Heinz-Christian Strache vor Prozess wegen Bestechlichkeit am Straflandesgericht in Wien
APA/Helmut Fohringer
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politik

Strache-Prozess mit Zeugen fortgesetzt

Heute ist am Wiener Landesgericht der Prozess gegen den ehemaligen Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und den mitangeklagten Immobilienunternehmer Siegfried Stieglitz mit mehreren Zeugen fortgesetzt worden. Strache wird Bestechlichkeit, Stieglitz Bestechung vorgeworfen.

Die Angeklagten bestreiten die Vorwürfe. Laut Anklage soll Strache Stieglitz für in mehrere Tranchen gestückelte Spenden an den FPÖ-nahen Verein „Austria in Motion“ einen Aufsichtsratsposten in der Asfinag verschafft haben. Im anklagegegenständlichen Zeitraum war Norbert Hofer (FPÖ) Infrastrukturminister und für die Aufsichtsrats-Entsendung in die Asfinag, aber auch in die ÖBB zuständig, wo Stieglitz ebenfalls tätig sein wollte, zu seiner Verärgerung aber nicht zum Zug kam. Ende Februar 2020 wurde Stieglitz dann von der zuständigen Ministerin Leonore Gewessler (Grüne) als Asfinag-Aufsichtsrat abberufen.

Interesse an Besetzungen „absolut lebensnahe“

Dass ein Obmann einer Regierungspartei sich für die Besetzung von Aufsichtsratsgremien in staatsnahen Betrieben interessiere, bezeichnete Reichhardt zu Beginn seiner Befragung als „absolut lebensnahe. Das findet in jeder Partei statt“. Reichhardt hatte seine berufliche Laufbahn als parlamentarischer Referent des ehemaligen FPÖ-Politikers Thomas Prinzhorn begonnen, gehörte dann dem Kabinett von Hubert Gorbach (FPÖ) an, als dieser 2003 Verkehrsminister wurde, und wurde von Gorbach zum Leiter der Sektion III – Innovation und Telekommunikation ernannt. Unter türkis-blau war er von Jänner 2018 bis Mai 2019 Generalsekretär im Infrastrukturministerium.

Mit Strache verbinde ihn eine langjährige Freundschaft, sagte Reichhardt. Dass Strache sich für Stieglitz stark machte, als es um die Besetzung des Aufsichtsrats für die Asfinag ging, erklärte Reichhardt folgendermaßen: „Ich gehe davon aus, dass er von der Arbeit und Qualität des Herrn Stieglitz überzeugt war.“ Wahrnehmungen, dass es diesbezüglich zwischen Stieglitz und Strache eine Vereinbarung oder gar eine Gegenleistung von Stieglitz gegeben habe, habe er nicht gemacht: „Ich habe keinen Hinweis auf eine Gegenleistung.“

„Ideen und Wünsche“ bei Posten

Chat-Protokolle zwischen Strache und Stieglitz belegen, dass sich auch Reichhardt, der selbst dem Aufsichtsrat der Asfinag und der ÖBB-Holding angehört, für den Immobilien-Unternehmer eingesetzt haben dürfte. Darauf von der Richterin angesprochen, meinte Reichhardt: „Seine Immobilien-Expertise war aus meiner Warte unbestritten.“ Stieglitz selbst habe er erst „in einer Aufsichtsratsschulung“ persönlich kennengelernt: „Er hat sich sehr engagiert eingebracht. Ich habe das persönlich auch gut gefunden, dass jemand, der einen Immobilienhintergrund hat, sich einbringt, weil das auch ein Thema ist, das die Asfinag betrifft.“

Reichhardt bestätigte, dass Stieglitz in weiterer Folge Ambitionen in Richtung eines Aufsichtsrat-Postens bei den ÖBB und beim Verbund entwickelte: „Er war durchaus sehr ambitioniert, sich woanders, bei weiteren Mandaten einzubringen.“ Es habe „im Lauf der Zeit Ideen und Wünsche“ gegeben, „die sich in beiden Fällen nicht manifestiert haben“. Grundsätzlich sei „ein Wunsch aus meiner Warte aus auch legitim. Mehr als einen Wunsch kann er (Stieglitz, Anm.) nicht äußern“, betonte Reichhardt.

