Friedhof
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Chronik

Urban Gardening auf dem Friedhof

Ruhe finden, sich erden, abschalten vom Alltag – manche finden das beim Garteln, andere beim Spazieren etwa auf dem Friedhof und einige in der Kombination aus beidem: Auf dem Evangelischen Friedhof Matzleinsdorf kann man auf aufgelassenen Gräbern Gemüse züchten und ernten.

Vor fünf Jahren hatte der Leiter der Friedhofsverwaltung und gelernte Gärtner, Walter Pois, die Idee der Nachnutzung aufgelassener Gräber. Seither werden rund 20 von ihnen bepflanzt und statt Blumen schlagen hier nun Zucchini, Erdbeeren und Tomaten ihre Wurzeln.

Einige dieser Gräberbeete sind vermietet, die meisten aber werden von den eigenen Friedhofsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern betreut. Sie nutzen die Möglichkeit, um hier Gemüse anzupflanzen, auch um eine „zusätzliche Jause“ zu haben, erzählt Pois am Freitag gegenüber „Wien heute“.

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Tomatenstaude
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Zucchini
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Öffentlicher Bücherstein auf Friedhof
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Schild „Öffentliche Büchersteine“
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Zitat Jean Paul in Stein graviert
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Öffentlicher Bücherstein auf Friedhof
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Bienenstock
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Sorge um einen unerwünschten Kontakt brauche man nicht haben, zerstreut Pois Bedenken: Die Verstorbenen liegen so tief, dass die Wurzeln der Pflanzen nicht mit ihnen in Berührung kommen. Mindestens ein Meter Erde liegt zwischen der Oberfläche und dem oder den darunter liegenden Verstorbenen.

Pflanzenschutzmittel nicht erlaubt

Die Idee sei ihm und seinem Team bei der Frage gekommen, wie man mit aufgelassenen Gräbern umgehen solle, um sie vor Verwahrlosung zu bewahren, erzählt der ehemalige Gärtner aus Niederösterreich. Die Bepflanzung ist aus seiner Sicht eine gute Lösung zur würdigen Instandhaltung der Begräbnisstätten.

Der Anbau auf den Gräbern gestaltet sich abwechslungsreich. „Wir haben die Möglichkeit, Zucchini anzubauen, Tomaten, Salat, Schnittlauch, Petersilie, Erdbeeren“, erzählt eine Hobbygärtnerin gegenüber ORF Wien. Erlaubt ist fast alles, Pflanzenschutzmittel gehören aber nicht dazu.

„Ein bisschen was Neues“

Die anfängliche Skepsis sei bei den meisten Friedhofsbesucherinnen und -besuchern Begeisterung gewichen, berichtet der Friedhofsleiter: „Wir mussten da sehr viel erklären.“ Doch heute gebe es nur einige wenige kritische Stimmen. „Mittlerweile ist es eigentlich so, dass das ganz gut angenommen wird und dass es die Leute auch freut, dass wir ein bisschen moderner sind und ein bisschen was Neues passiert.“

Urban Gardening am Friedhof

Der Evangelische Friedhof Matzleinsdorf in Wien bietet Gemüsezüchten und -ernten auf aufgelassenen Gräbern an. Die etwas ungewöhnliche Art des Gärtnerns gibt es auf der Triester Straße.

Grabsteine werden zu Büchersteinen

So gibt es auf dem Friedhof auf der Triester Straße auch mehrere offene Büchersteine. Denn ein Friedhof ist für Pois viel mehr als nur ein Ort des Gedenkens. Gerade in der Pandemie habe er beobachtet, dass Menschen die Begräbnisstätte für Spaziergänge und zur Erholung nutzten – daher auch seine Idee der Büchersteine.

„Der Sinn ist, dass alte Grabsteine, die historisch und aufgelassen sind, nicht einfach entsorgt werden, sondern die Nutzung eine andere wird. Die Steine haben zum Teil Nischen. Und dort werden Bücher reingestellt, die sich jeder ausborgen kann, beziehungsweise, wenn er Bücher über hat, sie reinstellen kann – damit jeder sie ausborgen kann.“

Bienenlehrpfad soll kommen

Auch Bienenstöcke gibt es auf dem Friedhof, der Honig wird verkauft. Ein Bienenlehrpfad über den Friedhof sei derzeit in Planung und komme vielleicht heuer noch, so Pois. Zweifelsohne bleibt der Friedhof aber weiterhin vorrangig eine letzte Ruhestätte für Verstorbene. So sind die 20 derzeit bepflanzten Grabstätten nur ein Bruchteil des Matzleinsdorfer Friedhofs, zu dem insgesamt 8.600 Gräber gehören.

Rund 1.500 von ihnen sind aufgelassen, berichtete die Gratiszeitung „Heute“ diese Woche. Hobbygärtner und Hobbygärtnerinnen können die freien Grabflächen anmieten – zum Preis einer Grabmiete. Eine Anfrage kann bei der Friedhofsverwaltung gestellt werden.