Ein Kindergarten in Penzing
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Chronik

Missbrauch: Stadt setzt Kommission ein

Nach dem Bekanntwerden eines mutmaßlichen Missbrauchsfalls in einem Kindergarten in Penzing reagiert jetzt die Stadt Wien auf die schweren Vorwürfe. Sie hat eine Kommission eingerichtet, um den Fall und mögliche Fehler zu prüfen.

Viele Eltern des betroffenen Kindergartens sind erst mehr als ein Jahr nach der Anzeige bei der Staatsanwaltschaft informiert worden. „Unser Ziel ist, den ganzen Prozess anzuschauen – vom Verdacht des sexuellen Missbrauchs bis jetzt – und nach Fehlern zu suchen, um die in Zukunft zu vermeiden“, erklärte der Kinder- und Jugendanwalt der Stadt, Ercan Nik Nafs, in „Wien heute“. In der Kommission ist neben der Anwaltschaft auch das Kinderschutzzentrum Möwe und die Kinder- und Jugendhilfe Wien.

Nik Nafs: Eltern zu spät informiert

Die erste Sitzung ist für Mittwoch angesetzt, Anfang Juli will man einen Bericht präsentieren. Die Kinder- und Jugendanwaltschaft sei von sich aus tätig geworden, „die ersten Anfragen an die öffentlichen Stellen sind bereits Freitag herausgegangen“. Für ihn sind die Informationen zu spät an die übrigen Eltern ergangen: „Sobald der Verdacht erhärtet war und die Anzeige bei der Staatsanwaltschaft eingegangen war, müssten die anderen Eltern informiert werden.“

Nik Nafs beschreibt den Auftrag der Kinder- und Jugendanwaltschaft in erster Linie als Präventionsarbeit. „In dieser Hinsicht haben wir auch die letzten Jahre Kinderschutzkonzepte für pädagogische Einrichtungen empfohlen und gefordert und das wird auch hier ganz bestimmt eine der Empfehlungen von uns sein.“

Missbrauchsverdacht in Kindergarten

Die Stadt Wien hat nun eine Kommission zur Überprüfung des Missbrauchsverdachts in einem Kindergarten in Penzing und die mögliche Vertuschung eingerichtet. Sie soll Fall und mögliche Fehler prüfen. Der schriftliche Bericht soll bis Anfang Juli fertig sein.

Psychologin: Auf Verhaltensänderungen achten

Es sei kompliziert, solche Fälle strafrechtlich zu verfolgen. Denn bei kleinen Kindern sei es schwierig, den Missbrauch zu registrieren. „Wenn Kinder plötzlich von heute auf morgen ihr Verhalten ändern, wenn sie wieder besonders klammernd sind, obwohl sie beispielsweise im Kindergarten schon gut eingewöhnt waren, sehr weinerlich sind oder auch sexualisierte Verhaltensweisen zeigen, dann sollte man schon sehr hellhörig werden und schauen, was da los ist“, erklärt die Psychologin Valerie Reich-Rohrwig.

Andere Indizien sind etwa aggressives Verhalten, Bettnässen, Daumen lutschen oder Nägel beißen, sagt die Psychologin. In einem nächsten Schritt sollte man das Kind fragen, was denn los sei. Außerdem empfiehlt sie, auch im Kindergarten zu beobachten, ob das Kind sich anders verhält. Sollte das so sein, sollen die Eltern mit Pädagoginnen und Pädagogen sowie anderen Eltern gemeinsam das Gespräch suchen.

Hat man tatsächlich den Verdacht, dass ein Missbrauch vorgefallen ist, sollte man professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Das Kind, empfiehlt die Psychologin, sollte man selbst nicht häufiger nach dem Fall befragen, „weil, je öfter die Kinder erzählen, desto größer wird die Geschichte und die wesentlichen Details fallen immer wieder weg“. Wichtig sei aber, den Kindern zu glauben, wenn sie sich nicht wohlfühlen.

Drei Fälle werden überprüft

Laut Staatsanwaltssprecherin Nina Bussek werden nun drei Fälle von der Behörde überprüft. Es geht um den Vorwurf des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen bzw. des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen. In dem Fall, der ein Jahr zurückliegt, wurde ein Gutachten beauftragt, auf dessen Ergebnis laut Bussek gewartet wird. In den zwei neuen Fällen, die eben erst bekannt wurden, müssen Gutachten noch eingeholt werden.

Der Verdächtige wurde zwar nach Bekanntwerden des Verdachts in den Administrationsdienst versetzt und angezeigt, einem größeren Personenkreis wurde von der Causa aber offenbar nicht erzählt. Die Eltern des Kindergartens sollen erst kürzlich bei einem Elternabend darüber informiert worden sein, was für scharfe Kritik sorgte.

Elternabend am Donnerstag

Die Leiterin der für die Kindergärten zuständigen MA10, Daniela Cochlar, wies Vertuschungsvorwürfe zurück. So sagte sie Medienberichten zufolge, es werde von Fall zu Fall entschieden, wie informiert werde. „Im Regelfall veranstalten wir Elternabende, begleiten die Eltern gut. Also das heißt, es kommt durchaus vor, wenn bei uns der Eindruck entsteht, dass akuter Handlungsbedarf da ist und zum Schutz der Kinder etwas geschehen muss, dass diese Wege gewählt werden“, sagte sie gegenüber „Ö1“.

Im Gespräch mit der APA betonte Cochlar, dass man das Beste tue, um Licht in die Sache zu bringen: „Wir nehmen das wirklich ernst.“ Für Donnerstagabend ist ein Elternabend für die Familien des betroffenen Standorts geplant. Dieser wird auf Bitte der Eltern unter Ausschluss der (Medien-)Öffentlichkeit stattfinden.