.

„Türkis ist eine scheußliche Farbe“

Die ÖVP wird zukünftig mit einem anderen Namen in Erscheinung treten. Statt „Die neue Volkspartei“ soll es nur mehr „Die Volkspartei" heißen. Die ÖVP ändert zwar wieder ihren Namen, nicht aber ihre Parteifarbe. „Mir wäre lieber gewesen, die Partei hätte sich weiter „neue Volkspartei“ genannt und das Türkis aufgegeben. Türkis ist eine scheußliche Farbe, ich hab nie verstanden wie man sich Türkis als Parteifarbe aussuchen kann. In Wahrheit war Türkis für mich als Gegensatz zu Schwarz nicht wirklich präsent“, sagte Görg.

Zur Führung der Partei gehöre viel mehr, etwa Ehrgeiz zu haben und die Besten um sich zu versammeln. "Ich habe bei Sebastian so manchmal den Eindruck gehabt, er sagt ich reiche, ich bin so populär und ich überstrahle alles. Wer bei mir Minister wird ist eigentlich egal, weil ich überstrahle eh alles“, kritisierte Görg. Er sah vor allem Schwächen in der Management-Fähigkeiten von Kurz.

Rücktritte von Ministerinnen

Die österreichischen ÖVP-Ministerinnen Elisabeth Köstinger und Margarete Schramböck haben überraschend ihren Rücktritt erklärt – nur wenige Tage vor dem ÖVP-Parteitag, auf dem ein Neubeginn inszeniert werden soll. Die beiden Politikerinnen waren mit dem Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz steil aufgestiegen. Was genau hinter den Kulissen abgelaufen ist, wisse Görg nicht „und auch wenn ich es wüsste, würde ich es nicht sagen.“

Zwei Dinge hätten eine Rolle gespielt: „Das Ressort Ex-Ministerin Schramböck für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort war ein Hundsressort. Es hat viel zu wenige Kompetenzen gehabt und viel zu viele Wirtschaftskompetenzen sind an andere Ressorts abgegeben worden", erläuterte der ehemalige ÖVP-Wien-Chef. Eine künftige Zusammenlegung des Wirtschaftsministeriums mit dem Arbeitsministerium „halte ich für klug“. Ob Schramböck freiwillig oder unter Einfluss von Kanzler Nehammer zurückgetreten ist möchte Görg nicht beurteilen: „Darüber spekuliere ich nicht.“

Performance von Generalsekretärin Sachslehner

Die Performance von ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner könne er ebenfalls noch nicht bewerten. "Ich kenn sie recht wenig. Ablösegerüchte rund um die General­sekretärin sind bereits vor den Ministerinnen-Rücktritten aufgetaucht, die die ÖVP aber dementierte. „Sie ist eine sehr junge Frau, das halte ich für positiv. Man muss ihr etwas Zeit geben, ich halte es für verfrüht zu sagen, kann sie es oder kann sie es nicht“, sagte Görg. Nach ein paar Monaten könne noch kein Urteil gefällt werden.

„Ich glaube nicht an Neuwahlen“

Nach den jüngsten Rücktritten sind auch wieder Debatten rund um Neuwahlen aufgeflammt. SPÖ und FPÖ drängen darauf. Auch Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ)sprach sich dafür aus, für den Ex-Politiker allerdings unwahrscheinlich. „Ich glaube nicht an Neuwahlen. Die beiden Parteien, die die Entscheidung darüber treffen, haben kein Interesse an Neuwahlen“, sagte Görg.

Rolle der Wiener ÖVP

Die Wiener ÖVP liegt nach aktuellen Umfragen bei ungefähr zehn Prozent – das entspricht der Hälfte des Ergebnisses bei den letzten Gemeinderatswahlen 2020. Ohne Rückenwind der Bundespartei sei es für die Wiener ÖVP „extrem schwierig, auf die Beine zu kommen. Das war immer so und wird immer so sein. Ich finde, Karl Mahrer macht seine Arbeit exzellent", lobte der ehemalige ÖVP-Wien-Chef. "Als Oppositionspolitiker ist mir das alles auf die Nerven gegangen. Dieses pausenlos Sagen, das ist falsch und das ist falsch.“

In Gesprächen mit dem designierten Wiener ÖVP-Chef Karl Mahrer warne Görg öfter „nicht zu nett zu sein“, denn das würde von den Wählerinnen und Wählern nicht honoriert werden.