Wirtschaft

Arbeiterkammer: Kritik an Gastrobranche

Die Arbeiterkammer Wien übt Kritik an „extrem schlechten Arbeitsbedingungen“ in der Gastrobranche. Das Gastgewerbe nehme eine „traurige Spitzenposition in der Rechtsberatung“ ein, berichtete die Kammer.

Dass in der Gastrobranche händeringend nach Personal gesucht wird, hat laut der Arbeiterkammer „handfeste Gründe“. Das Gastgewerbe finde sich seit Jahren auf Platz eins bei den persönlichen Beratungen in der Wiener Kammer. In der Praxis falle die Branche durch besonders viele Arbeitsrechtsverletzungen auf. Das zeige, „dass hier einiges im Argen liegt“.

2021 hätten zehn Prozent der Beratungen die Gastronomie betroffen, obwohl nur 4,3 Prozent der Mitglieder in diesem Bereich tätig seien. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer würden immer wieder von Löhnen berichten, die nicht rechtzeitig, nicht in der richtigen Höhe oder gleich gar nicht ausbezahlt würden, außerdem von Schwarzzahlungen, unbezahlten Überstunden und der Nichteinhaltung der Ruhezeiten.

„Probleme symptomatisch für die Branche“

Heuer im ersten Halbjahr habe die Arbeiterkammer Wien bereits 1.280 persönliche Beratungen für Beschäftigte im Gastgewerbe durchgeführt. In den drei Monaten März bis Mai nahm sie 190 Fälle aus der Branche genauer unter die Lupe. „Die Beschäftigten, die den Weg zu uns in die Beratung finden, zeigen, dass es sich bei den zahlreichen geschilderten Arbeitsrechtsverletzungen um keine Einzelfälle handelt, sondern dass die Probleme symptomatisch für die Branche sind“, hielt die Leiterin Arbeitsrecht der Kammer, Bianca Schrittwieser, in einer Aussendung fest.

Bei mehr als einem Drittel seien überhaupt keine Überstunden bezahlt worden, 12 Prozent hätten für Urlaub und Krankenstand gar kein Entgelt bekommen, ein Viertel habe Bar- beziehungsweise Schwarzzahlungen erhalten. Eine korrekte Lohnabrechnung habe nur ein Drittel bekommen – zwei Drittel entweder gar keine oder eine falsche.

Fehler bei Kündigungsfristen

Weiters seien Kündigungsfristen falsch berechnet worden, zu kurz gewesen oder gar nicht eingehalten worden. Ein Fünftel wurde für die geleistete Arbeitszeit den Angaben zufolge zu gering bei der Sozialversicherung angemeldet, in manchen Fällen wurde überhaupt nicht angemeldet.

Auch die Arbeitszeiten sind oft unattraktiv, weil nicht planbar: Jeder oder jede Vierte hatte laut Arbeiterkammer „regelmäßig geteilte Dienste“ beziehungsweise wurde der Dienstplan vom Arbeitgeber „kurzfristig einseitig geändert“. Gut ein Drittel musste regelmäßig nach 18.00 Uhr arbeiten, knapp ein Viertel regelmäßig nach 22.00 Uhr.

Kritik an Saisonarbeit

„Die Branche klagt darüber, offene Stellen nicht besetzen zu können. Statt aber Arbeitsplätze attraktiver zu machen und Arbeitsbedingungen zu verbessern, sollen verstärkt Arbeitskräfte aus Drittstaaten angeworben werden. Aber weder die Regelung für Stammsaisonniers noch die Rot-Weiß-Rot-Karte tragen zu besseren Arbeitsbedingungen bei – dabei sind gute Arbeitsbedingungen und faire Bezahlung der Schlüssel für motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, betonte die Leiterin Arbeitsmarkt und Integration bei der Arbeiterkammer Wien, Silvia Hofbauer.

Saisonarbeit ist aus Sicht der Kammer „ein grundlegend falsches Migrationsmodell“. Die Regelungen – auch betreffend Rot-Weiß-Rot-Karte – böten keinen ausreichenden Schutz vor Ausbeutung, Lohn- und Sozialdumping. Die Arbeiterkammer fordert, dass die gesetzlichen Regelungen zum Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungsgesetz wieder verschärft werden – dieses sei im Sommer 2021 aufgeweicht worden, die Strafen wurden gesenkt. Es müsse zudem mehr kontrolliert werden, was eine personelle Aufstockung bei Finanzpolizei und Arbeitsinspektorat erfordere.

Kammer fordert wieder längere Ruhezeit

Die Meldung des Gehalts und der Wochenarbeitszeit bei der Anmeldung zur Sozialversicherung soll laut Arbeiterkammer wieder verpflichtend sein, wie das bis 2019 der Fall gewesen sei. Bei Nichtausstellung eines Dienstzettels solle es Sanktionen geben.

Weiters sei der Mehrarbeitszuschlag laut Meinung der Arbeitnehmervertreter auf 50 Prozent zu erhöhen. Die Zurücknahme der täglichen Ruhezeit von zwölf auf acht Stunden, die 2018 im Arbeitszeitgesetz und Arbeitsruhegesetz verankert worden sei, sei „neu zu gestalten“. Nicht zuletzt wünscht sich die Arbeiterkammer die gesetzliche Möglichkeit einer „Tourismuskasse“, um beispielsweise Saisonverlängerungsmodelle umzusetzen.