Stromzähler
ORF
ORF
Umwelt

„Stromtausch“ nun kilometerweit möglich

Auf Grundlage des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzespakets (EAG-Paket) sind seit Kurzem Energiegemeinschaften möglich. Damit kann über Kilometer hinweg Strom „getauscht“ werden. Voraussetzung dafür ist aber ein digitaler Stromzähler (Smart Meter).

Bernadette Fina und ihr Vater Franz sind so etwas wie Pioniere: Sie haben den Verein „Fina Power BEG“ und damit laut ihren Aussagen die erste Bürger-Energiegemeinschaft nach dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzespaket gegründet.

„Ich habe meine Dissertation darüber geschrieben und auch in meinem Arbeitsalltag in der Forschung beschäftigen mich Energiegenossenschaften jeden einzelnen Tag. Und deswegen war es für mich einfach der nächste logische Schritt, das auch selbst auszuprobieren und eine Energiegemeinschaft in der Praxis umzusetzen“, erzählt Bernadette Fina gegenüber „Wien heute“.

Nur in bestimmten Zeitfenstern möglich

Die Idee hinter Energiegemeinschaften: Der Strom, der an einem Ort ins Netz eingespeist wird, wird dann bei der Nutzung woanders gegengerechnet. Im Fall von Bernadette Fina wird der Strom am Dach ihres Elternhauses in Breitenfurt mittels Photovoltaik gewonnen und ins Netz gespeist. Gegengerechnet wird der Verbrauch in ihrer Wohnung in der Wallensteinstraße in der Brigittenau.

Finas stehen und schauen auf Dach
ORF
Bernadette Fina und ihr Vater haben eine Energiegemeinschaft gegründet

Voraussetzung für Energiegemeinschaften ist das Vorhandensein digitaler Stromzähler, auch Smart Meter genannt. Weiters gibt es auch eine zeitliche Begrenzung. „Die Smart Meter-Daten gibt es in 15-minütiger Auflösung. Das bedeutet, den Überschuss, den meine Eltern in einem 15-Minuten-Intervall erzeugen, kann ich in diesem selben 15-Minuten-Intervall in meiner Wiener Wohnung nutzen“, erzählt Fina.

Das heißt im Umkehrschluss aber auch: Wenn am Vormittag bei den Eltern Strom eingespeist wird, Bernadette Fina ihn aber erst am Nachmittag in ihrer Wohnung braucht, funktioniert die Energiegemeinschaft nicht. Dazu bräuchte es einen Speicher, sagt Fina.

Derzeit nur in einer begrenzten Region möglich

Den Strompreis können die Energiegemeinschaften selbst festlegen, erklärt Konstantin Geiger, der im Auftrag der Stadt Wien Energiegemeinschaften berät. „Natürlich kann ich mir innerhalb der Gemeinschaft einen Tarif ausmachen, der unter dem Strompreis liegt, den ich normalerweise bezahlen würde“, so Geiger. Fina sieht eine Win-win-Situation: Weil die Erzeuger mehr bekommen können, als wenn sie den Strom nur mit einem konventionellen Tarif ins Netz einspeisen. Und die Abnehmer könnten den Strom günstiger bekommen als vom konventionellen Energieanbieter.

Bürger-Energiegemeinschaften

In Breitenfurt nahe der Stadtgrenze mit Photovoltaik Strom produzieren – und den dann in einer Wohnung im 9ten Bezirk nutzen. Mit sogenannten Bürger-Energiegemeinschaften ist das seit kurzem möglich. Voraussetzung ist ein digitaler Stromzähler.

Wie hoch das Einsparungspotenzial genau ist, können aber derzeit weder Fina noch Geiger sagen. „Das hängt von mehreren Faktoren ab. Wie sich der allgemeine Strompreis entwickelt, aber auch von der Anzahl der Mitglieder der Energiegemeinschaft“, erklärt Fina. Sie habe die Energiegemeinschaft mit ihrem Vater mehr aus ideellen Motiven heraus gegründet.

Momentan funktionieren die Bürgerenergiegemeinschaften nur innerhalb eines Netzanbieters und damit innerhalb einer Region. Im Fall der Finas sind das die Wiener Netze. Künftig sollen die Energiegemeinschaften auch bundesländerübergreifend möglich sein. „Aktuell ist es in einem Gebiet eines Netzbetreibers, also in einem sogenannten Konzessionsgebiet, möglich und ab Sommer 2023 wird es dann auch über diese Gebietsgrenzen hinweg möglich sein“, sagt Geiger.

Zwei unterschiedliche Modelle

Neben den Bürgerenergiegemeinschaften sieht das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzespaket (EAG-Paket) auch lokal beschränkte „Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften“ vor. Diese dürfen nur Energie aus erneuerbaren Quellen erzeugen, speichern, verbrauchen und verkaufen. Und sie sind auf den „Nahebereich“ beschränkt, welcher im Stromnetz durch die Netzebenen definiert wird. Damit fallen in der Regel auch die Gebühren für die Netznutzung geringer aus. Beide Modelle brauchen jedenfalls eine Rechtsform, sie werden meist als Verein oder Genossenschaft organisiert.

Photovoltaik auf Dach
ORF
Bernadette Finas Strom wird teilweise durch die Photovoltaik-Anlage ihrer Eltern erzeugt

Für die Abrechnung stellen die Netzbetreiber die Daten zur Verfügung. Einerseits den Energiegemeinschaften selbst für ihre Verrechnung, aber auch den konventionellen Stromanbietern, damit diese den Preis für den Reststromverbrauch ermitteln und verrechnen können. Bernadette Fina hofft jedenfalls auf viele neue Energiegemeinschaften, denn dadurch würde auch der Ausbau der erneuerbaren Energien vorangetrieben.

Alternativen, wenn man keine Mitstreiter findet

Und auch für Menschen, die keine Nachbarinnen und Nachbarn mit ähnlichen Öko-Interessen finden, gibt es die Möglichkeit, sich an einer Art Energiegemeinschaft zu beteiligen. Eine davon ist „Our Power“ mit Sitz in Wien. Dort können Erzeuger und Konsumentinnen aus dem ganzen Land mitmachen, berichtete der „Standard“.

Vor rund vier Jahren sei die Genossenschaft mit 19 Mitgliedern gestartet, mittlerweile seien knapp 600 dabei, erzählt Peter Molnar, Vorstand der Initiative gegenüber der Zeitung. Mitglieder müssen pro Anteil hundert Euro zahlen, wenn sie ihren Strom verkaufen wollen. Wer keinen eigenen Strom einbringt, muss keinen Anteil kaufen – aber kann den grünen Strom dennoch beziehen. Rund 200 Ökostromkraftwerke quer durchs Land versorgen die Kundinnen und Kunden.