Chats deuten darauf hin, dass sich Reichhardt auch in Bezug auf die ÖBB für Stieglitz verwendet haben dürfte. Seitens Straches sei er in diesem Punkt nicht bedrängt worden, betonte er: „Es war nicht so, dass ich einen Druck empfunden hätte.“ Für ihn hätte „nichts dagegen gesprochen“, wenn es Stieglitz zu den ÖBB geschafft hätte, meinte der Zeuge: „Dass er eine Option gewesen ist, dazu stehe ich. Die Qualifikation war unbestritten.“

Verwendungszweck „Wie vereinbart“

Zuvor hatte die langjährige persönliche Assistentin von Siegfried Stieglitz in ihrer Einvernahme enthüllt, dass der Unternehmer das Online-Banking nicht beherrscht. Daher tätige sie auf jeweilige konkrete Anweisungen für Stieglitz sämtliche private und berufliche Überweisungen und habe alle Zugangsdaten zu dessen Privat-, Firmen-, und Stiftungskonten, sagte die seit 2002 für Stieglitz tätige Frau aus. Im Oktober 2017 bekam sie von ihm telefonisch die Anweisung, an den FPÖ-nahen Verein „Austria in Motion“ gestückelt insgesamt 10.000 Euro zu überweisen. Sie kam dem nach, wobei sie beim Verwendungszweck „Wie vereinbart“ anführte.

Das habe sich nicht auf eine konkrete Vereinbarung mit dem Verein bzw. diesem zuzurechnende Personen bezogen, sondern auf die an sich gerichtete Beauftragung durch Stieglitz, betonte die Zeugin. Die Formulierung „Wie vereinbart“ sei bei Zahlungsabwicklungen für ihren Chef gängige Praxis: „Das machen wir schon seit Jahren so. Es hat noch nie eine Beanstandung gegeben, dass das nicht gepasst hätte.“

Weitere Überweisungen

Im konkreten Fall habe sie „Wie vereinbart“ hingeschrieben, da sie keine Hintergrund-Informationen bezüglich der Überweisungen an „Austria in Motion“ hatte: „Ich hatte keinen Verwendungszweck.“ Stieglitz habe ihr dazu auch mündlich nichts erklärt. Dass es sich um eine Spende handelte, habe sie nicht gewusst.

2018 kam es zu weiteren Überweisungen an den FPÖ-nahen Verein im Zusammenhang mit einem Bus, den Stieglitz der FPÖ für den Wahlkampf zur Verfügung gestellt hatte. Die Partei bestand dann aber darauf, die Kosten dafür selbst zu tragen, worauf Stieglitz seine Assistentin ersuchte, die Maut und die Mehrwertsteuer „herauszurechnen“ – der Endbetrag wurde dann wieder unter dem Betreff „Wie vereinbart“ an „Austria in Motion“ überwiesen.

Sideletter als „Willenskundgebung“

Nach der Zeugin wurde Strache von Richterin Mona Zink ergänzend zu einem Sideletter befragt, den er bei der Bildung der türkis-blauen Koalition mit dem damaligen ÖVP-Obmann und späteren Bundeskanzler Sebastian Kurz unterschrieben hatte. Es habe sich dabei um eine „Willenskundgebung“ gehandelt, „die die Zusammenarbeit erleichtern sollte. Und damit es keine Streitereien gibt“, sagte Strache.

In dem von der Richterin konkret angesprochenen Sideletter – es gab derer vier weitere – wurden unter anderem die Vorschlagsrechte der Parteien für die Besetzung von Gremien in Infrastrukturunternehmen wie der Asfinag geregelt. „Die ÖVP hat sich im Unterschied zur FPÖ nicht daran gehalten“, monierte Strache, wobei seine Tonlage erkennen ließ, das ihn dieses Thema emotional bewegte. „Das mag sein oder nicht“, unterbrach ihn die Richterin. Das sei hier „Gott sei dank nicht Thema“.