Unterricht in der Neuen Mittelschule Schopenhauerstraße 79
ORF.at/Zita Klimek
ORF.at/Zita Klimek
Bildung

Lehrkräftemangel spitzt sich zu

Schon seit einigen Jahren gibt es in bestimmten Fächern weniger ausgebildete Lehrkräfte, als nötig wären. In Wien ist eine Zuspitzung der Lage in den Bundesschulen absehbar, aber auch in den Pflichtschulen fehle es an Lehrkräften, warnen Interessenvertreter.

In den Bundesschulen gibt es aktuell laut der Wiener Bildungsdirektion mit 2.500 Bewerbungen um 1.000 weniger als im langjährigen Schnitt. Mangelfächer sind vor allem Mathematik, Naturwissenschaften und Informatik. Auch in Deutsch und Englisch muss mitunter auf Personal mit Bachelor- statt Master-Abschluss zurückgegriffen werden.

An den Wiener Pflichtschulen gibt es zwar gleich viele Onlinebewerbungen wie im vergangenen Jahr, und von den Kopfzahlen wären es sogar mehr Bewerberinnen und Bewerber als nötig. Allerdings wollen eben immer weniger Lehrerinnen und Lehrer eine volle Lehrverpflichtung, etwa weil sie sich noch nicht reif fühlen für die Übernahme einer Klasse. In der Bildungsdirektion geht man davon aus, dass es an den Volksschulen wieder besonders eng wird.

Um Engpässe zu überbrücken, setzt man in Wien auf Lehramtsstudierende oder Quereinsteiger aus verwandten Fächern (z. B. Diplomstudium Mathematik statt Lehramt Mathematik), in den Mittelschulen wird bei den Lehrfächern umverteilt, an Polytechnischen und Berufsschulen behilft man sich mit Überstunden. An den Volksschulen, wo Überstunden nur begrenzt möglich sind, wird eine Supplierreserve aufgebaut.

Initiative fordert zum Handeln auf

Lehrermangel, zu viele Kinder pro Klasse und nicht ausreichende Förderung von behinderten Kindern: Das sind die Gründe, weshalb am Dienstag Eltern, Freizeitpädagoginnen und -pädagogen sowie Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler auf die Straße gegangen sind, um für ein besseres Schulsystem zu demonstrieren. Michael Wagner, Initiator „Bessere Schule jetzt!“ und Vater, blickt mit Bauchweh in den Herbst. Es brauche ein echtes, schnelles und ideologiebefreites Bekenntnis der Bundesregierung und der Stadt Wien für die Ermöglichung individueller Förderung, Inklusion und pädagogisch hochwertiger Arbeit an allen Pflichtschulen.

Demo für besseres Schulsystem

Am Dienstag sind Lehrerinnen und Lehrer von Pflichtschulen, Freizeitpädagoginnen und -pädagogen sowie Eltern mit Kindern auf die Straße gegangen, um für ein besseres Schulsystem zu demonstrieren.

Es gebe zu wenig Lehrpersonal, die Maximalanzahl von 25 Kindern pro Klasse sei viel zu hoch. „Es braucht kleinere Klassen, grundsätzlich mehr Förderunterricht, und der Lehrberuf muss endlich wieder attraktiv gemacht werden, damit man Hoffnung in dieses Land hineinbringt und dass man sagt ‚Geil, dass ich Lehrer bin‘ und nicht, dass man mit Bauchweh in die Klasse geht“, so Wagner gegenüber „Wien heute“.

Auch Bildungsdirektor Heinrich Himmer würde weniger als 25 Kinder pro Klasse befürworten. Da es sich hier allerdings um ein Bundesgesetz handelt, könne eine Reduktion der Anzahl nur von der Bundesregierung angepasst werden.

Lehrkräfte denken ans Aufhören

Einige Lehrerinnen und Lehrer sprachen beim Protest von „Massenabfertigung in Schulen“, denn individuelle Förderung der Kinder sei kaum möglich und die Ressourcen, um qualitativ hochwertig mit den Kindern zu arbeiten, seien nicht mehr gegeben. „Ja, ich denke manchmal ans Aufhören, also zumindest mittelfristig, wenn sich die Situation so weiterentwickelt. Dauerhaft ist das nicht durchdrückbar – auch privat nicht“, sagte der Volksschullehrer Jakob Frank.

Laut Statistik Austria waren in den Pflichtschulen, also Volksschulen, Neuen Mittelschulen, Hauptschulen, Sonderschulen und Polytechnischen Schulen im Schuljahr 2020/2021 rund 14.300 Lehrkräfte beschäftigt. Zwei Jahre davor, im Schuljahr 2018/2019, waren es rund 13.700. Somit sind 600 Lehrkräfte dazugekommen.

Von der Zahl dürfe man sich nicht täuschen lassen, betont Thomas Krebs von der Gewerkschaft Wiener Pflichtschullehrer: „Die Anzahl der Personen allein reicht nicht, weil viele der Kolleginnen nicht Vollzeit unterrichten können. Die Dienstpostenzahl ist gestiegen, und man darf nicht vergessen, dass die Schülerzahl deutlich gestiegen ist.“ Auch die Anzahl der Kinder, die aus der Ukraine geflüchtet sind, spiele hierbei eine große Rolle.

Mangel durch Pensionswelle und längere Ausbildung

Die Gründe für den Mangel sind vielfältig, wie der Rundruf zeigt. Durch die Pensionswelle fallen derzeit besonders viele langjährige Lehrerinnen und Lehrer aus dem System, gleichzeitig beklagen einige Bundesländer Probleme beim Nachschub durch immer weniger Vollzeitarbeitskräfte und die neue, längere Lehrerausbildung: Diese sieht vor, dass nach dem vierjährigen Bachelor eine einjährige Induktionsphase und dann innerhalb von maximal fünf Jahren das mindestens einjährige Masterstudium abgeschlossen wird.