Ein Railjet der ÖBB steht am Hauptbahnhof
ORF.at/Christian Öser
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Verkehr

ÖBB weiter ohne Reservierungspflicht

Überfüllte Züge haben in den vergangenen Wochen dazu geführt, dass Menschen mit Ticket, aber ohne Reservierung Zügen der ÖBB verwiesen wurden. Deshalb wurde über eine mögliche Reservierungspflicht diskutiert, diese dürfte aber wieder vom Tisch sein.

Zuletzt häuften sich Berichte über sehr volle Züge, die ÖBB mussten sie teilweise räumen. Die Debatte über eine Reservierungspflicht wurde aber schnell beendet. Man wolle sich insgesamt laufend verbessern, hieß es am Dienstag bei einem Hintergrundgespräch mit Journalistinnen und Journalisten.

„Wir werden besser bei der Prognose, wir werden besser bei der Lenkung“, sagte Sabine Stock, im ÖBB-Vorstand unter anderem zuständig für Fern-, Nah- und Regionalverkehr. „Die Kapazitäten werden auch laufend erweitert“, fügte Klaus Garstenauer hinzu. Er ist im Vorstandsgremium unter anderem für das Flottenmanagement zuständig.

Rekordzahlen und zusätzliche Plätze

„Insgesamt gibt es absolute Rekordzahlen“, sagte Stock zum Passagieraufkommen. „Wir fahren jedes einzelne Fahrzeug, das wir haben“, so Garstenauer. Auf der Weststrecke habe das Plus im April 14 Prozent gegenüber April 2019 betragen. Absolute Zahlen nennen die ÖBB nur fürs Gesamtjahr.

Kurzfristig werden zu Pfingsten 13.000 zusätzliche Plätze bereitgestellt. Flottenmanager Garstenauer meinte, man habe den Anstieg erwartet, aber nicht ganz so früh im heurigen Jahr. Grundsätzlich handle es sich bei überfüllten Zügen nicht um ein Kapazitäts-, sondern um ein Lenkungsproblem, bekräftigte er.

Ein Zug der ÖBB
ORF.at/Georg Hummer
An Starkreisetagen will man alle Kapazitäten einsetzen, die verfügbar sind

Da die ÖBB mit weiter steigenden Passagierzahlen rechnen, werden bis 2030 4,1 Milliarden Euro in neue und die Erneuerung bestehender Garnituren investiert. Die ÖBB müssten die Mobilitätswende im Personen- und Güterverkehr orchestrieren, während das Gesamtsystem fit bleibe, beschrieb Garstenauer die Herausforderung unter Verweis auf die Rahmenbedingungen mit hohen Energie- und Rohstoffpreisen und der Suche nach Personal.

Ständig hohe Kapazitäten nicht möglich

Derzeit fahren die ÖBB 111 Millionen Zugskilometer pro Jahr, das ist 2.800-mal pro Jahr oder 7,5-mal am Tag um die Erde. Bis 2028 werden es laut Garstenauer mit 125 Millionen Zugskilometern um 12,5 Prozent mehr werden. Dafür wird der integrierte Taktfahrplan ausgebaut.

Die Starkreisetage zuletzt und in Zukunft würden aber herausfordernd bleiben, gestanden die Vorstände ein. „Wir haben Verständnis für Frustration, wenn man aus dem Zug gehen muss“, sagte Stock. Aber: „Wenn wir die Kapazitäten so auslegen, dass immer alle gleichzeitig fahren können, dann stehen Züge sehr oft herum, und das ist für den Steuerzahler nicht darstellbar.“ Für die Zukunft sind eine Weiterentwicklung der ÖBB-App und ein Ausbau der digitalen Werkzeuge zum Buchen und vielleicht auch fürs Einchecken in den Zug geplant.

Ersatzlösungen bei unfreiwilligen Ausstiegen

Am Sonntag habe man 16 zusätzliche Züge auf die Strecken gebracht, bestehende Zuge verlängert und Busse bereitgehalten, um im Bedarf damit weiterzubefördern. Dazu stelle man Personal auf den Bahnsteigen bereit, um die Menschen in den Zügen besser zu verteilen. Wenn aber ein Zugsbegleiter nicht mehr rasch zu seinem Platz gelangen könne, um Sicherheitsdurchsagen zu machen, dann müsse dieser die schwere Entscheidung treffen, Leute des Zuges zu verweisen. Das seien meist Menschen nahe den Türen. Dass das in der Verantwortung des Begleiters liege, sei gut und richtig.

Mehrmals betonten die Vorstände aber, dass Menschen, die aus dem Zug müssen, nicht im Stich gelassen würden. Im Regionalverkehr würden Züge fast so schnell von Wien in St. Pölten oder Wiener Neustadt sein wie die Railjets. Am Mittwoch letzter Woche habe man wegen eines großen Konzerts in Klagenfurt in Salzburg aus dem Zug bitten müssen. Und diese habe man mit Bussen zum Konzert gebracht. „Es erfolgt eine Koordination durch die zentrale Verkehrsleitung, dass geplante Reiseketten sichergestellt werden können“, sagte Stock.

Reservierungen nur bei Nachtzügen

Vorige Woche von Mittwoch um 14.00 Uhr bis Sonntagabend haben die ÖBB 3,6 Mio. Fernverkehrsreisende in 1.500 Zügen gezählt. 700 Fahrgäste aus elf Zügen mussten ihren Wunschzug verlassen und seien gebeten worden, mit demselben Ticket ein anderes Verkehrsmittel zu nutzen. Dabei sei „keiner stehen gelassen“ worden, so Stock, die zu den Räumungen sagt: „Das ist nichts, was der Zugsbegleiter freiwillig macht.“

Eine Reservierungspflicht schließen die ÖBB inzwischen aus. Man wolle bei der „einzigartigen Kombination“ bleiben und ein offenes System mit Reservierungsmöglichkeit ohne Pflicht (außer bei Nachtzügen) beibehalten, so Stock. Es handle sich bei ÖBB-Tickets auch um ein reines Streckenbuchungssystem.

Immer Plätze für Spontanreisende

Man kann also mit demselben Ticket in einen Railjet und in einen Regionalzug gehen – in Deutschland ist eine ICE-Fahrt mit einem Nahverkehrsticket ausgeschlossen. In Frankreich ist das Ticket gleich eine Reservierung: Tritt man die Fahrt nicht an, ist man also nicht wie etwa bei den ÖBB „nur“ die etwaigen drei Euro los, wenn man reserviert hat. „Diese Flexibilität wollen wir nicht einfach aufgeben. Es gibt keine Pflicht, aber Reservieren hilft.“ Dem Vernehmen nach übersteigen Reservierungen niemals 70 Prozent der Plätze.

Was die Bahn ausschließt, ist, dass Züge ganz durchreserviert werden. Immer müsse Platz für Menschen mit Verbundtickets, Spontanreisende, Klimaticketbesitzer sein. Tatsächlich am Limit sei der Weg zwischen Wien und Wiener Neustadt. Hier erhofft man sich Abhilfe ab Ende 2023, wenn Fernverkehrszüge die Pottendorfer Linie nutzen sollen.

Mit dem Winterfahrplanwechsel am zweiten Sonntag im Dezember dürften heuer auch wieder die Ticketpreise steigen, nachdem das zuletzt ausgesetzt worden war. Offiziell bestätigt wurde das beim Gespräch aber nicht.