Stapel Zwei-Euro-Münzen
APA/dpa/Oliver Berg
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Wirtschaft

Vielen wird der Alltag zu teuer

Immer mehr Menschen in Wien sind von der stärksten Teuerung seit 40 Jahren betroffen. Der Zustrom zu den Ausgabestellen für Lebensmittel wächst. Die Schuldnerberatung bemerkt mehr Nachfragen von Menschen, die besorgt sind, wie es weitergehen soll.

Die Teuerung spüren jetzt sogar auch schon Einkommensschichten, die bisher mit ihrem Geld ausgekommen sind. Sie schaffen es derzeit, wissen aber nicht, wie lange noch. Vermehrt holen sie sich Tipps bei der Wiener Schuldnerberatung, bestätigte Gudrun Steinmann. Sie rechnet angesichts steigender Preise mit immer mehr solcher Betroffenen. Die Teuerung werde sich zeitverzögert im Herbst oder im kommenden Jahr bei vielen Wienern in Schulden niederschlagen.

Die Schuldnerberatung klärt mögliches Einsparungspotential. Das gibt es eventuell beim Auto, durch Preisvergleiche bei Anschaffungen, durch weniger Konsumation in Lokalen oder beim täglichen Einkauf. Viele Menschen hätten zum Beispiel verlernt, bewusst einzukaufen und auch bewusst zu kochen.

Inflation: Immer mehr Wiener bei Lebensmittelausgabestellen

Immer mehr Wienerinnen und Wiener brauchen, wegen der stärksten Inflation seit 40 jahren, Unterstützung. Die Caritas verzeichnt deutlich mehr Sozialberatungen.

Reparatur der Waschmaschine nicht leistbar

Auch in die Sozialberatungsstellen kommen inzwischen 30 Prozent mehr Menschen, darunter Familien mit Kindern, Pensionistinnen und Pensionisten oder alleinerziehende Mütter: „Erst vergangene Woche habe ich ein Beratungsgespräch mit einer alleinerziehenden Mutter gehabt, die seit Wochen ihre Wäsche wieder mit der Hand wäscht, weil sie sich die Reparatur der Waschmaschine nicht leisten kann“, so Doris Anzengruber, Leiterin der Caritas Sozialberatung.

Eine 84-jährige Frau habe um Rat gefragt, weil sie nichts mehr sparen kann und habe dann ihre Begräbniskostenversicherung storniert. Damit habe sie wieder 30 Euro zur Verfügung, mit denen sie Lebensmittel kaufen könne.

Ökonom Picek zu Maßnahmen gegen Inflation

Wie kann der Teuerung gegengesteuert werden? Dazu ist der Ökonom Oliver PICEK im „Wien heute“ Studio.

Lange Schlangen vor Lebensmittel-Ausgabestellen

Nicht nur Schuldner- und Sozialberatung verzeichnen mehr Anfragen, auch an den langen Schlangen vor den Ausgabestellen der Caritas für Lebensmittel zeigt sich die Krise deutlich. Immer mehr Menschen in Wien sind auf dieses beinahe kostenlose Einkaufen angewiesen: „Wir merken, dass es einen großen Bedarf gibt. In den vergangenen Jahren haben wir pro Woche rund siebzehn Tonnen an Lebensmitteln ausgegeben, jetzt sind es vierundzwanzig. Der Bedarf ist groß und er steigt“, sagte Anzengruber.

Schon vor der Teuerung war es für viele Menschen knapp, jetzt wird der Alltag für immer mehr Menschen unleistbar. Das Sozialsystem fängt sie nicht mehr ausreichend auf: „Was es jedenfalls braucht, ist eine armutsfeste Sozialhilfe oder Mindestsicherung. Die Menschen kommen mit der Sozialhilfe kaum mehr aus“, betonte Anzengruber. Sogar arbeitende Menschen würden um Hilfe fragen. Mit einer Entspannung der Lage rechnet die Caritas nicht. Sie sucht deshalb gerade nach einem weiteren Standort für eine neue, große Lebensmittelausgabe.