Fiaker am Stephansplatz in der Sonne
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Chronik

Tierschutzminister für Fiakerverbot

Mit dem Sommer beginnt wieder die Fiaker-Hitze-Debatte: Aktuell bekommen die Pferde ab 35 Grad hitzefrei, künftig vielleicht schon ab 30 Grad. Geht es nach Tierschutzminister Johannes Rauch (Grüne), soll es bald gar keine Fiaker mehr in der Stadt geben.

„Zunächst stellt sich die Frage abseits von Hitze, ob der Einsatz von Fiakern in einer Großstadt überhaupt noch zeitgemäß ist. Ich halte das ein bisschen aus der Zeit gefallen“, so Tierschutzminister Rauch am Montag gegenüber „Wien heute“. „Man sollte sich Gedanken darüber machen, nämlich wirklich aus Gründen des Tierschutzes, ob man ein Pferd diesem Stress aussetzen sollte.“ Rauch würde eine Debatte darüber begrüßen, ob Wien auf Fiaker insgesamt verzichten könnte.

Rauch zu Fiakerverbot

Johannes Rauch (Grüne) zu Fiakerverbot

Stadt und Bund schieben sich Verantwortung zu

Seit 2016 bekommen die Fiakerpferde ab 35 Grad hitzefrei. Das ist laut Rauch zusammen mit Lärm und Stadtverkehr nicht im Sinne des Tierwohls. Gefordert wird schon seit Jahren eine Regulierung auf 30 Grad. Eine Umsetzung scheitert allerdings an einem politischen Kompetenzlabyrinth: Stadt und Bund schieben sich die Zuständigkeit gegenseitig zu.

Die Stadt Wien betont auch dieses Jahr, eine Regulierung liege nicht in ihrer Kompetenz: „Wir als Stadt sind nicht für das Tierschutzgesetz zuständig – dieses Gesetz obliegt dem Bund, wo man diese Temperaturgrenze in Hinblick auf das Tierwohl festlegen könnte. Würde man die Temperaturgrenze für den Beruf des Kutschers herabsetzen, würde man sich mit Sicherheit Diskussionen in anderen Berufsfeldern aufmachen“, hieß es aus dem Büro von Tierschutzstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ).

Gespräche zwischen Bund und Stadt sind jedenfalls für Juni angesetzt. Dort werde man sich über die jeweiligen Positionen austauschen. „Wir sind übereingekommen, dass es dazu Gespräche geben soll und auch, dass Gespräche mit den Betroffenen – den Fiakern – geführt werden sollen. Nach den Turbulenzen auf Bundesebene ist es gut, wenn das Thema für den aktuellen Minister wieder in den Blick rückt“, heißt es weiter. Man sei jedenfallls dafür miteinander und nicht übereinander zu reden.

Verfassungsgerichtshof widerspricht

Laut Verfassungsgerichtshof (VfGH) ist die Wiener Hitzeregelung für Fiakerpferde von der Gesetzgebungskompetenz sehr wohl von den Ländern gedeckt. „In diesem Fall geht es nämlich nicht um die bloße Haltung von Pferden (dafür wäre der Bund im Rahmen seiner Tierschutzkompetenz zuständig), sondern um eine bestimmte Art des Einsatzes von Pferden, nämlich für die Beförderung von Personen mit Fahrzeugen, die durch die Kraft von Tieren bewegt werden. Für diese Angelegenheit sind die Länder zuständig“, hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme des VfGH.

