Gärtner arbeitet in Garten
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Wirtschaft

Gärtner stöhnen unter Fachkräftemangel

Die CoV-Pandemie hat nicht nur der Tourismus- und Gastrobranche zugesetzt, auch Gärtnereien, Gartengestalter und Floristen suchen händeringend nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Unterdessen floriert das Geschäft mit dem Grün.

Kurzfristig einen Gärtner oder eine Gärtnerin zu bekommen, ist derzeit fast ein Ding der Unmöglichkeit. Die Auftragsbücher sind voll, die Vorlaufzeit geht über Wochen. Auch die Öffnungszeiten mancher Gartenbetriebe mussten eingeschränkt werden.

„Ich suche seit mittlerweile einem Jahr Mitarbeiter. Fachkräfte zu finden ist schwierig, weil viel zu wenige die Ausbildung machen. Ich kenne keinen einzigen Kollegen, der nicht Mitarbeiter sucht, und zwar verzweifelt“, sagt Gertrude Ziegler, Floristin in Hernals, gegenüber „Wien heute“. Sie muss daher seit geraumer Zeit ihr Geschäft in der Alszeile öfter schließen, als ihr lieb ist, denn das Geschäft geht eigentlich sehr gut.

Gartenbranche als Krisengewinner

Die Gartenbranche zählt zu den Gewinnern in der CoV-Krise. Garteln boomt zwar schon länger, seit der Pandemie jedoch mehr denn je. „Das haben wir stark gemerkt, dass es sich die Menschen zu Hause schön gemacht haben, auch dass hinter dem Bildschirm begrünt wurde oder einfach sehr, sehr viel in den Gärten gemacht wurde. So viele Jungpflanzen, Gemüse und Kräuter, wie in den letzten zwei Jahren habe ich nie zuvor verkauft“, bestätigt Ziegler.

Fachkräftemangel in der Gärtnerei

Gärtnereien und Floristen suchen nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Und das trotz florierendem Geschäft.

Auch Herbert Eipeldauer, Innungsmeister der Gärtner und Floristen in der Wirtschaftskammer Wien, berichtet von Gewinnen. Die Nachfrage sei in den letzten Jahren sehr groß gewesen. Außerdem durfte man arbeiten, da die Arbeit im Freien gewesen sei.

„Lehrlingsentschädigung muss angehoben werden“

Rosige Zeiten also, wäre da nicht der Fachkräftemangel: „Das liegt einerseits daran, dass sich immer weniger schmutzig machen wollen mit Erde. Das zweite ist, dass es momentan leider die Tendenz gibt zu studieren“, so der Innungsmeister. Dabei könne man im Handwerk „mindestens genauso gut verdienen“ wie manche Uni-Absolventen, meint Eipeldauer.

Für die Floristin Ziegler ist es indes sehr wohl auch eine Frage des Geldes: „Wir haben einen großen Fehler gemacht, dass wir eine sehr geringe Lehrlingsentschädigung haben, ich denke, die müsste a la longue angehoben werden.“ Laut Eipdeldauer liegt die Lehrlingsentschädigung bei Gärtnern im Vergleich zu anderen Lehrberufen „im mittleren Bereich“.

Image des Gärtners am Boden

Auch Lehrmeister Stefan Brunnauer, Gartengestalter in Liesing, sieht den Beruf mit einem „großen Imageproblem“ behaftet. „Ich bin davon überzeugt, dass die Menschen da draußen nicht wissen, welche Aufgaben wir haben.“ Die Unterschiede zwischen einem Gärtner, der produziert, einem Floristen, der Blumen bindet, und einem Gartengestalter seien zu wenig bekannt. Vor allem beim Gartengestalter sei sehr viel mehr Fachwissen nötig.

Alle Berufe seien allerdings mit schwerer körperlicher Arbeit verbunden. „Wer nicht in die Erde greifen oder eine Scheibtruhe schieben will, ist für diesen Job wohl nicht geeignet. Auch Liebe zur Arbeit im Freien soll vorhanden sein“, so Brunnauer. „Wichtig ist, dass man das handwerkliche Geschick hat und Kreativität sowie großes Wissen in punkto Pflanzen“, benennt die Floristin Ziegler die ihrer Ansicht nach wichtigsten Kriterien für den Beruf. Und: „Man muss natürlich die Materie lieben.“

Höhere Ausbildung in Dualer Akademie

Um dem Fachkräftemangel gegenzusteuern, starteten die Wiener Floristen und Gartengestalter eine sogenannte Duale Akademie für Garten- und Grünflächengestalterinnen sowie Floristen. Das Konzept ist eine Art Lehre plus – eine zweijährige Berufsausbildung, die auf Maturantinnen und Maturanten zugeschnitten ist und im Vergleich zur normalen Lehre auch Auslandserfahrung und eine Projektarbeit umfasst. Der Abschluss der Dualen Akademie ist einem HAK- oder HTL-Abschluss gleichgestellt.

Brunnauer, der einen der ersten Absolventen ausbildete, ist begeistert: „Meine Erfahrung ist, dass ein klassischer Lehrling noch nicht so genau weiß, was er mit seinem Leben machen will. Ein 18-, 20- oder 25-Jähriger hat natürlich schon einen ganz anderen Zugang.“ Eipeldauer von der Wirtschaftskammer sieht das ähnlich: „Sie sind schon älter, das sind Leute mit Matura, die probiert haben, weiter zu studieren, aber draufgekommen sind, dass ihnen das nicht gefällt. Sie wollen zurück zum Gewerbe und zum Handwerk, was sicher auch eine Möglichkeit ist, um gut und schön zu verdienen.“

Von der Dialektik zu den Pflanzen

Die ersten vier Absolventen wurden gerade fertig. Einer von ihnen ist Carlos Hinojosa, Magister der Philosophie und ehemaliger Biologiestudent aus Mexiko, den das akademische Interesse an Georg Friedrich Wilhelm Hegel zuerst nach Deutschland und die Liebe zu seiner Frau nach Wien geführt hat: „In Österreich habe ich gekellnert in spanischen und mexikanischen Restaurants, ich wollte raus aus der Branche, weil die Arbeitszeiten schwierig sind“, erzählte der Familienvater im „Wien heute“-Interview.

„Ich habe an der Uni ein bisschen Botanik gemacht und mir gedacht: Warum nicht? Ich mag Pflanzen. So bin ich in der Branche gelandet.“ Interessentinnen und Interessenten für die Duale Akademie werden laufend aufgenommen. Und auch über 20 Lehrstellen in den insgesamt rund 950 Gärtnereien, Floristen- und Gartengestaltungsbetrieben der Stadt sind derzeit nicht besetzt.