Chronik

Umstrittener Campbetreiber gab Alpenverein-Kurse

Ein umstrittener Feriencampbetreiber, der ungeachtet einer mittlerweile getilgten Vorstrafe wegen Kindesmissbrauchs Feriencamps für Kinder zwischen fünf und zwölf Jahren anbietet, war bis Mai auch für den Österreichischen Alpenverein (ÖAV) tätig.

Der zertifizierte Outdoor-Guide und Kletterlehrer gab bis vor kurzem für eine Sektion Kurse für Kinder im Alter zwischen acht und zwölf Jahren. Zu Übergriffen oder Verdachtsfällen sei es dabei nach derzeitigem Wissenstand nicht gekommen, versicherte ÖAV-Vizepräsidentin und Bundesjugendleiterin Nicole Slupetzky Dienstagmittag.

Vier Outdoorkurse geleitet

Der Mann habe nicht auf Hauptvereinsebene, sondern für eine Sektion ehrenamtlich insgesamt vier Outdoorkurse geleitet, den letzten im Mai. Erst in der Vorwoche habe man im Zuge von Medienberichten Kenntnis von dessen Vorleben erlangt. Die Zusammenarbeit wurde mittlerweile beendet.

Wie Slupetzky betonte, habe der ÖAV bereits vor etlichen Jahren im Sinne des Gewaltschutzes ein Präventionskonzept erarbeitet, dem man sich verpflichtet fühle: „Wir beschäftigen uns schon lange und intensiv damit. Wir versuchen alles, um vor allem Übergriffe auf Kinder zu verhindern.“

Dessen ungeachtet sei es dem ÖAV als ehrenamtlichem Verein mit 11.000 freiwilligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, davon rund 2.000 in der Kinder- und Jugendarbeit in der Praxis unmöglich, jeden einzelnen Mitarbeiter auf Unbedenklichkeit zu überprüfen, zumal im konkreten Fall die getilgte, 2010 erfolgte Vorstrafe des Mannes im Strafregister gar nicht aufgeschienen wäre.

„Gesetzgeber in der Pflicht“

„Man sollte daher die Überprüfung, ob ehrenamtliche Mitarbeiter in der Kinder- und Jugendarbeit ein einwandfreies Vorleben aufweisen im Sinne des Opferschutzes nicht uns Vereinen umhängen“, sagte die ÖAV-Vizepräsidentin. Slupetzky sieht vielmehr den Gesetzgeber in der Pflicht. Sie sprach sich für ein grundsätzliches Berufs-und Tätigkeitsverbot in der Kinder- und Jugendarbeit für wegen Kindesmissbrauchs und ähnlicher Delikte Vorbestrafte aus.

„Wir brauchen ein Mittel, das Kinder und Jugendliche schützt.“ Der ÖAV werde aus gegebenem Anlass sein Präventionskonzept evaluieren und nachbessern und auf einem aktuellen Strafregisterauszug bestehen, „aber grundsätzlich sollte eine Verurteilung im Missbrauchsbereich dazu führen, dass eine Person nicht mehr in der Kinder- und Jugendarbeit tätig sein darf. Damit wäre uns wirklich geholfen.“

Vorlage eines Strafregisterauszugs jetzt zwingend

Der ÖAV bzw. einzelne Sektionen hatten bisher bei ehrenamtlichen Mitarbeitern im Kinder- und Jugendbereich nicht zwingend die Vorlage eines aktuellen Strafregisterauszugs verlangt. Ausgenommen davon war lediglich Kärnten, wo das landesgesetzlich vorgeschrieben ist. Wie Slupetzky ankündigte, werde das nun geändert, zumal seit 2014 sogar eine spezielle Strafregisterbescheinigung bei ehrenamtlicher Tätigkeit mit direktem und regelmäßigem Kontakt zu Kindern beantragt und ausgestellt werden kann.

Im überarbeiteten Kinder- und Gewaltschutz-Konzept werde das entsprechenden Niederschlag finden. Im konkreten Anlassfall hätte die Einholung einer erweiterten Strafregisterbescheinigung aber nicht viel gebracht. Unter Berufung auf die Sektion, für die der Outdoor-zertifizierte Feriencampbetreiber tätig war, versicherte Slupetzky, dass die getilgte Vorstrafe des Mannes dort nicht aufscheine.

Ermittlungen im Vorjahr eingestellt

Der Mann, der laut Firmenbuch seit 2019 ein Einzelunternehmen für Sport- und Freizeitunterricht betreibt, hatte für kommenden Sommer Feriencamps für Kinder im Osten Österreichs angeboten. Die Plätze waren ausgebucht, für die fünftägigen Camps gab es nur mehr Wartelisten. Mittlerweile sind aber sämtliche Informationen zu den Camps, die am Montag noch online waren, von der Homepage des Mannes verschwunden.

Nach derzeitigem Wissensstand dürfte sich der Mann seit seiner zwölf Jahre zurückliegenden Verurteilung nichts zuschulden haben kommen lassen. Im Vorjahr wurde gegen ihn allerdings wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen ermittelt – dieses Verfahren wurde im November 2021 eingestellt, „weil das Opfer, um das es gegangen ist, ihn nicht wiedererkannt hat“, wie die zuständige Staatsanwaltschaft am 23. Mai auf APA-Anfrage betont hatte.

2019 dem Alpenverein beigetreten

Der Mann war 2019 dem Alpenverein beigetreten. Im Anschluss nahm er an einem Basecamp-Workshop teil, das sich über ein Wochenende erstreckte. „Die Jugendleiter-Ausbildung hat er nicht durchlaufen“, räumte ÖAV-Vizepräsidentin Slupetzky ein. Er habe sich dafür zwar angemeldet, seine Teilnahme aber storniert. Über eine Sektion bot er trotzdem Aktivitäten an.

Zur Frage, ob gegen den Mann aktuelle Ermittlungen laufen, hieß es auf APA-Anfrage seitens der zuständigen Polizeidienststelle, eine Auskunft sei „aus datenschutzrechtlichen Gründen“ nicht möglich.

Prüfstelle für Arbeit mit Kindern gefordert

Die Kinderschutzorganisation Möwe fordert wie andere Expertinnen und Experten ein Kinderschutzgesetz und eine Prüfstelle für solche Fälle – mehr dazu in oesterreich.ORF.at (9.6.2022).