Fiaker am Stephansplatz in der Sonne
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Bei der Wiener Wirtschaftskammer sind 19 Fiakerunternehmen gemeldet, 58 Fiakerstehplätze gibt es in der Stadt

Fiakerbetriebe fordern runden Tisch

Über politische Diskussionen, die das Tierwohl betreffen, zeigen sich einige Fiakerbetreiberinnen und Betreiber der 19 Fiakerunternehmen in Wien verärgert. Fiaker-Sprecherin Ursula Chytracek fordert einen runden Tisch mit der Politik, genauso wie Tierärztin Isabella Copar, die für zwei Fiakerbetriebe arbeitet. Für eine 30-Grad-Regulierung sehe sie ebenfalls keine Grundlage. „Ich sehe es nicht ein, dass sich Politiker ein Urteil über das Tierwohl machen, obwohl sie keine Ahnung von den Tieren haben.“

Dabei nimmt sie Bezug auf eine Studie der Veterinärmedizinischen Universität Wien (Vetmeduni). „Hitzestress, in Form einer Überforderung des thermoregulatorischen Systems im Pferd, wurde in keiner der annähernd 400 Messungen an den Tieren festgestellt“, lautete das Fazit.

Chytracek ergänzte, dass es „immer Wirbel gibt, wenn ein Pferd im Stadtgebiet aufgrund einer Pferdekrankheit zusammenbricht. Es konnte nie ein Zusammenhang mit der Hitze hergestellt werden, und trotzdem reden alle vom ‚Kollabieren der Pferde‘. Wenn das im Stall passiert, interessiert sich niemand dafür“, sagte Copar. Verärgert sei sie außerdem darüber, dass die Politik mit den Fiakern „nie das Gespräch sucht“. „Also ich kann für die letzten 25 Jahren sagen, dass kein einziges Pferd in der Hitze in der Stadt kollabiert ist“, bestätigte die Tierärztin.

Tierschutzminister für Fiakerverbot

Mit dem Sommer beginnt wieder die Fiaker-Hitze-Debatte: Aktuell bekommen die Pferde ab 35 Grad hitzefrei, künftig vielleicht schon ab 30 Grad. Geht es nach Tierschutzminister Johannes Rauch (Grüne), soll es bald gar keine Fiaker mehr in der Stadt geben.

Kompetenzunklarheiten bereits mit Mückstein

Bereits im Vorjahr waren Gespräche mit Ex-Tierschutzminister Wolfgang Mückstein (Grüne) und Tierschutzstadtrat Czernohorszky geplant. Die Stadt Wien sprach sich für ein Hitzefahrverbot für Fiaker schon ab 30 Grad aus. Zu Gesprächen mit dem Bund kam es aber nicht – mehr dazu in Wien will Fiakern ab 30 Grad freigeben.

Aus dem Büro des Stadtrats hieß es nach mehrfacher Nachfrage: „Unsere Stadt-Kompetenz beim Thema Fiaker liegt lediglich im Bereich des Verkehrsressorts von Stadträtin Sima – und zwar im Fiaker- und Pferdemietwagengesetz: Hier geht es um die Regelung der Verkehrssicherheit.“ Eine klare Äußerung, ob die Stadt Wien nach wie vor für eine 30-Grad-Regel ist oder nicht, bleibt unbeantwortet.

„Der Verfassungsgerichtshof hat die Frage eindeutig geklärt, der Ball liegt bei der Stadt Wien. Möglicherweise ist es für die Stadt Wien nur unangenehm, eine Entscheidung zu treffen“, konterte Tierschutzminister Rauch.

Tierschutzorganisationen begrüßen Vorstoß

Die Tierschutzorganisation Vier Pforten begrüßt den Vorstoß des Ministers. „Traditionen, die auf dem Rücken von Lebewesen erhalten werden, haben im 21. Jahrhundert einfach keinen Platz mehr. Wir schlagen vor, dass ein solches Verbot gleich mit der Novellierung der Tierschutz-Gesetzgebung geregelt wird“, so Kampagnenleiterin Veronika Weissenböck. Andere Städte hätten bereits vorgezeigt, dass das gelingen könne. Auch der VGT (Verein gegen Tierfabriken) zeigte sich in einer Aussendung erfreut – ein Verbot für Fiaker sei „längst überfällig“.