Gebäude Wien Fernwärme Spittelau
APA/Helmut Fohringer
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Politik

Scharfe Kritik an Fernwärme-Teuerung

Die Erhöhung der Preise für Fernwärme um 92 Prozent in Wien mit 1. September ist fix. Das bestätigte Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) in „Wien heute“. Die Opposition übt scharfe Kritik. Wien Energie verweist auf die Gasabhängigkeit.

Für die ÖVP regiert die SPÖ „eiskalt“, wie es in einer Reaktion von Landesparteiobmann Karl Mahrer und dem Wiener Klubobmann Markus Wölbitsch hieß. „Wir bedauern, dass die Stadtregierung den Appell für gemeinsame Gespräche nicht aufgenommen hat und über die Köpfe der Menschen hinweg unsoziale Maßnahmen setzt“, wurden die Politiker in einer Aussendungen zitiert. Die Wienerinnen und Wiener würden durch die Handlungen der Wiener Stadtregierung „schlichtweg ärmer“.

Wien solle sich ein Vorbild an den Maßnahmen des Bundes nehmen, anstatt einzelne „Boni“ zu verteilen und die Krise durch unsoziale Maßnahmen zu verschärfen, forderten Mahrer und Wölbitsch. Kritik übten sie auch an der Erhöhung der städtischen Gebühren mit 1. Jänner 2023.

FPÖ kündigt Initiativen für Preissenkungen an

Auch der Wiener FPÖ-Obmann Dominik Nepp attestierte der SPÖ „soziale Kälte“. Bürgermeister Michael Ludwig sei „persönlich dafür verantwortlich, wenn sich immer mehr Menschen keine Lebensmittel und im Winter das Heizen nicht mehr leisten können“, so Nepp per Aussendung.

Hanke über Fernwärmepreise

Stadtrat Peter Hanke (SPÖ) bestätigt, dass die Fernwärmepreise ab 1. September steigen.

Außerdem kritisierte der FPÖ-Landesparteiobmann, dass die Gewinne der Wien Energie bzw. der Wiener Stadtwerke nicht an die Wiener zuückgegeben würden – stattdessen würde nun weiter an der Preisschraube gedreht. Nepp kündigte Initiativen für Preis- und Gebührensenkungen an.

Grüne: „Gar kein Verständnis“

Von einer „exorbitanten Preiserhöhung“, für die man „gar kein Verständnis" habe, sprachen die Wiener Grünen. „Wien will offensichtlich den ersten Platz für die meisten Preiserhöhungen im Energiebereich erringen“, meinte der grüne Landesparteivorsitzende Peter Kraus.

Dabei gebe es von der SPÖ auf Bundesebene fast täglich neue Forderungen zu den Energiepreisen. „In Wien, wo man selbst eingreifen und einen Unterschied machen könnte, tut die SPÖ einfach nichts – im Gegenteil, sie lässt die Preise weiter steigen“, sagte Kraus. Der Rekordgewinn der Wien Energie müsse an die Kundinnen und Kunden weitergegeben werden. Zudem forderte Kraus einen raschen Umstieg auf erneuerbare Energie, um weitere Preisschocks zu verhindern.

Arbeiterkammer fordert unabhängige Ombudsstelle

Auch die Arbeiterkammer kritisierte die Preiserhöhung am Dienstag in einer Aussendung erneut. Man habe sich auch in der mündlichen Verhandlung der Preiskommission, die die Erhöhung geprüft hatte, dagegen ausgesprochen. Der Arbeiterkammer stehe bei der Festlegung der Fernwärmepreise aber nur ein Anhörungsrecht zu. Die Arbeitnehmervertretung forderte von der Wien Energie eine unabhängige Ombudsstelle für Fernwärme und das Recht auf Ratenzahlung für Haushalte, auch bei Zahlungsrückständen.

Rund 260.000 Haushalte betroffen

Finanzstadtrat Hanke hatte am Montagabend in „Wien heute“ bekanntgegeben, dass die Stadt der Anpassung des Preisbescheids durch die Wien Energie stattgegeben hatte. Damit steigen die Fernwärmepreise der Wien Energie mit September um 92 Prozent.

Anfang Juni hatte der städtische Energieversorger die geplante Erhöhung bekanntgegeben. Die wurde seither von einer Preiskommission geprüft – in dieser haben unter anderem die Sozialpartner Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer und Landwirtschaftskammer Parteienstellung. Betroffen sind rund 260.000 Haushalte bzw. knapp zwei Drittel der privaten Fernwärmekundinnen und -kunden.

Fernwärme bis zu 65 Prozent aus Erdgas

Die massive Verteuerung der Fernwärme liegt auch daran, dass die Fernwärme in Wien zu über 50 Prozent aus Erdgas erzeugt wird. Zu Spitzenzeiten liegt der Erdgas-Anteil laut Wien Energie bei bis zu 65 Prozent. Etwa ein Drittel der Wärme stammt aus der Müllverbrennung, der Rest kommt aus industrieller Wärme, Biomasse und Großwärmepumpen.

Der Fernwärmepreis beim Endkunden setzt sich aus Grundpreis und Arbeitspreis zusammen. Ersterer deckt die Fixkosten der Fernwärme, etwa Kosten für Infrastruktur, Energielieferung, Wartung oder Instandhaltung und wird nach Quadratmetern verrechnet. Der Arbeitspreis richtet sich nach der tatsächlich verbrauchten Wärmemenge. Bei der Verrechnung werden außerdem 20 Prozent Umsatzsteuer fällig.

Arbeitspreis steigt um 180 Prozent

Mit der Preiserhöhung werden sowohl der Grundpreis als auch der Arbeitspreis angehoben. Der Grundpreis erhöht sich dabei um rund 20 Prozent. Die Wien Energie erklärt das mit ebenfalls gestiegenen Bau- und Personalkosten und verweist auf die jeweiligen Indizes. Der Arbeitspreis steigt unterdessen um 180 Prozent.

Aufgrund der Erzeugungsstruktur sei der Arbeitspreis bei Fernwärme stark abhängig vom Gaspreis. Seit der letzten Preisanpassung 2016 habe sich der Österreichische Gaspreisindex (ÖGPI) fast vervierfacht, am Spot-Markt habe sich der Gaspreis versechsfacht, so die Wien Energie. Für jene Erzeugungskomponenten, die nicht vom Erdgas abhängig sind, seien die Kosten um 17 Prozent gestiegen.